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Tomorrow was yesterday

Waren und sind Utopien (und auch Dystopien) Antrieb für wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen? Können Werke der Trivialkultur – Romane, Filme, Cartoons, Hörspiele, Beiträge in Internetforen und so weiter – durch ihre Bekanntheit oder gezielte Rezeption sie auslösen oder befördern? Es gilt beinahe als Allgemeinplatz, dass viele wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen gedanklich in den Werken des Science-Fiction-Genres vorformuliert und im Rahmen fiktiver Handlungen szenarisch und virtuell durchgespielt wurden. Zweifelsohne haben viele der in ihnen entwickelten Ideen Eingang in das kollektive Unterbewusstsein gefunden. Wer solche Fragen untersucht, kann dies meist nur selten unmittelbar nachweisen. Eine Ausnahme bilden die «Zukunftsarchitekturen» von Walt Disney. Bei ihnen kann nachvollzogen werden, wie utopische Vorstellungen ihren Weg vom Gedankenmodell in eine gebaute, dreidimensionale Wirklichkeit fanden.1 Aber gerade die bauliche Realisierung liessen sie im «Jetzt» einfrieren. Um der Falle der schellen Alterung von Zukunftsarchitekturen aus dem Weg zu gehen, ist die Walt Disney Company auf eine Retro-Zukunft zurückgerudert.

 

Text: Jørg Himmelreich – 1.12.2019
 

Walt Disneys Leben und seine Arbeit erscheinen rückblickend vor allem als Beschäftigung und Interpretation utopischer Ideen diverser Literaten und Visionäre und einer daraus abgeleiteten Entwicklung eigener Zukunftsvisionen – dargestellt in Filmen und modellhaft baulich umgesetzt in Freizeitparks und auf Weltausstellungen. Beide Bereiche, mediale Vision und modellhafte Realität, bedingten und durchdrangen einander.
Bis in die 1950er Jahre kreisten die Arbeiten der Walt Disney Productions in erster Linie um Themen der Vergangenheit.2 Dies änderte sich mit Disneys Engagement in der Errichtung von Themenparks, das in der Eröffnung von Disneyland 1955 einen ersten Höhepunkt fand. Dem waren jedoch bereits vier Jahrzehnte gedanklicher Vorarbeit vorausgegangen: Bereits in den 1910er-Jahren hatte Disney begonnen, sich gedanklich mit dem Bau eines Freizeitparks zu beschäftigen.3 Als er 1948 in einem Memo seine Ideen zu einem Park erstmals beschrieb, waren die angedachten Themen ausschliesslich auf die Darstellung einer verklärten amerikanischen Vergangenheit beschränkt.4 1951 tauchte nach Überarbeitung der Pläne mit dem Entwurf eines Raumschiffes und eines Unterseebootes das Zukunftsthema erstmals auf. Beide Elemente waren stark an die bereits in Entwicklung begriffenen technischen Visionen der Zeit angelehnt.5 Sie wurden zu einem Nukleus, von dem ausgehend sich die baulichen Zukunftsvisionen Disneys weiterentwickelten6 und nach und nach zu einem von fünf «Ländern» im Themenpark wurden.
Parallel mit der Erfindung des sogenannten Tomorrowlands fand die Zukunft als Motiv auch Einzug in die Arbeit des Filmstudios. Um den entstehenden Disney-Park schon vor der Eröffnung medial in Szene zu setzen und ihn bereits während der Bauzeit einem breiten amerikanischen Publikum bekannt zu machen, wurde in Zusammenarbeit mit dem nationalen Fernsehsender ABC die wöchentliche Fernsehserie Disneyland produziert. Anhand von Spiel- und Animationsfilmen wurden die fünf Kernthemen des Parks dargestellt und in Verbindung zu den Bauwerken und Attraktionen gesetzt.7 Die dreiteilige Serie «Man in Space»8 sollte auf den Themenbereich «Tomorrowland» aufmerksam machen. Die gleichnamige erste Episode zeigte die Vision einer bemannten amerikanischen Raumfahrt. Auf die wissenschaftlichen und US-militärischen Kenntnisse der Zeit gestützt, erklärte der Raketenspezialist Wernher von Braun9, wie die ersten Schritte einer zukünftigen US-Raumfahrt aussehen könnten. Aufgrund der hyperrealistischen Darstellung, die fast vollständig auf wissenschaftlichen Forschungen beruhten, wurden die Filme von Mitarbeitern des Studios selbst Science-Factuals genannt. Die Serie war ein grosser Publikumserfolg und kann rückblickend als wichtigste Sympathiewerbung in der Bevölkerung für die Einrichtung der NASA als eigene US-Behörde gesehen werden. Präsident Eisenhower erbat einen Tag nach der Ausstrahlung bei Disney eine Kopie, um seinen Generälen zu zeigen, wie realistisch die Filmvision wirkte, und um ihnen den Film als Vorbild zu empfehlen.
Die Serie hatte eine dialektische Wirkung: Sie war eine Vision, die entscheidend zur Realisierung der bemannten Raumfahrt beitrug und war gleichzeitig Anreiz zum Besuch einer weiteren «gebauten Vision»: Tomorrowland. In Tomorrowland war entsprechend die Raumfahrt das dominierende Thema. Das US-Militär und später die NASA traten als Sponsoren für Attraktionen mit simulierten Weltraumreisen auf. Der restliche Teil des «morgen-Landes» war auf eine weitere Zweckgemeinschaft zwischen der Disney-Illusionsfabrik und mehreren grossen US-Firmen zugeschnitten. Zwar sollte Tomorrowland Zukunftsvisionen aufzeigen, doch war es so stark an zeitgemässe Entwicklungen der Industrie gekoppelt, dass es eher wie eine zeitgemässe Messe- und Werbeveranstaltung für die finanziell beteiligten Technologiekonzerne wirkte.

 

Ernsthafter Spass
Für Walt Disney selbst waren die Attraktionen nicht bloss fantasievolle Spielereien, auch wenn sie vordergründig scheinbar nur die Sensationslust der Besucher befriedigen sollten. Durch die gezielte Auswahl der Darstellungen wollte er die Zukunft Amerikas bewusst beeinflussen.10 Die Bauwerke in Tomorrowland standen zwar mit Präsentation von Kinofilmen, Cycloramen11, Ausstellungen, Fahrten und Fahrtsimulationen in der Tradition von Lunaparks und Weltausstellungen. Die Nähe zu Lunaparks12 zeigte sich besonders in der Simulation von fantastischen Reisen, die im ersten Moment scheinbar keinen Hintergedanken verfolgten. Unterschwellig warben sie jedoch wie schon erwähnt für das Raumfahrtprogramm der USA, Rüstungsvorhaben mit neuen Atom-U-Booten und im zivilen Sektor für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.13 Direkte Verwandtschaften zu Weltausstellungen zeigten sich in der häufigen Gebundenheit der Ausstellungen und Präsentationen an Sponsoren aus der Industrie. Attraktionen, wie das Plastikeinfamilienhaus «Monsanto House of the Future», die Ausstellungen «Monsanto Hall of Chemistry», die «Kaiser's Hall of Aluminum Fame» und der «Crane Bathroom of Tomorrow» waren als Unterhaltung aufbereitetes, futuristisch verkleidetes Product-Placement. Dies steigerte sich noch, als Attraktionen, die in Kooperation der Disney Corporation mit Konzernen für New Yorks World's Fair von 1964/65 realisiert worden waren, nach Ende der Ausstellungsperiode in Tomorrowland integriert wurden.14 Sowohl Tomorrowland als auch die US-Weltausstellungen wollten zukunftstaugliche städtebauliche Visionen aufzeigen. Auf beiden New Yorker Weltausstellungen von 1939/40 und 1964/65 wurden in mehreren Pavillons Stadtmodelle gezeigt, und die Gesamtanlagen selber wollten als Modelle für einen künftigen Städtebau verstanden werden. Auch Disneyland und besonders das Tomorrowland erhoben den Anspruch städtebauliche Modelle für eine bessere Zukunft zu sein. Tomorrowland ging dabei einen Schritt über die Weltausstellungen hinaus, da es anders als diese ein dauerhaft angelegtes Ensemble war. Umso mehr war es einem Dilemma ausgeliefert: Es wollte eine Realisation der Zukunft sein, war aber stets in der Gegenwart gefangen. Um die Gefahr ständiger Veralterung zu überwinden, versuchte man die Bauten hauptsächlich als neutrale Hüllen und Ausstellungsräume zu errichten, in denen stets aktuelle Inhalte und Zukunftsmodelle präsentiert werden konnten. Diese ökonomisch bedingte Sachlichkeit ging allerdings auf Kosten der futuristischen Wirkung, da der Zeitgeist sich unter einer Stadt der Zukunft eher gewagte, schwebende oder bizarre Gebilde vorstellte. Die Gebäude von Tomorrowland hingegen sollten gemäss ihren Entwerfern eine «nutzbare futuristische Gegenwart» und gleichzeitig gerade durch ihre Abstraktheit «räumliche Modelle» sein. Ihre Rezeption sollte Impulse für Fortschritte in Architektur, Gesellschaft und Wissenschaft in der breiten Masse der Bevölkerung generieren. Wichtiges Element in Walt Disneys didaktischem Konzept hierzu war eine pointierte Präsentation von Persönlichkeiten, wie der des Erfinders Thomas Edison. Im Park wurde er als durchschnittlicher Amerikaner präsentiert, der Kraft seiner Imagination und seines Erfindungsdranges entscheidende technische Entwicklungen hervorgebracht hatte. Die Botschaft an die ebenso «durchschnittlichen» Besucher war, dass auch sie Grosses vollbringen könnten, wenn sie es nur fest genug wollten. Tomorrowland fungierte für diese Rhetorik als Bühne, um die Menschen «von der Strasse» zu aktivieren und zu den Entwicklern einer besseren baulichen Zukunft werden zu lassen. Als einfachste Möglichkeit zur Mitarbeit am Zukunftsprojekt wurde der Besucher angehalten ein Eigenheim ähnlich dem gezeigten «Einfamilienhaus der Zukunft» zu errichten, oder als Käufer einer Immobilie einem von Disney vorgeschlagenem visionärem Stadtprojekt zum Erfolg zu verhelfen.

 

Vom Themenpark zur Stadt
In den Jahren nach der Erstellung von Tomorrowland kreisten Walt Disneys Vorstellungen längst um futuristische Bauprojekte, die über die Dimensionen und Inhalte des Themenparks weit hinausreichten. War die Beschäftigung mit der Zukunft in den 1950er-Jahren noch ein Nebenprodukt des ersten Parks gewesen, wurde sie im folgenden Jahrzehnt zu Disneys bestimmendem Schaffensbereich. Im Zusammenhang mit der Planung eines zweiten, noch grösseren Themenparks in Florida15 wollte Disney den Sprung von den modellhaften Darstellungen seiner Zukunftsvision in die Realität einer gebauten Stadt wagen. Das Magic Kingdom, war lediglich noch als beiläufiger, strategischer Nukleus für diese grösseren Ziele gedacht. Die «Experimental Prototype City of Tomorrow» – kurz EPCOT – sollte, basierend auf Disneys Überlegungen zu Städtebau, Verkehrsplanung und Gemeinschaftseinrichtungen, die zeitgemässe Stadt der Zukunft werden. Das Stadtmodell im «Carousel of Progress» in Tomorrowland und die auf der New Yorker Weltausstellung von 1939 gezeigten radialen Stadtmodelle sollten ebenso einfliessen, wie die in diesen beiden bereits aufgegriffene ältere Vision Ebenezer Howards für eine kreisförmige, in konzentrische Ringe gegliederte Gartenstadt.16 Auch Tony Garniers Vorstellungen der Cite Industrielle17 mit getrennten Bereichen für Wohnen und Produktion bei gleichzeitig umfassend ausgebauter Verkehrsinfrastruktur fanden sich im Entwurf für EPCOT wieder.18 Abweichend von Garniers Visionen eines Stadtkerns für gemeinschaftliche und soziale Funktionen sollten diese Bereiche im geplanten Zentrum von EPCOT jedoch als innenliegender, überdachter Kommerz- und Unterhaltungsdistrikt dem Shopping-Mall Konzepten von Victor Gruen verpflichtet werden.19
Um die «Zukünftigkeit» der Stadt zu erhalten (was auch Walt Disney bei einem gebauten Ensemble als Widerspruch in sich erschien), wollte er wie im Themenpark Shopping und Ausstellungen in den Vordergrund rücken, um die Inhalte auf kleinerer Ebene leichter austauschen und updaten zu können. Das Problem legte sich jedoch wie ein Schatten über das gesamte Projekt. Die Vorstellung etwas Visionäres hinsichtlich Städtebau und Verkehrsstruktur zu verwirklichen und damit baulich fixiert der Veralterung preiszugeben, zeigte das Dilemma, dass Visionen und Utopien ihre Kraft und inspirierenden Momente verloren, waren sie einmal zu Realitäten «erstarrt» sind. Die Suche nach Möglichkeiten sie in einem Zustand des «Werdens» zu halten, erwies sich als unlösbare Aufgabe.

 

Von der Stadtvision zum Themenpark
Durch Walt Disneys Tod im Jahr 1966 kam das Stadtprojekt zu einem abrupten Ende. Keiner der Entscheidungsträger in der Disney­Corporation traute sich, es weiter zu verfolgen. Man verabschiedete sich von der Stadtvision und verfolgte nur die Idee einer Ausstellung weiter. Um das Projekt nicht völlig preiszugeben, degenerierte man EPCOT unter dem selben Namen zu einem weiteren Themenpark, der noch stärker am Prinzip Weltausstellung angelehnt war, als es Tomorrowland bereits war. Themenpavillons stellen seit Eröffnung des Parks 1982 verschiedene Bereiche aus Wissenschaft, Technik und Gesellschaft dar und sollten ein Forum zur Präsentation zukünftiger Entwicklungen werden. Die Anlage geriet jedoch schnell in die Kritik, weil es für alle Probleme stets nur amerikanische Unternehmen als Trouble-Shooter präsentierte. Die Rolle der Besucher in diesem Zukunftsmodell war eine völlig passive und beschränkt sich darauf, zu konsumieren und Vertrauen in die Firmen zu haben, damit deren positive Visionen wirtschaftliche Wirklichkeiten werden konnten. Am Ende scheint sich in der Tätigkeit Walt Disneys rund um die Realisierung von Utopien ein Kreis zu schliessen, der zurückführte aus der Konkretheit einer gebauten Umwelt in das Visionäre der Utopie. Nachdem Disney mit seinen Filmen und Fernsehsendungen sowie durch die Realisation von modernen Verkehrsmitteln (etwa den Monorails in den Parks) in gewissem Umfang geschafft hatte, auf die Entwicklungen in den USA Einfluss zu nehmen, hatte sich gerade die Idee des permanent visionären Sackgasse erwiesen.

 

Zukunft und Vergangenheit im Remix
Heute erscheinen die Zukunfts-Bauwerke der 1950er- und 1960er-Jahre als Relikte einer Zeit, deren Vorstellung naiv und zu technisch orientiert anmuten. Zeitlose Filmvisionen des Disney-Konzernes – etwa der Spielfilm 20 000 Meilen unter dem Meer, der in einem Look der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert daherkam- erscheinen hingegen bis heute visionär. Der Disney-Konzern reagiert bereits vor Jahren auf diese Erkenntnis, indem sie alle Zukunftsarchitekturen in den Parks überarbeiten liess. Ihnen wurden historisierende Fassaden vorgeblendet, die eine Retrozukunft abbilden. Der Anspruch Impulse für die zeitgenössische Architektur oder die gesellschaftliche Entwicklung zu sein, wurde aufgegeben. Nachdem viele Visionen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Wirklichkeit geworden waren, zog sich das Disney­ Imperium mit seinen Zukunftsdarstellungen in das Unkonkrete, meistens das Fantastische zurück und entzog sich der Zeitgebundenheit der dargestellten Visionen. Spätestens seit Disney Lucasfilm und damit das erfolgreiche Star Wars-Franchise erworben hat, wird dem technologischen das Vertraute auf Augenhöhe gegenüber gestellt. Entsprechend konsequent werden derzeit für mehrere Disney-Themenparks Weltweit Star Wars-Länder geplant oder bereits errichtet. Die Zukunft präsentiert sich damit nicht mehr als andere Welt, sondern als permanenter Remix von Vertrauten.

 

 

1 Die Idee zu diesem Text entstand während dem Seminar «technowissenschaftlichen Visionen und Katastrophenszenarien sowie der Wissenschaft als Labor des Künftigen» des Collegium Helveticums. Der Text ist eine überarbeitete und erweiterte Version des Essays, welches im Buch Rainer Egloff / Gerd Folkers / Matthias Michel (Hgs.), Archäologie der Zukunft, Bd. 3, Zürich, 2007 S. 395–405 veröffentlicht wurde.
2 Walt Disney, der von 1901 bis 1966 lebte, produzierte ab 1920 Trick- und Spielfilme. Dabei ist auch das Science-Fiction-Genre prominent vertreten, zum Beispiel mit dem Film 20 000 Meilen unter dem Meer, 1955.
3 Jørg Himmelreich, Tomorrow was yesterday? Eine architekturhistorische Untersuchung von Tomorrowland in Disneyland zwischen 1955 und 1967, Master Thesis am Institut gta der ETH Zürich, August 2005.
4 In den Animationsfilmen der Disney-Studios wurden vorrangig europäische Märchen, Sagen und historische Stoffe in Bild und Ton umgesetzt.
5 Karal Ann Marling (Hg.), Designing Disney’s Theme Parks. The Architecture of Reassurance. Paris 1997, S. 31–33.
6 Ebd., S. 52.
7 Sandra Escobar / Betbe Gordon / Asavari Joshi / Yanna Kastiovchok, The Walt Disney Company and Capital Cities / ABC Incorporated, http://beatl.bernard.columbia.edu/dye/DisneyABC.pdf (Stand 08.2005), S. 5. ABC finanzierte den Bau von Disneyland mit 15 Millionen Dollar und erhielt im Gegenzug 35 Prozent der Besitzanteile.
8 Walt Disney Productions, Man in Space, 1955. Regie, Produzent und Buch: Ward Kimball, TV­Erstausstrahlung: 15. Juni 1955.
9 Der bereits erwähnte Deutsche Wernher Magnus Maximilian Freiherr von Braun hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA dafür anwerben lassen, die bereits in Deutschland in Anfängen umgesetzten Raketentechniken für das US-Militär weiterzuentwickeln. Als führende Persönlichkeit des Raketenprogramms nutzte er die Öffentlichkeitswirkung der Disneyland-Show, um seine Vision einer US-amerikanischen Raumfahrt Ausdruck zu verleihen.
10 Bereiche auf die Walt Disney Einfluss nehmen wollte, waren Raumfahrt (Rocket to the Moon), Städte- und Wohnungsbau (Monsanto House of the Future) und Verkehr. Da Disney seine Visionen zwar möglichst prägnant ausformulierte, sie aber gleichzeitig aufgrund wirtschaftlicher Zwänge wieder relativieren musste, zeigte sich am Beispiel des Monorails gut, der seine Vision einer zukünftigen Verkehrsplanung für die USA repräsentierte. Obwohl er mit der Bahn für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs werben wollte und sie als Prototyp für ähnliche Bahnen in Kaliforniens Ballungsräume anpries, konnte dennoch in Tomorrowland nicht auf die Automobilindustrie als Sponsor verzichten werden. Die Vision eines modernen öffentlichen Verkehrs wurde durch das gleichzeitige promoten des Automobils als zukunftsträchtiges Verkehrsmittel in der Fahrtattraktion Autopia wieder relativiert. Die Bindung zur Autoindustrie wurde auch auf der New Yorker Weltausstellung 1964/65 durch die Zusammenarbeit mit Ford noch einmal verstärkt. Doch fand Disney Wege, die Dinge in seinem Sinne umzudeuten. Eine für die Ausstellung entwickelte Fahrtattraktion, bei der man in selbstfahrenden Ford-Automobilen über einer Trasse mit eingelassenem Antrieb geschoben wurde, wandelte Walt Disney für Tomorrowland zum Peoplemover genannten Nahverkehrsmittel um. Trotz der Zerstörung des Automobil-Sujets konnte er weiterhin auf Ford als Sponsor rechnen, denn das Verkehrsmittel war zwar durch seine Trassenbindung ein Massentransportmittel, wahrte aber durch vier Personen fassende Gondeln eine Analogie zum individualistischen PKW.
11 Cyclorama ist die in Nordamerika übliche Bezeichnung für ein (Rund-)Panorama. Neben Kombinationen aus gemalten Hintergründen mit Modellen kamen in Tomorrowland auch 360° Filmprojektionen in zylindrischen Räumen unter dem Namen Circarama zum Einsatz.
12 Luna Park war der Name des zweitgrössten Vergnügungsparks am Strand von Coney Island in New York (1903–1944). Der Name nahm Bezug auf eine beliebte Fahrtattraktion A trip to the moon auf der Pan-American Exposition in Buffalo (New York) 1901, die ein Jahr später im Steeplechase Park in Coney Island gezeigt wurde. Im 20. Jahrhundert entstanden verteilt über die USA zahlreiche ähnliche Parks mit gleichem Namen, weshalb der Begriff als Synonym für Unterhaltungsanlagen allgemein geläufig wurde.
13 Rocket to the Moon war eine durch einen Trickfilm simulierte Raketenreise von der Erde rund um den Mond. Submarine Voyage liess Besucher in dieselbetriebenen «Atom-U-Booten» Tauchfahrten durch eine fantasievoll gestaltete künstliche Lagune erleben.
14 Im Pavillon von General Electric wurde im Drehtheater Carousel of Progress die Evolution elektronischer Haushaltsgeräte gefeiert.
15 Jeff Kurtti, Since the World began. Walt Disney World – the first 25 Years, New York 1996, S. 15. Ab 1963 liess Disney nach einem Bauplatz für den zweiten US-Themenpark in Florida suchen. Ausgewählt wurde ein über 110 km2 grosses Gelände in der Nähe von Orlando.
16 Ebenezer Howard, Garden Citits of To-Morrow, London 1902. Angeregt vom futuristischen Roman Looking Backward von Edward Bellamy, entwickelte Howard die Idee der Gartenstadt als Lösung für die Probleme der gegen Ende des 19. Jahrhunderts fast unkontrolliert wachsenden Industriestädte. Ihm schwebten neue, radial im Umfeld von Grossstädten angelegte Siedlungen vor, die unabhängige Stadtgebilde darstellten und mit der Kernstadt sowie untereinander durch Eisenbahnen verbunden sein sollten. Die Gartenstädte sollten sowohl durchgrünte Wohnsiedlungen mit freistehenden Häusern, als auch Fabriken, Versorgungs- und Kultureinrichtungen umfassen.
17 Tony Garnier und Krit Siderakis, Une cité industrielle. Etude pour Ia construction des villes, Princeton 1989. Die zwischen 1902 und 1917 vom Architekten und Stadtplaner Tony Garnier entwickelte fiktive Cité Industrielle war die Vision einer idealen zeitgemässen Stadt, in der die Bereiche Wohnen, Produktion, Sport- und Gesundheitsanlagen in getrennten Stadtbezirken angeordnet waren.
18 Steve Mannheim, Walt Disney and the Quest for Community, Aldershot 2002.
19 In seinem Buch The heart of our cities hatte der Architekt Victor Gruen die Errichtung von Shopping-Malls und Fussgängerzonen vorgeschlagen, um den fortschreitenden Verlust urbaner Funktionen aus den amerikanischen Stadtzentren Mitte des 20. Jahrhunderts aufzuhalten. 1955/56 hat er mit dem Southdale Center bei Minneapolis den ersten Typ einer in ein Gebäude integrierten Ladenstrasse errichtet. Vgl.: Victor Gruen, The Heart of our Cities, New York 1964.

 

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