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Steinerne Blume

Es blüht im Tessin: Ende März 2017 wurde das von Mario Botta entworfene Panoramarestaurant auf dem Monte Generoso eröffnet. Es sieht nicht nur aus wie eine Blume, sondern will auch einen zweiten Frühling für den Tourismus bringen.

 

Text: Cyrill Schmidiger – 12.7.2017

 

Millionen vom Migros-Kulturprozent
Seit 1890 setzen die Tessiner am Monte Generoso auf moderne Mobilität und transportieren die Reisenden mit einer Zahnradbahn nach oben. Der Berg schien Gottlieb Duttweiler, dem Gründer der Migros, besonders am Herzen zu liegen: Er rettete die Bahngesellschaft dereinst vor dem finanziellen Ruin und sicherte ab 1941 deren Betrieb. Die Migros ist auch heute noch Eigentümerin. Mit einem spektakulären Neubau engagierte sie sich nun erneut für den Monte Generoso, versucht den Tourismus anzukurbeln und setzte dabei mit Mario Botta auf einen prominenten Namen. Doch verspricht das auch eine qualitätsvolle Architektur?

 

Inspiration aus der Natur
Der Fiore di Pietra sieht man die Autorenschaft Mario Bottas deutlich an – monumentale Form, architektonische Reduktion und geometrische Präzision bestimmen den Entwurf. Majestätisch thront der kompakte Baukörper auf dem felsigen Plateau inmitten hochalpiner Landschaft. Die Massivität wird mehrfach durch offene Stellen aufgebrochen, Licht und Materie bilden ein floral anmutendes Design.
Propagierte Bruno Taut 1919 mit seiner Stadtkrone einen Bau, der sich von seiner Umgebung durch eine gläserne Ästhetik bewusst distanziert, so kann Bottas neustes Werk analog als «Bergkrone» bezeichnet werden: In markanter Position erhebt sich der skulpturale Solitär, präsentiert sich imposant und kristallin. Seine lineare Kontur setzt sich aus sieben konkav gestalteten Türmen zusammen, ein achter Turm öffnet sich zur Aussenterrasse hin. Als Blütenblätter umschliessen sie den oktogonalen Fussabdruck mit zentralem Raum. Grauer Naturstein verkleidet das Tragwerk aus Stahlbeton. Die einzelnen Türme sind mit grossen Glasebenen verbunden und lassen ein sphärisches Panorama zu: im Norden auf den Lago di Lugano und die Alpen, im Süden auf die Mailänder Poebene.

 

Mangelnde Authentizität
Das Gebäude mimt die Form einer Blume. Der Name Fiore di Pietra mag zunächst poetisch klingen und symbolisch auf eine Renaissance der glorreichen touristischen Zeiten anspielen, doch Botta entwarf schon subtilere Werke. Das organische Prinzip einer Blume ist mit seinem typischen architektonischen Repertoire nicht adäquat artikulierbar. Das Konzept funktioniert deshalb nur als metaphorische Idee. Feine Strukturen, sinnliche Texturen oder beeindruckende Geometrien, die seine virtuosesten Bauten auszeichnen, fehlen. Das Label «Botta» bleibt zwar dennoch erkennbar, aber eine Architektursprache, die den Entwurf authentisch macht, erreichte der Tessiner hier nicht. Die Blume bleibt steinern. Es ist zu hoffen, dass die Fiore di Pietra wenigstens ökonomisch floriert.

 

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archithese 6.2013

Natur – Nature


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