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Analoger Ikarus

Jacques Herzog und Pierre de Meuron planten 2008 die Duisburger Küppersmühle – ein bereits 1999 von ihnen umgebautes Kunstmuseum – mit einem «Wolkenbügel» über den ehemaligen Kornsilos zu erweitern. Doch der Stahlbauer lieferte eine Konstruktion mit gepfuschten Schweissnähten und die Wolke hob nie ab. Nun bewegt sich doch etwas: Seit dem 5. April sitzt der Grundstein im Innenhafen von Duisburg – gebaut wird ein historisch-industriell anmutendes Backsteingebäude.

 

Text: Anne-Dorothée Herbort – 6.4.2017
Bilder: Herzog & de Meuron, Erweiterungsbau Museum Küppersmühle, 2017, Duisburg

 

Vom Flug des Ikarus
1860 liess Wilhelm Vedder, Vater des Duisburger Innenhafens, die Kornmühle in Duisburg errichten. Seit der letzten Jahrhundertwende galt sie als «Brotkorb des Ruhrgebiets» bis sie 1972 ihre Tore schloss und 1999 von Herzog und de Meuron zum Privatmuseum der Kollektion von Sylvia und Ulrich Ströher – eine der wichtigsten Sammlungen deutscher Nachkriegskunst – umgebaut wurde. Die Kollektion umfasst rund 1500 Werke von den 1950er-Jahren bis zur Gegenwart. 2005 konnte die Sammlung von Hans Grothe, mit Werken aus den 1970er- bis 1990er-Jahren, dem Museum angeliedert werden.
Bis anhin lagen die Ausstellungsräume im dreiteiligen Gebäudetrakt, der 1908 die erste Kornverarbeitungsstätte ersetzte. Mit dem Zuwachs der Sammlung drängte sich eine Vergrösserung des Museums auf und erneut zog HdM los um die Erweiterung zu planen. Ähnlich wie die Elbphilharmonie in Hamburg sollte ein Quader aus Stahl und Glas über den Silos zu schweben kommen – nur dass das Stahlskelett wegen unsauber verschweissten Nähten am Boden blieb, dahinrostete und 2014 verschrottet wurde. Mehrere Millionen wurden den Rhein runtergespült bis das Sammlerehepaar – Erbe des Kosmetikunternehmens Wella – dann das Zepter selbst in die Hand nahm und das Museum mitsamt der 13 Millionen Schulden aufkaufte und Herzog & de Meuron veranlasste einen zweiten Anlauf zu nehmen. Nun schreiten die Bauarbeiten voran: Am 5. April 2017 feierten die Projektbeteiligten die Setzung des Grundsteins.

 

Zum industriellen Historismus?
Jacques Herzog und Pierre de Meuron blieben nach ihrem Ikarusflug buchstäblich auf dem Boden und drehten ihren luftigen Entwurf auf links. Neu schliesst der Erweiterungsbau direkt an die bestehenden Silos an. Brücken sollen die Besucher vom 1999 von den selben Herzog und de Meuron umgebauten Museum zu den neu geschaffenen 2500 Quadratmetern Ausstellungsfläche führen.
Das Basler Architekten Duo möchten die Erweiterung so weit an den Bestand orientieren als sei sie schon immer Teil der Küppersmühle gewesen: Der neue Museumsbau übernimmt das Material, die Proportionen und die vertikalen Backsteinstrukturen der Mühle. Oben drauf setzten Sheddächer ihr noch die archetypische Haube des Industriebaus schlechthin. Vom «Wokenbügel» ist indes nur noch die Aussichtsplattform über den Silos erhalten geblieben.
Die unspektakuläre Erweiterung mag an industriellen Historismus grenzen, dennoch ist man geneigt zu bekennen, dass der Erweiterungsbau durch seine Selbstverständlichkeit wie er nahtlos an die historisch gewachsenen Strukturen der Mühlenanlage andockt am Ende doch überzeugt.

 

> Im letzten Jahr gewannen Herzog & de Meuron mit einem ähnlich vernakulär anmutenden und kontrovers diskutierten Projekt den Wettbewerb für das Museum des 20. Jahrhunderts. Ein Kommentar von Elias Baumgarten.

> Chefredaktor Jørg Himmelreichs Bericht zur Elbphilharmonie ist in der aktuellen Ausgabe archithese.1.2017 Swiss Performance zu lesen.

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