Zukunftsfähige Nachkriegsarchitektur
Sichtbeton, Vorhangfassaden, schlanke Profile und präzise Formen. Die Architektur der Nachkriegszeit hat ihre Ecken und Kanten und wird oft – nicht nur von Laien – als energiefressendes Ungetüm angesehen, das jedes Sanierungsbudget sprengt. Die Tagung am 1. Juli 2017 im sanierten Farelhaus von Max Schlup möchte auf die Potenziale dieser Architekturen hinweisen und praxisnahe Lösungsansätze für die Sanierungen von Bauten dieser Zeit liefern.
Text: Anne-Dorothée Herbort – 26.6.2017
Foto: Max Schlup, Farelhaus, Biel, 1959
Aufmerksamkeit und Anerkennung gewinnen
Die Architektur aus der Zeit des grossen Wachsens nach dem II. Weltkrieg prägt unsere Städte und Dörfer. In die Jahre gekommen sind mittlerweile beträchtliche Mittel für die Instandhaltung nötig. Daher wird häufig über einen Ersatz diskutiert.
Max Schlup prägte seit den 1950er-Jahren wie kein anderer die bauliche Entwicklung in Biel. Die kleine Industriestadt am Jurasüdfuss proklamierte damals ihren Anspruch eine «Stadt der Zukunft» zu sein. Dieser Geist prägte das Wirken von Schlup, dessen Bauten schon zur Bauzeit für Aufsehen aber auch für Widerstand sorgten. Seine Bauten zählen zu den bemerkenswertesten Zeugen der Nachkriegsmoderne in der Region und haben internationale Anerkennung gefunden. Die Fragen, welche sich im Zusammenhang mit der Pflege, der Sanierung oder der Weiterentwicklung der Werke der Nachkriegsmoderne stellen, sind für Eigentümer, Behörden ober auch für Planende und Handwerker immer wieder Neuland und die Haltungen, welche solchen Bauten entgegen gebracht werden, differieren beträchtlich. Nicht selten kommt es dabei zu Auseinandersetzungen oder die Bauten verlieren durch uniformes Umsetzen von Sanierungsstandards jegliche Ausstrahlung. Der BSA möchte mit dem Max Schlup Symposium 2017 die Aufmerksamkeit auf das Potenzial und den Reiz dieser Architektur lenken.
Fallbeispiel Farelhaus
Das Programm der Tagung möchte einen Überblick zum Thema der Architektur der Nachkriegsmoderne schaffen und praxisnah Beispiele aufzeigen, wie diese Architektur zeitgemäss und zukunftsfähig behandelt werden kann. Das kürzlich von Reto Mosimann (spaceshop Architekten), Oliver Schmid und Ivo Thalmann (0815 Architekten), Stephan Buchhofer (Bart Buchhofer) und Simon Schudel (sim Architekten) sanierte Farelhaus in Biel, welches Max Schlup 1959 erbaute, bildet den Rahmen und ist ein konkretes Anschauungsbeispiel, an dem zahlreiche Themen sichtbar sind und diskutiert werden können. Der Bau war als Gemeindehaus mit offenem Hof, Büros, einem Café, Wohnungen und einem Heim für junge Frauen ein öffentliches und multifunktionales Gebäude konzipiert und wurde mit seiner modernen Vorhangfassade zum Symbol einer zur Hochburg aufstrebenden Stadt der Uhrenindustrie. Doch die Kirchgemeinde konnte die Unterhaltskosten auf Dauer nicht mehr tragen und suchte nach einem geeigneten Käufer. Die fünf Bieler Architekten brachten das Gebäude mit kleinen klärenden Eingriffen zu seiner ursprünglichen Form zurück und lassen es wieder in alter Frische erstrahlen.
Die Veranstaltung findet am 1. Juli 2017 im Farelhaus in Biel statt.
Programm
9:00 Uhr Eintreffen der Gaste im Farelhaus, Biel
9:15 Uhr Begrüssung und Einleitung in Thema der Tagung
9:30 Uhr L’art de prendre soin
Perspektiven für die Nachkriegsarchitektur
Dr. Giulia Marino, TSAM (Techniques es sauvegarde de l'architecture moderne, EPFL)
10:30 Uhr Praxisbeispiel 1
Hochhaus Champagne, Biel (Architekt Walter Schwaar, 1969)
Prof. Franz Graf, EPFL-TSAM, Le concours: méthode et stratégies
Jürg Graser, Architekt, Die Realisierung im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis
11:30 Uhr Praxisbeispiel 2
Farelhaus, Biel (Architekt Max Schlup, Biel, 1956–1959)
Reto Mosimann, Architekt
12:00 Uhr Stehlunch und kurze Rundgänge im Farelhaus in kleinen Gruppen
Führungen durch: Reto Mosimann, Ivo Thalmann, Stefon Buchhofer, Oliver Schmid, Simon Schudel
14:00 Uhr Proportionalsysteme in der Architektur, jenseits des Goldenen Schnittes
Urs Beat Roth, Atelier für Konkrete Kunst, Zürich
15:00 Uhr Nachkriegsmoderne Schweiz heute. Fallbeispiele des Umgangs
Michael Hanak, Kunst- und Architekturhistoriker, Zürich
16:00 Uhr Schlussdiskussion für die Praxis
Dr. Giulia Marino, Prof. Franz Graf, Jürg Graser, Ivo Thalmann,
Michael Hanak
Diskussionsleitung: Benedikt Loderer
Anmeldung
Veranstalter Bund Schweizer Architekten
BSA Bern Solothurn Freiburg Oberwallis
Veranstaltungsort: Farelhaus, Oberer Quai 12, 2502 Biel
Die Veranstaltung wird in Deutsch und Französisch durchgeführt.
Kosten CHF 160, Tagungsunterlagen und Verpflegung inbegriffen
Anmeldung an: mail@bsa-bern.ch