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Wissenschaft Entwerfen

Von Entwurfsforschung, forschendem Entwerfen und architektonischen Experimenten

 

Text & Bild: Elias Baumgarten – 12.1.2016

 

Entwerfen ist wesentlich für das Selbstverständnis eines jeden Architekten und bekanntlich die Königsdisziplin. Aktuell wird versucht ihn auch als Gegenstand der Forschung zu etablieren. Damit steht die Frage im Raum: Kann Entwerfen wissenschaftlich sein? Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass Architekturdepartements von THs bis zu den Fachhochschulen aufgefordert sind zu forschen und um Gelder konkurrieren müssen. Sabine Ammon und Eva Maria Froschauer nehmen sich mit ihrem Buch Wissenschaft Entwerfen diesem Thema an und versuchen eine Bestimmung des schwierigen Begriffs «Entwurfsforschung» vorzunehmen. Die von ihnen zusammengetragenen Aufsätze setzen sich mit Grundsatzfragen auseinander – etwa, ob Entwerfen eine Form systematischen Wissenserwerbs ist oder gar Forschung im klassischen Sinne sein könnte. Autoren wie Philip Ursprung, Sabine Ammon und Susanne Hauser fragen ausserdem nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Entwurf und Forschung.

Das Buch ist in entlang von vier Rahmenthemen gegliedert: Im ersten Teil geht es um das Entwerfen als Gegenstand der Forschung – also um die Frage, wie die Arbeit des Architekten wissenschaftlich zu fassen sein könnte? Hans Poser setzt sich in seinem Essay «Ars inveniendi» beispielsweise damit auseinander, ob etwas, das grosse Kreativität erfordert, überhaupt in einen wissenschaftlichen Kontext überführt werden kann.

Anschliessend wird die Frage nach der Verwissenschaftlichung des Entwurfs gestellt. In diesem Teil lernt der Leser in Nathalie Bredellas «Modelle des Entwerfens», welche Rolle digitale und analoge Medien im Entwurfsprozess Frank O. Gehrys spielen, welche Verlinkungen und Kreisläufe sich ergeben und wie diese das Entwurfsergebnis beeinflussen: In Gehrys Büro wurde zum Beispiel ein eigenes Abtastwerkzeug entwickelt, um physische Modelle in digitale zu übersetzen. So entstanden Kreisläufe zwischen Arbeitsmodell und Software, die etwa das berühmte Guggenheim Museum in Bilbao erst ermöglicht haben.

Der dritte Teil «Entwerfen als Mittel der Forschung» hinterfragt kritisch, ob der Entwurfsvorgang ein wissenschaftliches Verfahren darstellt. In Philip Urspungs Aufsatz lernen wir am Beispiel der Arbeitsmodelle von Herzog & de Meuron, dass der Entwurfsprozess als «Experiment» verstanden werden kann, dass im Unterschied zur Wissenschaft aber künstlerische Lösungen für eine spezifische Situation sucht – dem Architekten geht es nicht wie dem Physiker oder Chemiker um Allgemeingültigkeit. Der Entwurf ist für Ursprung eine Suchbewegung an der Grenze zwischen Wissen und Nichtwissen. Und auch Sabine Ammon fragt nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen wissenschaftlichem und architektonischem Experiment. Sie hält den Entwurf für eine Kette von Übersetzungsschritten zwischen Medien wie Zeichnung, Plan, Modell oder Visualisierung, entlang derer der Entwurf Stück für Stück entwickelt wird. Jener dient zwar dem Wissenserwerb, die Applikation eines naturwissenschaftlich geprägten Experimentbegriffs erscheint ihr aber unpassend: Für Ammon bedeutet Entwerfen wie auch für Ursprung Singularität, das Erarbeiten einer spezifischen Lösung ohne den Anspruch von Reproduzierbarkeit.

Der vierte Teil befasst sich schliesslich anhand von historischen Beispielen mit der Vermittlung des Entwerfens – damit, wie Entwerfen gelehrt wird.

Das lesenswerte Buch versucht Fragen zu verhandelt, die aktuell an Architekturschulen in ganz Europa diskutiert werden. Die Aufsätze leisten einen ersten Beitrag zur Bestimmung bisher unscharfer Begriffe. archithese nimmt den Steilpass an und wird im zweiten Heft dieses Jahres die Architekturausbildung in den Fokus rücken und dabei ebenfalls nach der Bedeutung von Wissenschaftlichkeit und Forschung in der Ausbildung fragen. Dabei werden Anna Maria Flach und Monika Kurath einen Schritt weiter gehen und versuchen diese Begriffe endgültig zu schärfen.

 

Sabine Ammon / Eva Maria Froschauer / eikones Stiftung [Hrsg.], Wissenschaft Entwerfen, München: Wilhelm Fink Verlag 2013.

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