Bildschirm und Fotos in Ehren – Architektur wirkt nicht nur optisch. Auch im telematischen Zeitalter wird sie in erster Linie körperlich erfahren: Akustik, Temperatur, Geruch, Material, Weite und Enge, Licht und Schatten prägen die Wahrnehmung räumlicher Gebilde entscheidend. Alle Sinne sind angesprochen, und aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Eindrücke entstehen Gefühle und Stimmungen, die nicht immer bis ins Bewusstsein vordringen – und auch nicht klar benannt, sondern nur über Wortbilder aus dem Bereich der Sinne umschrieben werden können.
Dieses emotional geprägte räumliche Erlebnis kann durch eine gezielte Gestaltung gesteuert werden – und wird es auch. Öffentliche Bauten etwa, und in besonderem Masse der Städtebau, waren schon immer auf soziale und politische Wirkung angelegt. Gewandelt haben sich die Botschaften, die es durch Architektur zu übermitteln galt, und mit ihnen die zu diesem Zwecke eingesetzten Mittel. Aber auch im kommerziellen und im privaten Bereich wird nach Gestaltungsmitteln gesucht, um bestimmte atmosphärische Qualitäten zu erzeugen; insbesondere stellt sich die zwiespältige Frage nach Wohlbehagen und Gemütlichkeit.
Jahrhundertelang wurden architektonische Formen auch als Zeichen verstanden: Ähnlich wie Wörter wiesen sie auf Inhalte hin (etwa auf politische oder religiöse Ideen), die nur aufgrund einer Konvention mit ihnen verbunden Waren. Nun scheint diese intellektuelle Ebene zugunsten der emotionalen an Bedeutung zu verlieren: Die Aufmerksamkeit vieler Architekten konzentriert sich zunehmend auf den unmittelbaren physischen Eindruck, den ihre Bauten hinterlassen. Starke Formen, gepflegte Oberflächen, kostbare Materialien und sorgfältig gestaltete Details sollen das Gemüt des Betrachters berühren und nicht seinen Geist. Diese Architektur vermittelt immer weniger Ideen und immer mehr Gefühle; sie soll ergreifen wie eine Musik, deren Klänge Werkstoffe, Farben, Materialtexturen, Licht und Schatten sind.
Dieses Interesse für die sinnlichen und emotionalen Aspekte der Architektur hat nicht nur mit den immer deutlicher erkennbaren Grenzen von Sachlichkeit und Funktionalismus zu tun. Auch die Verbindlichkeit kultureller Konventionen und das Verständnis für abstrakte Zeichensysteme sind heute in Frage gestellt. Daher ist es sinnvoll, eine unmittelbare, vom kulturellen Hintergrund des jeweiligen Betrachters unabhängige Wirkung architektonischer Formen anzustreben. Das bedeutet aber auch, dass die Suche nach anthropologischen Wahrnehmungskonstanten an Bedeutung gewinnt – und ebenso der menschliche Körper mit seinen physiologisch bedingten Empfindungen.