Umbrüche
archithese feiert ihr 50-jähriges Jubliäum. 1971 erschien das erste Heft – genau zwischen der Studierendenrevolution von 1968 und der Ölkrise von 1973. Seither hat archithese das Schweizer wie das internationale Baugeschehen kritisch begleitet, auf Debatten reagiert, solche angestossen und immer wieder Brücken zu benachbarten oder auch entlegeneren Disziplinen der Architektur geschlagen. Vieles hat sich in einem halben Jahrhundert verändert: der Erscheinungsrhythmus, der grafische Auftritt, das Format, die Redaktion, der Verlag, die Druckerei. Eigentlich, so könnte man denken, ist nichts gleich geblieben. Aber wer aktuell bleiben möchte, muss sich kontinuierlich wandeln. Und heisst es nicht auch: Nur wer sich wandelt, bleibt sich treu?
50 Jahre archithese also. Warum und von wem sie gegründet wurde und wie sie sich entwickelt hat, darüber haben wir bereits vor zehn Jahren Auskunft gegeben. Auch über die Frage, was Architekturkritik ist, was sie leisten kann und sollte. Das wollen wir in dieser Ausführlichkeit nun nicht wiederholen – allein die Grafik im Ausklapper führt chronologisch vor Augen, wie archithese sich hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds und ihres Auftritts gewandelt hat.
Anlässlich des 50-jährigen Jubliläums haben wir uns mit dem Thema Umbrüche ein anderes Konzept überlegt. Wir blicken nicht zurück auf die Zeitschrift selbst, sondern auf Diskurse. Solche, welche die Debatten der Schweiz geprägt und verändert haben – und andere, die eher international zu verorten sind. Sind wir ehrlich, so gibt es keine nationalen Alleingänge, und auch das, was spezifisch helvetisch wirkt, ist mit der globalisierten Welt verbunden. Umgekehrt finden auch die internationalen Debatten ihren Niederschlag in der Schweiz.
Die Auswahl der Themen in diesem Heft ist dabei nicht über alle Zweifel erhaben, sondern – und das ganz bewusst – von den Interessen der Personen geleitet, die hinter archithese stehen. Manche aktuellen Themen, ob «Queer» oder «Koexistenz», haben wir in den jüngsten Heften behandelt. Sie also nicht noch einmal zu thematisieren, ist der Ökonomie der Mittel geschuldet. Andere Fragen haben Schweizer Buch- oder Zeitschriftenpublikationen bereits grundsätzlich beantwortet – mitunter so, dass unsererseits nichts hinzuzufügen ist.
Ausgangspunkt von jedem der elf Beiträge war ein ikonisches Bild. Wir haben die Autor*innen gebeten, von diesem aus ein Diskursthema zu erschliessen und aus heutiger Sicht zu kommentieren. Das erste Bild zeigt die Performance Restless Sphere in Basel, bei der Coop Himmelb(l)au 1971 in einer pneumatischen Kugel durch die Stadt rollten. Das letzte Bild zeigt die Brandruine des Grenfell Tower im Jahr 2017 in London. Das Heft beginnt somit mit dem spielerisch-künstlerischen Aufbruch und den utopischen Hoffnungen nach 1968 und endet mit der harten Realität vernachlässigter städtischer Immobilien. QR-Codes an den Seitenrändern der Artikel ermöglichen die Vertiefung der Themen. Sie führen auf den archithese-Blog, wo wir zum jeweiligen Beitrag passende Texte aus 50 Jahren archithese verlinkt haben.
Die Redaktion