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Was wird mit dem Hanse-Viertel?
Das Hanse-Viertel, eine Einkaufspassage aus den 1980er-Jahren zwischen der Poststrasse und der Grossen Bleiche, ist eine echte Hamburgensie. Doch Zeiten ändern sich: Viele Geschäftslokale sind derzeit unvermietet. Der Betrieb lohnt sich scheinbar nicht mehr. Kunden bleiben schon länger aus. Und so steht der postmoderne Backsteinbau der Architekten Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg kurz vor dem Verkauf und könnte bald abgerissen werden.
Text: Elias Baumgarten – 14.11.2017
Architektur ohne Fürsprecher
Sie hat in Deutschland keinen leichten Stand, die Architektur-Postmoderne: Ihr humorvoller Griff ins Formenrepertoire der Baugeschichte hat heute nur noch wenige Freunde und generell finden viele 1980er-Jahre Architektur nicht mehr zeitgemäss. Wie die Zeitungen shz, Hamburger Abendblatt und Hamburger Morgenpost schreiben, steht nun eine Ikone der Postmoderne zur Disposition: Das Hanse-Viertel der Architekten Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg. Dabei überzeugt das Haus durch die Tiefe seiner fein gegliederten Fassade genauso, wie mit seinen Arkaden im Erdgeschoss und der 21 Meter hohe Glaskuppel. Auch die glänzenden Messingintarsien im Fussboden, in denen sich die Dachkonstruktion spiegelt und der imposante Glasaufzug sind ein Highlight; grossartig auch das Renaissance-Hotel im direkt angrenzenden Broschek-Haus, welches kurz nach Fertigstellung der Passage von Gerkan und Marg umgebaut und mit dem Hanse-Viertel verbunden wurde. Berühmt gemacht haben den Bau ausserdem die 23 Glocken an der konkaven Eingangsfassade und eine Anekdote: Am Bau wirkten viele Gastarbeiter aus Polen mit. Sie wählten die Backsteine so aus, dass durch die unterschiedlichen Farbnuancen «Polen» über dem Eingang zu lesen ist. Und zuletzt ist die Passage auch ein städtebaulicher Kniff, setzt sie doch die Blockrandbebauung mit ihrer Fassade fort und füllt den Block zugleich auf.
Investorenbau mit Sozialwohnungen?
Nichtsdestotrotz wird die Versicherungsgesellschaft Allianz das Hanse-Viertel wohl demnächst verkaufen. Schuld ist mangelnde Rentabilität: Kunden bleiben schon länger aus, viele der Geschäftslokale stehen mittlerweile leer und auch die Gastronome haben dem Haus den Rücken gekehrt. Weil Immobilienexperten den Backsteinbau für nicht umnutzbar und nicht sanierbar halten, wird er vermutlich für ein neues Investorenprojekt weichen müssen. Das geht problemlos, denn Denkmalschutz besteht für das Ensemble – vom historischen Hotel abgesehen – nicht.
Die Regionalpresse will bereits wissen, dass der Bau durch einen deutlich höheren ersetzt werden soll. Dieser könnte neben Geschäften auch 100 Wohnungen beherbergen. Spekulationen des NDR zufolge sollen bis zu einem Drittel davon Sozialwohnungen sein – und das in exklusiver Lage. Nicht schlecht, doch gleich wäre es schade um einen wichtigen baulichen Zeugen der 1980er-Jahre.
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