Die vorliegende Swiss Performance 2017 versammelt nicht nur wie jedes Jahr die – aus subjektiver
Sicht der archithese-Redaktion – besten oder kontroversesten Neubauten in und aus der
Schweiz. Wir führen auch das im Vorjahr begonnene Experiment zur Architekturfotografie weiter.
Nahezu alle gezeigten Abbildungen wurden wieder exklusiv für das Heft erstellt. In diesem Jahr
haben Architekturstudierende der ETH Zürich unter Leitung von Tobias Wootton zur analogen
(Profi-)Kamera gegriffen. Der Kurs «Architekturfotografie» ist ein Unterrichtsmodul der Professur
von Philip Ursprung am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur. Aufgenommen zwischen
Oktober und Januar, zeigen die Bilder raue, stimmungsvolle Winterwelten mit Wolken,
Dunst und Nebel. Was sofort heraussticht: Nicht der Wunsch, singuläre, zentrierte Objekte zu
zeigen, leitete die Studierenden bei der Wahl der Standorte und Ausschnitte, sondern der Versuch,
sie in unterschiedlichen Wechselbeziehungen mit ihrem Kontext zu zeigen. Mitunter tritt die
Architektur gar als Passepartout für Landschafts- und Stadträume zurück. Das Heft ist nicht nur
ein Spiegel der helvetischen Baukultur, sondern öffnet mit Orten in Allmannajuvet, Mailand, London
und Hamburg zugleich eine grössere, europäische Perspektive.
Oft ist zu lesen, die Schweizer Architektur habe sich nach der Jahrtausendwende in verschiedenste,
kaum miteinander vergleichbare Richtungen entwickelt. Dass dem nicht so ist, zeigt die
vorliegende Ausgabe. Es ist eine Entwicklung zu stärker kontextgebundenen Konzepten zu spüren.
Nehmen wir die Erweiterung des Kunstmuseums Tate Modern von Herzog & de Meuron als Beispiel.
Hier lässt sich pars pro toto aufzeigen, was für viele Projekte gilt. War der Umbau der Turbinenhalle
in London (2000) noch von einem Nebeneinander von Alt und Neu geprägt, so präsentiert
sich die nun fertiggestellte Erweiterung mehrdeutig und hybrid. Das mag sie auf den ersten Blick
kompromisslerisch erscheinen lassen, doch das Gegenteil ist der Fall. Der neue Körper nimmt eine
Lesung, zugleich aber eine Neuinterpretation seines Kontextes vor. Offensichtliche Referenzen
wurden mit neuen räumlichen und konstruktiven Ideen ausbalanciert. Die Erweiterung tritt in
Beziehung zur kraftvollen Turbinenhalle, aber auch zu der eher alltäglichen Stadtrealität – ohne
dass der Anspruch, einen erkennbaren Sonderbau zu gestalten, aufgegeben wurde.
Abgesehen von wenigen Beispielen, die noch dem Minimalismus der 1990er-Jahre verpflichtet
sind, ist die aktuelle Schweizer Architektur geprägt von einem kraftvollen «Sowohl-als-auch».
Sie ist offener und vielfältiger geworden, aber noch immer weit davon entfernt, beliebig oder unkontrolliert
zu sein.
Bei der Auswahl der Bauten zu dieser Ausgabe haben wir ungefähr 200 Projekte gesichtet
und diskutiert. Gegen unsere Absicht haben in dieser Swiss Performance (wieder) prägnante Kulturbauten
und die Altmeister der Szene die Überhand gewonnen, obwohl wir dutzende spannende
Wohn- und Siedlungsbauten – häufig auch von jüngeren Teams – auf dem Tisch hatten. Aber
wir möchten behaupten, dass es sich lohnt, diese im Verlauf des Jahres unter einem spezifischeren
Fokus zu diskutieren. Die folgenden Ausgaben der archithese: Neues Feingefühl im Juni und das
Septemberheft Bri-Collagen sind in diesem Jahr somit quasi ebenfalls Swiss Performances.
Wer Lust auf noch mehr Fotos hat, stöbert am besten in der E-Version des Heftes oder macht
einen nächtlichen Abstecher zur Redaktion in der Burgstrasse 24 in Zürich. Dort werden die Fotos
für einen Monat auf das Fenster projiziert.