archithese 3.2022

Architektur sammeln

CHF 28.00, ISBN 978-3-0386-2-255-0, 100 Seiten, 20 × 28 cm

Architekturmuseen sammeln Architektur in Form von Zeichnungen, Fotografien oder Modellen. Doch Architektur lässt sich auch physisch sammeln – im Massstab 1:1. archithese zeigt ein breites Spektrum von Möglichkeiten, vom englischen Landschaftsgarten über Freilichtmuseen bis hin zum City Branding, das auf die Namen prominenter Architekt*innen setzt.

Editorial DE

Architektur sammeln

Sammeln besitzt unterschiedliche Facetten – «zerstreutes auf einen Ort zusammenbringen», so heisst es im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Doch in der neueren Sprache, so liest man dort, sei mit Sammeln der Nebensinn verbunden, «dasz das zusammenbringen allmählich geschieht». Sammeln, so liesse sich daraus ableiten, besitzt eine örtliche und eine zeitliche Komponente. Örtlich, weil aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang dislozierte Objekte in ein neues System an anderem Ort eingefügt werden. Und zeitlich, weil das Sammeln sich gemeinhin über einen gewissen Zeitraum erstreckt – so es überhaupt einmal sein Ende findet.

In der vorliegenden Ausgabe von archithese geht es um eine Objektgruppe, die sich der Mobilität vorderhand widersetzt: Architektur. Doch auch Architektur – so zeigen die diversen Heftbeiträge – lässt sich sammeln, und das nicht nur in Form von Referenzmedien wie Zeichnungen, Fotos oder Modellen, sondern auch physisch im Massstab 1:1. Mal buchstäblich versetzt an andere Orte, wie in Freilichtmuseen, aber auch in Form eines dreidimensionalen Capriccios, für das der Landschaftsgarten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen wichtigen Ausgangspunkt darstellt. Der Bogen spannt sich schliesslich von vor Ort komponierten Arrangements wie dem Vitra Campus in Weil am Rhein über weitreichende Konzepte wie dem Projekt Living Architecture bis hin zur Frage des City Brandings mit den Mitteln der Architektur.

Sammeln kann systematisch erfolgen, aber auch planlos und spontan. Entsammeln ist in den vergangenen Jahren verstärkt zum Thema geworden: Weil die Speicher der kulturellen Erinnerung quantitativ an ihre Grenzen gelangen. Und weil die qualitative Frage zu beantworten ist, ob die Sammlungskriterien der Vergangenheit heute noch diskursadäquat sind. In einer Zukunft, die immer mehr von Verzicht geprägt sein wird, mag das Prinzip des Sammelns verstärkt zur Disposition stehen. Und doch bleibt Sammeln eine kulturelle Praxis von höchster Bedeutung, weil sie Erinnerung physisch greifbar werden lässt, schützt und bewahrt.

Die Redaktion

Editorial EN

Collecting Architecture

Collecting has many different facets. According to the Deutsches Wörterbuch (German Dictionary) by the Brothers Grimm, Jacob and Wilhelm, it means bringing scattered things together in one place. But their dictionary continues to explain that in modern usage, collecting has the connotation “that the act of assembly occurs gradually”. This implies that collecting has both spatial and temporal components. Spatial, because objects are displaced from their original context and inserted into a new system somewhere else. And temporal, because the collecting typically extends over some period of time, if it ever comes to an end at all.

This issue of archithese is about a category that, for the time being, resists mobility: architecture. But architecture, as the various contributions to this issue demonstrate, can also be collected – and not only in the form of reference material such as drawings, photos or models, but also physically at a scale of 1:1. Sometimes literally relocated to other places, as in open-air museums, but also in the form of three-dimensional follies that originated largely as components of the landscape gardens of the second half of the 18^th century. The arc ultimately spans from composed arrangements tied to a specific site, such as the Vitra campus in Weil am Rhein, to wide-ranging concepts such as the Living Architecture project, to the notion of using architecture as a means of city branding.

Collecting can be systematic, but doesn’t have to be. It can also be haphazard or spontaneous. In recent years, decollecting has received increased attention, because the repositories of cultural memory are approaching their quantitative limits. And because the qualitative question to be answered is whether the historical criteria for collecting remain suitable for today’s discourse. In a future that will be increasingly characterized by doing without, the principle of collecting may be increasingly called into question. Still, collecting remains a cultural practice of utmost importance because it renders memory physically tangible while protecting and preserving it.

The Editors