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Die Weichen für Zürichs Zukunft sind gestellt.

Zürich wächst. Bis 2030 werden 80 000 neue Bewohner in der Stadt erwartet. Das Verkehrsnetz wird weiter an seine Schmerzgrenze gedrängt. Der neue Richtplan – der vom Regierungsrat im Juni 2017 ergänzt und schliesslich verabschiedet wurde – legt nun fest in welche Richtung sich die Siedlungsentwicklung in den nächsten 25 Jahren bewegen und wie die massive Zunahme des Verkehrs bewältigt werden soll und wie Quartierzentren, Grünräume und die Landwirtschaft auch in Zukunft gesichert und gestärkt werden können.

 

Text: Anne-Dorothée Herbort – 17.7.2017

 

Im April vergangenen Jahres wurde der neue regionale Richtplan vom Zürcher Gemeinderat verabschiedet und an den Regierungsrat übergeben. Dieser hat den Plan im Juni 2017 geprüft, teilweise angepasst und schliesslich festgelegt.
Der regionale Richtplan übernimmt die Festlegungen des übergeordneten kantonalen Plans, verfeinert und ergänzt diese. Er legt relevante räumliche Strategien behördenverbindlich fest, ist aber weder parzellenscharf noch eigentümerverbindlich, sondern ein grober Orientierungsrahmen der Raumentwicklung für die nächsten 25 Jahre. Als zentrales Instrument  soll er das Wachstum steuern und Qualitäten sichern.
Der regionale Richtplan soll Verdichtungspotenziale identifizieren, Strategien zur Bewältigung des stetig wachsenden Verkehrs aufzeigen und Zukunftspläne für die Landwirtschaft und Ver- und Entsorgung zeichnen.

 

Aussenquartiere unter Dichtedruck 
Ziel des Richtplans ist die Stadt nach Innen zu verdichten und die Stärke der polyzentralen Stadtstruktur Zürichs weiter zu stärken. Denn die Quartierzentren sein durch ihre unterschiedliche Geschichte und Charaktere identitätsstiftend. Sie sein kulturell und wirtschaftlich in der Stadt verankert. Erholungs- und Begegnungszonen, Einkaufsmöglichkeiten und Infrastrukturen sollen die Zentren der Quartiere weiter stärken. Gewünscht sind sozial und kulturell durchmischte Quartiere mit einem vielfältigen Wohnraumangebot.
In Zukunft soll auch höher und dichter gebaut werden, allen voran in den Aussenquartieren. Blockrandbebauungen um einen gemeinsamen Hof sollen anstelle von Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern entstehen und an gezielten Orten sollen weitere Hochhäuser in den Himmel stechen.
Weitgehend geschont werden die Altstadt und weitere identitätsstiftende innerstädtische Gebiete und die Hanglagen. Hier spielte das seit dem 1. Oktober 2016 für die Stadt Zürich in Kraft gesetzte Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) eine entscheidende Rolle. Es wurden flächendeckend Strukturen von innerstädtischen Quartieren inventarisiert und unter Schutz gestellt. Eine Verdichtung ist nur dann möglich, wenn die Wohnungsnot über die Denkmalwerte überwiegt. Eine Güterabwägung zwischen diesen öffentlichen Interessen ist in den vom ISOS geschützten Stadtgebieten daher zwingend.

 

Massiver Ausbau des Langsamverkehrs
Das Netz des öffentlichen und leichten Verkehrs soll massiv ausgebaut werden. Hohes Aufsehen in der Presse erregte beispielsweise die Prüfung von einer Erschliessung der Hügel um Zürich über Seilbahnen. Unter anderem soll eine Testplanung zeigen, ob künftig die ETH am Hönggerberg per Gondelbahn erreicht werden soll. Bis 2025 werden doppelt so viele Velofahrer wie heute auf den Strassen erwartet. In Zukunft sollen – ähnlich wie in Kopenhagen – Haupt- und Komfortachsen die Fahrradfahrer sicher durch die Stadt führen. Die Schnellrouten sollen weitgehend vom motorisierten Verkehr getrennt durch Quartierstrassen umgeleitet werden. Auf den Hauptachsen können zwei Räder nebeneinander fahren und der Rechtsvortritt ist teilweise aufgehoben. Zudem sollen die Wegbreiten deutlich über den Minimalanforderungen ausgebaut werden. Den Hinweisen des Tiefbauvorstehers Filippo Leutenegger, dass Velowege nur gebaut werden könnten, wenn ein Strassenbauprojekt anstehe, wurde offenbar keine Beachtung geschenkt.

 

Ökoparadies vs. Blechlawine
Mit dem neuen Richtplan sind nun die Weichen der Raumentwicklung für die nächste Generation gestellt worden. Nicht alle Parteien goutierten indes den Fahrplan. Von rechter Seite und in der Tagespresse hagelte es harsche Kritik. Laut SVP-Präsident Roger Liebi wolle die rot-grüne Mehrheit mit ihrem Richtplan die Zuwanderung am liebsten vor den Stadttoren abprallen lassen, um in der Innenstadt ungestört ein Ökoparadies zu verwirklichen. Weiter sieht man der Plafonierung des Ausbaus des motorisierten Autoverkehrs, allen voran der Ablehnung neuer Tunnelverbindungen finster entgegen. Der Ausbau des Langsamverkehrs allein würde laut SVP dem Problem des innerstädtischen Verkehrs nicht mächtig. 
Die Linke möchte belebte Stadtzentren und mit grünen Oasen und frischer Luft eine Stadt mit Lebensqualität schaffen. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, macht aber zugleich das Pendeln attraktiv und hat einen Anstieg der generellen Mobilität – motorisierter Verkehr inklusive – zur Folge. Eine Stadt, die jedoch im Verkehr stecken bleibt und kein Durchkommen mehr erlaubt, wird auf Dauer unattraktiv. Dies könnte den Standort Zürich schwächen und wirtschaftliche und soziale Folgen haben. Es bedarf also neuer städtebaulicher Entwicklungsstrategien die beiden Interessen gerecht werden und sich die Waage halten.

 

 

> André Odermatt macht in einem Interview mit archithese den Einfluss des ISOS auf die Verdichtung der Innenstadt Zürichs deutlich.

> In archithese 5.2015 Zürich – für eine neue Plaungspraxis werden Strategien für eine nachhaltige Stadtentwicklung Zürichs aufgestellt.

Am Freitag, den 30. Oktober 2015 setzen sich Architekturschaffende und Stadtplaner im Rahmen einer ganztägigen Veranstaltung mit den städtebaulichen Entwicklungen Zürichs und dessen Umland auseinander.

> In archithese 6.2005 Planung in Zürich lesen Sie mehr über die städtebauliche Entwicklung der Limmatstadt.

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