Textile Manifeste
Von Bauhaus bis Soft Sculpture
Das Museum für Gestaltung Zürich führt bis 13. Juli 2025 die Besuchenden in die jüngere Geschichte der Textilkunst ein. In der Ausstellung Textile Manifeste – Von Bauhaus bis Soft Sculpture spannt die Kuratorin Sabine Flaschberger Bezüge vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Ein sinnliches Erlebnis voller Muster und Farben!
Text: Nele Rickmann, 18. März 2025
Zur Vernissage am 13. Februar ist die grosse Halle des Museums für Gestaltung Zürich an der Ausstellungsstrasse übervoll, denn die aktuelle Ausstellung Textile Manifeste spricht ein breites Publikum an. Kunsthandwerker*innen, Designer*innen und Architekt*innen treffen sich an diesem Abend; alle vereint die Faszination für das Textile. Ob gewebt, gestickt, appliziert oder getuftet: In der Ausstellung wird anhand von rund 60 internationalen Positionen gezeigt, wie textile Techniken in den letzten 100 Jahren als künstlerisches Ausdrucksmittel dienen. Von Teppichen, Tapisserien, Decken bis hin zu raumgreifenden Installationen und soft sculptures – das Textile ist so vielfältig wie es die Geschichte und die Menschen sind. Ob geometrische Muster, florales Dekor oder Szenen aus der Folklore: Die haptischen Objekte machen nicht nur handwerkliches Können zum Greifen nah – ich möchte sie am liebsten alle berühren! –, sondern sind auch Ausdrucksmittel der jeweiligen Zeit. So wird anhand der Werke von Anni Albers, Gunta Stölzl oder Johannes Itten nochmals deutlich, wie unbeschreiblich anders, neu und modern das Bauhaus damals war und seine Tendenzen bis heute wirken. Arbeiten von Shigeki Fukumoto, Masakazu Kobayashi oder Shigeo Kubota geben Einblick in die japanische Avantgarde der textilen Kunst des 20. Jahrhunderts. Und zeitgenössische Arbeiten von Estelle Bourdet, Stéphanie Baechler oder Marie Schumann zeigen, was eine junge Generation von Schweizer Textilkünstlerinnen heute umtreibt. Letztere befassen sich auch mit der Architektur. Stéphanie Baechler führte im Sommer 2024 über mehrere Wochen eine Textilinstallation am Tröckneturm in St. Gallen durch und fasste ihre Arbeit zur Textilarchitektur der Ostschweiz in der Publikation Forget Me Not / Vergissmeinnicht zusammen. Marie Schumann entwarf in Zusammenarbeit mit Caruso St. John ein Fassadenkleid für den Wettbewerb für das Recyclingzentrum Juch-Areal in Zürich-Altstetten (2023) und beendete kürzlich ihre Installation Soft Screens als Kunstprojekt an der Baugewerblichen Berufsschule Zürich von Gunz & Künzle. Schumann selbst wird am 27. März die textile Kunst am Bau in einer öffentlichen Gesprächsrunde diskutieren (weitere Informationen unten).
Die Ausstellung Textile Manifeste betreten die Besuchenden über die Mittelachse der grossen Halle, in der die Textilobjekte von der Gegenwart zurück zum Bauhaus chronologisch geordnet sind. Der Blick schweift durch ein farbiges «Fadengeflecht» bestehend aus den unterschiedlichen Arbeiten, die mal leicht und damit transparent, mal fest gewebt und undurchsichtig sind. An den beiden Längsseiten befinden sich unter Themen wie «Social Fabric» oder «Trompe l’œil» gruppierte Arbeiten unterschiedlicher Akteur*innen über die Generationen hinweg. Ausnahmslos ist die grosse Halle im Museum für Gestaltung Zürich an diesem Abend voll – und das nicht nur mit Menschen, sondern auch mit den diversen textilen Werken. In einer ausführlichen Rezension zur Ausstellung auf swiss-architects.com schreibt die Kunsthistorikerin Susanna Koeberle, die Fülle und Dichte der gezeigten Arbeiten überfordere und lenke vom Thema ab. Ich jedoch geniesse es, mich in dem dichten Geflecht aus bunten Fäden treiben zu lassen. Vielleicht verliere ich mich auch ein bisschen, aber das ist okay. Die Klarstellung von Koeberle, welche sich auf den Titel der textilen Manifeste bezieht, unterschreibe ich jedoch voll und ganz: Manifestiert wird in der Ausstellung, dass die Trennung von freier Kunst und Kunstgewerbe oftmals unerheblich ist – und das bereits seit über 100 Jahren.
«Zwischen materieller Poesie und Raumgefühl»
Begleitveranstaltung zur textilen Kunst am Bau
27. März 2025, 18:00–19:00 Uhr, Museum für Gestaltung Zürich, Ausstellungsstrasse 60
Lilia Glanzmann (Professorin und Leitung Studiengang Textildesign HSLU DFK) im Gespräch mit Marie Schumann (Textilkünstlerin) und Verena Brunner (Textilkünstlerin)
> Weitere Informationen zur Veranstaltung auf museum-gestaltung.ch