Was wa(h)r werden könnte
50 Jahre nach dem Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 zeigt das Schweizerische Architekturmuseum S AM in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Konstruktionserbe und Denkmalpflege der ETH Zürich unter der Leitung von Prof. Dr. Silke Langenberg die Ausstellung Was war werden könnte: Experimente zwischen Denkmalpflege und Architektur. Noch bis zum 14. September 2025 kann die Ausstellung besichtigt werden, die einerseits Möglichkeiten und Potenziale im Umgang mit dem baulichen Erbe aufzeigt und andererseits auf die Dringlichkeit von Denkmalpflege und Erhalt verweist.
Text: Charlotte Neyenhuys, 23. April 2025
Ähnlich einer Zeitreise werden die Besucher*innen durch die Räume des S AM geleitet. Kuratiert von Yuma Shinohara zeugen Publikationen, Filmbeiträge und Projektbeispiele in der Ausstellung von der Vergangenheit, der Gegenwart und dem Diskurs über die Zukunft der Schweizerischen Denkmalpflege in Beziehung zur Architektur.
Vergangenheit
Beginnend mit dem ersten Raum, der sich der Vergangenheit widmet, wird ein Überblick über die historische Entwicklung des Denkmalschutzes in der Schweiz ab den 1970er-Jahren bis heute dargestellt. 1975 wurde das Europäische Denkmaljahr unter dem Motto «Eine Zukunft für die Vergangenheit» ausgerufen. Nach dem bereits stattgefundenen Naturschutzjahr 1970 war dies eine weitere Reaktion auf die Veränderung historischer europäischer Landschaften durch die zunehmende Urbanisierung und Automobilisierung. Die anhaltende Neubau- und Abrisswelle der Boomerjahre nach dem Zweiten Weltkrieg löste eine zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den sich verändernden Orts- und Stadtbildern und dem damit verbundenen Identitätsverlust aus. Forderungen nach einem Neudenken und nach Wertschätzung des gebauten Erbes wurden laut. Damit einher gingen erste Initiativen gegen den Abriss des Baubestands. Damalige Leitsprüche wie «Denkmalschutz ist Sozialpolitik» oder «Denkmalschutz ist Umweltschutz» sind auch im gegenwärtigen Diskurs aktueller denn je.
Gegenwart
In den nächsten beiden Räumen tauchen die Besucher*innen in die Gegenwart ein. Auf mäandrierenden Tischen sind alte und neue Artefakte, Pläne, Bilder, Modelle sowie ergänzende Videobeiträge ausgewählter Projektbeispiele ausgestellt. Begleitet werden sie durch den Projekten zugeordnete Textstellen aus den Leitsätzen zur Denkmalpflege in der Schweiz1. Es handelt sich nicht ausnahmslos um geschützte Bauten – vielmehr ist es der Anspruch des für die Ausstellung verantwortlichen Teams, eine Auswahl zu zeigen, die verschiedene Ansätze und Eingriffstiefen in unterschiedlichen Massstäben und Typologien aufzeigt. Die in Kooperation mit Studierenden im MSc Architektur, MAS Denkmalpflege und Konstruktionsgeschichte und CAS Preservation an der ETH ausgewählten Beispiele werfen Fragen zu erhaltenswerten Aspekten, zur Reparierbarkeit und Wertschätzung des Bestands, aber auch zur Autor*innenschaft auf. Ihnen gemeinsam ist der Anspruch, die Geschichte des Ortes weiterzuerzählen. Es wird aufgezeigt, dass die Herangehensweise im Umgang mit historischen Bauten dem jeweiligen Objekt entsprechend individuell gestaltet werden muss und keine standardisierten Lösungen zulässt. Entscheidend ist der Dialog zwischen Bestand, Bauherr*innenschaft, Denkmalpflege und Architektur.
Ein weiterer Raum ist dem Projekt der Instandsetzung des Kongresshauses und der Tonhalle in Zürich gewidmet. Die ARGE Boesch Diener (Martin und Elisabeth Boesch Architekten sowie Diener & Diener Architekten) hat einen Ansatz verfolgt, der das Gebäude als Teil des kollektiven Gedächtnisses der Stadt würdigt und die vorangegangene Arbeit der Architekturkolleg*innen respektieren soll. Ziel des Ansatzes der Architekt*innen war es, durch die Erneuerung der Infrastruktur die zukünftige Nutzbarkeit sicherzustellen und verlorene Qualitäten des Bestands wieder hervorzuheben.
Zukunft
Den Abschluss der Ausstellung bildet die vom Architekturkollektiv squadra2 im letzten Raum gestaltete Denk-Mal-Bar. Zitiert wird die sich von 1984 bis 2003 in diesem Raum befindende Bar des Restaurants der Kunsthalle, entworfen von Diener & Diener. Die heutige Neuinterpretation dient einerseits als Buchauslage, andererseits als Ort des Austauschs, der – unter anderem im Rahmen verschiedenster Veranstaltungen (siehe Begleitprogramm) – zum Diskutieren über die Zukunft der Denkmalpflege einlädt. Wie könnte die Denkmalpflege in den kommenden 50 Jahren aussehen? Welche Herausforderungen erwartet sie? Und wie lassen sich Brücken zwischen den verschiedenen Disziplinen schlagen? Neben der dringenden Notwendigkeit, möglichst schonend mit Ressourcen umzugehen und damit den gebauten Bestand auch als Ressource zu verstehen, schwingt im Ausstellungtitel der Wunsch nach einer engen Kooperation der unterschiedlichen beteiligten Akteur*innen aus Denkmalpflege und Architektur mit.
1 Die Leitsätze zur Denkmalpflege in der Schweiz, herausgegeben 2007 von der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege, halten Grundsätze zum Umgang mit dem Baulichen Erbe fest.
2 Zu den Arbeitsweisen des Architekturkollektivs squadra siehe: «Experimentieren im Massstab eins zu eins. Nele Rickmann im Gespräch mit squadra», in: archithese Swiss Performance 2024, 1.2024, S. 75–80.
> Weitere Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm auf: sam-basel.org