Aus welchem Land kommen Sie?


Fly me to the Moon.

Zum Abheben bringt sie einen nicht, die Ausstellung «Fly me to the Moon», die noch bis Ende Juni 2019 im Zürcher Kunsthaus zu sehen ist. Sie ist allerdings ein schöner Streifzug durch die Geschichte künstlerischer Auseinandersetzung mit dem Mond – zugänglich, amüsant und mit einzelnen Highlights. Und manchmal bringen einen die Werke zum Nachdenken über unsere Bild- und Weltwahrnehmung.

 

Text: Christina Horisberger – 25.4.2019

 

Nachdem am 20. Juli 1969 der US-amerikanische Astronaut Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuss auf den Mond setzte, war die Welt nicht mehr wie zuvor. Weder die hüpfenden Schritte des Astronautens noch die gehissten Stars and Stripes waren dabei ausschlaggebendVielmehr hatte die Menschheit bis dato die Erde noch nie aus dieser Distanz erblickt und dabei erkennen können, wie einzigartig und verletzlich dieser Himmelskörper ist.
Die erste Fotografie der blauen Kugel, partiell verdeckt vom Mond und im schwarzen All schwebend hat sich stark in unser kollektives Gedächtnis eingeschrieben. Mit der aktuellen Klimadebatte ist der Blue Planet aber wieder stark in den Fokus gerückt: Es gibt in der Tat nur diese eine Erde, die uns das Leben garantiert. Vor diesem Hintergrund stellt der karge, leblose, mitunter bis minus 130 Grad kalte Mond – über dessen Entstehung die Wissenschaft sich immer noch uneins ist – eine dystopische Antithese dar; das Szenario einer (fernen) Zukunft, in der Leben auf der Erde nur noch in einer technologisch aufgerüsteten Blase möglich sein wird. Insofern verlinken die rund 200 im Kunsthaus gezeigten Kunstwerke, thematisch gruppiert in verschiedenen blauen Räume, den Besucher immer wieder mit der Gegenwart. Die legendären Fotografien aus dem NASA-Archiv lassen in einer Zeit von Fake News und Verschwörungstheorien die Frage nach dem Wirklichkeitsgehalt dieser Bilder aufpoppen. Denn jede im Netz auffindbare Fälschungsbehauptung bedient sich ebenfalls der NASA-Fotografien. Sind diese wirklich echt oder doch in einem Studio aufgenommen? Ihr surrealer Charakter legt es nahe, dass sich an ihnen Verschwörungstheorien entzünden.

 

Kolonialisticher Eroberungsdrang
Begleitet von Beethovens «Mondscheinsonate» (1802), gespielt von einem Klavierautomaten in Endlosschleife (Katie Paterson schickte die Partitur als Morsecode mittels Radiowellen 2007 auf den Mond. Zurückreflektiert auf die Erde kam die Musik nur noch lückenhaft) zeigen daneben hängende Fotografien karge Landschaftsbilder der Erde: Mondlandschaften! Diese Leseart von Landschaft allerdings gibt es erst seit den ersten Bildern von der Oberfläche des Monds. Ein Beweis dafür, wie Bilder – oder ganz grundsätzlich bildgebende Verfahren – unsere Wahrnehmung nachhaltig und stark verändern. 
Der Mond und das geheimnisvolle Mondlicht haben Kunstschaffende von der Romantik bis in die Gegenwart immer wieder zu mystischen Bildwelten inspiriert. Die Gemälde der schwarzen Romantik von Johann Heinrich Füssli (1741–1825) sind in der Ausstellung unter anderem Mondlicht-Landschaften durch Langzeitbelichtung von Darron Almond (*1971) gegenüber gestellt. Bei Füssli ist der Mond eine geheimnisvolle kleine Kugel. Bei Almonds C-Prints ist der Erdtrabant nur in der Lichtreflexion anwesend. Diese rein atmosphärisch künstlerische Vereinnahmung hat dem kolonial-wissenschaftlichen Eroberungsdrang der «weissen Männer» aber nie genügt.
Der Drang, den Mond zu erobern, nimmt mit Jules Vernes Autour de la Lune (1870) einen Anfang. Er nahm das Ereignis 100 Jahre vorweg und leutete auch das Science Fiction Genre ein. Die damaligen Illustrationen zum Buch mögen Inspirationsquelle für Georges Méliès (1861–1938) amüsanten Stummfilm Le Voyage dans la Lune (1902) gewesen sein, der in einer restaurierten und kolorierten Version in der Ausstellung zu sehen ist. Da sind aber auch die Zeichnungen aus dem Manuskript Album of Cosmic Journeys (1933) des Russen Konstantin Ziolkowski, der die Bedingungen der Gravitation ziemlich eindrücklich wiedergibt, zu einer Zeit, als die Menschen ganz andere Probleme als die Mondlandung hatten. Zwanzig Jahre später lief in den USA die Disney-Produktion Man and the Moon (1955). Darin präsentiert und erläutert der streitbare deutsche Raketen-Ingenieur Wernher von Braun das Modell eines Raumschiffs zum Mond. Von hier zu Star Trek ist es nicht weit.

 

Wird alles Erdachte irgendwann Wirklichkeit?
Es sind vor allem die Filme und Videos, welche die Kunstwerke im Bürle Saal arrondieren und als Zeitdokumente die erstaunliche Beharrlichkeit dokumentieren sich den Mond eigen zu machen. Auch sie führen gedanklich zu aktuellen Zukunftsvisionen wie selbstfahrende Autos, künstlicher Intelligenz oder zu den Multimillionären, die Reisen ins All anbieten wollen – dieselben Visionäre aus dem Silicon Valley, welche die Unsterblichkeit herbeiträumen. Vor 150 Jahren war auch die Mondlandung eine «spinnerte» Vision. ein Jahrhundert später war sie Wirklichkeit. Also werden wir in ferner Zukunft auch die heutigen Visionen realisieren wollen, wie der israelische Historiker Yuval Noah Harari in Homo Deus (2015) es als düsteres Szenario entwirft.
In Zukunft werden es allerdings kaum die einstigen Schwergewichte USA und Russland sein, die diese Entwicklungen vorantreiben; viel eher aufstrebende Grossmächte wie China oder Indien. Somit könnten sich in Zukunft die geopolitischen Kräfte verschieben. Eines der herausragenden Werke der Ausstellung ist denn auch die Installation Space Walk des britisch-nigerianischen Künstlers Yinka Shonibare (*1962). Da fliegen zwei Afronauten durch den Bürle Saal, in wattierten Raumanzüge aus Waxprint-Stoffen.

 

Die Ausstellung Fly me to the Moon ist bis zum 30. Juni 2019 im Kunsthaus Zürich zu sehen.
 

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