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Von Hochschulpolitik, Vorbildern und Gleichberechtigung

Ein Bericht von den Parity Talks an der ETH Zürich 

 

 
Text: Frida Grahn - 15.3.2016
Fotos: Sarah Barth

Am Departement Architektur der ETH Zürich gibt es in Fragen Chancengleichheit noch viele Baustellen: Trotz dem nahezu ausgeglichenen Geschlechterverhältnis unter den Studierenden, sind die Frauen in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert. Diese Tatsache, sowie die Frage nach adäquaten Massnahmen zur Behebung dieses gesellschaftsumfassenden Problems im Bereich Architektur(lehre) wurden am 8. März im Rahmen der Konferenz Parity Talks an der ETH diskutiert. Diese, erste Veranstaltung zum Thema Antidiskriminierung und Geschlechtergleichstellung in der Geschichte des D-ARCH, wurde auf Initiative der «Parity Group» mit Unterstützung des Departements, AAA und architektura organisiert.

«Geschlechterdiskriminierung ist mit Exzellenz unvereinbar», war die Kernaussage der Begrüssungsrede von Annette Spiro, Vorsteherin des D-ARCH, als sie am Dienstagmorgen die Vortragsreihe eröffnete. Neben dem Anspruch Gerechtigkeit zu schaffen ginge es auch darum, die Attraktivität und Qualität des Studiums für die Zukunft zu sichern. Eine diskriminierende Ausfilterung, a priori, führe zu einem Verlust an Potential, den sich keine erstklassige Bildungsinstitution leisten könne. Spiro forderte gezielt die Konferenzteilnehmerinnen auf, ihre Ambitionen ernst zu nehmen und Bescheidenheit, nach männlichem Beispiel, hinter sich zu lassen.

 

Beispiele von Ignoranz und Durchsetzungsvermögen

Auf wie viel Wiederstand starke weibliche Positionen in der Gesellschaft und an dieser Stelle spezifisch im Bereich des Architekturschaffens stossen können, wurde in Beiträgen von international tätigen Forscherinnen beleuchtet. So stellte Mary Pepchinski, Professorin an der Dresdner Hochschule für Technik und Wirtschaft ein Foto vor, auf dem neben einer Reihe Herren einzig der Arm der Architektin Marlene Moeschke-Poelzig zu sehen war, obwohl das Foto zum Anlass des Richtfests ihres Gebäudes, 1929–1930, gemacht wurde. Ein weiterer Fall wurde von Barbara Zibell, Professorin an der Leibnitz Universität in Hannover, genannt: die Verleihung des Pritzker Preises 1991 an Robert Venturi – trotz der entscheidenden Bedeutung von Denise Scott Brown für die Projekte des Duos.

Neben diesen Beispielen, die das gezielte Ignorieren von Architektinnen in den Fokus stellen, wurden aber auch positive Fälle hervorgehoben. Darunter eine Publikation der beiden ETH Forscherinnen Katia Frey und Eliana Perotti, welche die aktive Teilnahme von Architektinnen an der Stadtplanung des 19. Und 20. Jahrhunderts thematisiert und ein Kapitel der Rolle der Schweizer Frauen im Urbanismus widmet. Weiter, wird die Arbeit des Zürcher Büros Futurafrosch genannt, dessen Gründerinnen mit Ihrem Baugenossenschafts-Projekt Mehr als Wohnen erfolgreich geworden sind. Kornelia Gysel, eine der beiden Partnerin des Büros, ging unter anderem darauf in Ihrem Vortrag ein.

 

Entscheidungsmechanismen offen legen

Die Gretchenfrage lautete: Was kann gemacht werden, um die Unterrepräsentation der Frauen in der Architekturwelt zu beenden?

An das Vormittagsprogramm schlossen daher am Nachmittag parallel geführte Tischgespräche an, die konkrete Massnahmen in Ausbildung, Forschung und Praxis diskutierten. An dieser Stelle stand der Selektionsprozess der Berufungskommission im Fokus. Philip Ursprung, Professor für Kunst- und Kulturgeschichte an der ETH Zürich schlug vor, das Auswahlverfahren für BewerberInnen solle transparenter und von einem Gleichstellungsorgan überwacht werden: Durch die Erzeugung begleitender Statistiken, könne der Prozess analysiert und die Berufungskommission in dieser Frage sensibilisiert werden. Karin Sander, Professorin für Architektur und Kunst am Departement, wies darauf hin, dass alle BewerberInnen die dem Gremium schliesslich vorgestellt werden qualifiziert sind. Schieden Kandidatinnen in einem zu hohen Mass aus, läge das Problem nicht in mangelnder Qualifikationen.

Hier spielte die Forschung zu Entscheidungsprozessen eine wichtige Rolle: Emily Scott, Postdoc am Institut gta, hob hervor, dass sogar vermeintlich objektive Entscheidungen meist von Vorurteilen kontaminiert seien, was zwangsläufig zu Benachteiligung führe. Die unausgesprochene Skepsis Frauen gegenüber hätte zur Folge, dass ihre Bewerbungsdossiers schlechter beurteilt werden als die von gleich qualifizierten Männern. Die Entscheidungsträger müssten von diesen Automatismen zukünftig Kenntnis haben um einer Ungleichheit aktiv entgegensteuern zu können. Dies sei nicht nur bei der Besetzung von Lehrstühlen, sondern bei allen Bewerbungsverfahren wichtig – von der Wahl der Entwurfsassistierenden bis hin zu der, der Gastvortragenden.

Weitere Massnahmen um den weibliche Nachwuchs zu sichern, seien die Abschaffung des Alterslimits für Berufungen, die Förderung von Netzwerken und akademischen Mobilitätsprogrammen für Frauen. Angesprochen wurde auch die Notwendigkeit der verbesserte Vereinbarkeit von Kind und Beruf, ein seit Jahren wachsendes politisches uns soziokulturelles Projekt.

Der Zeitpunkt des Symposiums war strategisch gut gewählt: Eine Chance zur Verbesserung der Lage bieten die kommende Neubesetzungen vieler Lehrstühle am Departement Architektur der ETH.

 

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