Trotzdem Hoffnung
Am 19. September 1941 hatte die deutsche Wehrmacht das eingekesselte Kiew erobert, seinerzeit Hauptstadt der Ukrainischen SSR. Unmittelbar nach der Okkupation begann das Sonderkommando 4a der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS die Stadt zu durchkämmen. In den ersten Tagen der Besatzung wurden 1600 Jüdinnen und Juden, aber auch Rotarmisten und Roma ermordet.
Für die Erschiessungen nutzten die Deutschen ein sandiges Gebiet am nordwestlichen Rand der Stadt namens Babyn Yar – ukrainisch «die Weiberschlucht». Die schmalen, aber tief eingeschnittenen und sich verzweigenden Erosionsrinnen, die es erlaubten, auf die Aushebung von Massengräbern zu verzichten, boten den Tätern ideale Bedingungen für das Massaker vom 29. und 30. September: Mit der trügerischen Hoffnung, ausgesiedelt zu werden, hatten die Besatzer die verbliebene jüdische Bevölkerung der Stadt – Frauen, Kinder und alte Menschen, denn die wehrfähigen Männer waren bereits zuvor von der Roten Armee eingezogen worden – nach Babyn Yar einbestellt. In diesen beiden Tagen ermordeten die SS-Kräfte, unterstützt von Wehrmachtsangehörigen, Polizeieinheiten und kollaborierenden ukrainischen Hilfskräften, insgesamt 33 771 Menschen, wie man ebenso diensteifrig wie präzise nach Berlin meldete. Es handelt sich um das grösste einzelne Massaker im Zweiten Weltkrieg.
Im Zuge der erinnerungspolitischen Neuprogrammierung des historischen Orts durch das Babyn Yar Holocaust Memorial Center (BYHMC) hat Manuel Herz eine wandelbare Synagoge realisiert, die in ihrer Konzeption auch als Zeichen der Hoffnung verstanden werden kann. Hubertus Adam ist im vergangenen Herbst nach Kiew gereist. In der jüngsten Ausgabe von archithese berichtet er über das als Pop-Up-Architektur konzipierte Gebäude – und beschreibt, warum er es an diesem abgründigen Ort als Zeichen der Hoffnung versteht.
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