Klicken Sie auf das Bild, um durch die Galerie zu blättern.
Stimulierend
Die Sonne blinzelte zaghaft durch den Herbstnebel, der um die liebvoll hergerichtete Renaissance-Festung Fuzine ausserhalb von Ljubljana waberte: Am frühen Morgen des 28. Septembers 2017 wurde ein Feuerwerk von Vorträgen und Posdiumsdiskussionen gezündet. Sie bildeten den Höhepunkt des Future Architecture Festivals, welches vom 20. bis 30. September im Museum für Architektur und Design (MAO) der slowenischen Kapitale stattfand.
archithese war vor Ort und wird in einer kleinern Serie von Blogbeiträgen ausgewählte Vorträge und Debatten beleuchten.
Text: Elias Baumgarten – 3.10.2017
Fotos: Peter Giodani
Forum sein
Vor zwei Jahren initiierte das Museum für Architektur und Design in Ljubljana unter Leitung von Direktor Matevž Čelik die Future Architecture Platform als Gefäss für den europäischen Architekturdiskurs. Sie soll (jungen) Gestaltern die Möglichkeit bieten, sich auszutauschen, über drängende Fragen zu diskutieren und gemeinsam Ideen für die Zukunft von Architektur- und Städtebau zu entwickeln. Organisiert werden dafür Ausstellungen, Konferenzen, Vorträge und Workshops. Besonders wichtig ist den Verantwortlichen der pan-europäische Gedanke und die Vernetzung mit Institutionen auf dem ganzen Kontinent. Entsprechend stolz sind sie, Architekturschaffende und Einrichtungen aus 15 Ländern im Boot zu haben, darunter auch das S AM in Basel.
Das Future Architecture Festival soll die Ergebnisse dieser Arbeit sichtbar machen, feiern und die Community zusammenführen. Dazu wurden Vertreter der vernetzten Institutionen ans MAO geholt, um ihre Projekte zu präsentieren und anschliessend über gemeinsame Fragen zu diskutieren. Dieses Jahr fand die Veranstaltung zum zweiten Mal statt.
Gelungene Themensetzung
Das Programm an Vorträgen und Diskussionen, welches in Ljubljana geboten wurde, war umfangreich und verhandelte viele aktuelle Fragestellungen. So stand der Umgang mit Ruinen und das Bauen im Bestand genauso im Fokus, wie die kostengünstige Aufwertung trister Quartiere oder die Debatte um Standards in Architektur. Auch die Rolle der Sozialen Medien, die Zukunft des Publizierens oder das Storytelling durch Architekturschaffende wurden diskutiert. Die Relevanz und Bandbreite der Themen liessen alle Zuhörer auf ihre Kosten kommen. Hat man bei vergleichbaren Vortragsmarathons meist mühe wach und konszentriert zu beleiben, waren die Vorträge ungewöhnlich erfrischend und lebendig.
Weiterbauen?
Fani Kostourou und Miloš Kosec eröffneten den Tag mit einer Debatte über den richtigen Umgang mit Ruinen. Während Kostourou für die Belgrad International Architecture Week ein Projekt zur Revitalisierung von Industriebrachen, Spekulations- und Kriegsruinen an der Peripherie der serbischen Kapitale aufgegleist hat, verfolgt Miloš Kosec den Ansatz «I prefer not to» und sieht das Weiterbauen an Ruinen kritisch.
Adriana Pablos repräsentierte die Kiewer School of Urban Studies und stellte eine Umnutzung des leerstehenden Arsenals der ukrainischen Metropole als Spielwiese für Künstler mit öffentlicher Parklandschaft vor.
Sebastian Ernst vom Berliner Studio FAKT zeigte einen Entwurf, der die berühmte Ruine des Tempels der Minerva Medica in ein «Instrument» verwandeln soll, das heisst die vom Bauwerk reflektierten Umweltgeräusche sollen bewusst erlebbar werden. Das Projekt entstand mit vier weiteren auf Initiative des MAXXI in Rom: Fünf Teams erhielten den Auftrag, Interventionen zur Belebung von fünf ruinösen Orten in der ewigen Stadt zu erdenken, um damit an die Aktion Estate Romana 1977–1979 zu erinnern. Damals sollten Kunstprojekte der Bevölkerung den öffentlichen Raum «zurückgeben», den ihr bisweilen gewaltsame politische Auseinandersetzungen geraubt hatten.
Zwischen Standards und Quartiersaufwertung
Blanca Pujals arbeitet für die spanische Plattform dpr-barcelona. Sie brachte das Thema Standards aufs Tapet. «Ist es möglich, sich von einer wertenden Unterscheidung zwischen Norm und Abweichung zu lösen?», fragte sie.
Barbara Boschiroli vom Atelier delle Verdure war aus Polen angereist, um kleine Eingriffe vorzustellen, mit denen drei internationale Architektenteams triste Quartiere in Warschau aufwerteten. Mit geringen Mittel und kleinen Interventionen kann grosse Wirkung entfaltet werden, so ihre Botschaft.
Bücher und Soziale Medien
Die Kuratorinnen Angela Rui und Maja Vardjan stellten die druckfrische MAO-Publikation Faraway, So Close vor. Das Buch entstand begleitend zur 25. Designbiennale in Ljubljana und wartet mit sieben Untersuchungen zur Zeitlichkeit auf, die in ganz Slowenien durchgeführt wurden. Das Werk soll Gestalter für drängende ökonomische, demografische und politische Fragen sensibilisieren: Wachstums- und Schrumpfungsprozesse, die Übersiedlung vieler Menschen von der Stadt aufs Land und vieles mehr.
Einen Workshop zum Publizieren leiteten Rebekka Kiesewetter und Emil Jurcan, die für die Association of Architects of Istria tätig sind. Sie versuchten die Besucher dazu anzuregen, aus dem Stegreif innovative Konzepte zu entwickeln. Später hielt James Taylor-Foster einen Vortrag über die Bedeutung Sozialer Netzwerke wie Facebook und Instagram für den Architekturdiskurs und sprach über Aufmerksamkeitsökonomie. Dabei gab sich der ArchDaily-Redaktor überraschend kritisch und diskutierte anschliessend mit Charles Broskoski, dem Erfinder der Plattform Are.na, und der Verlegerin Ethel Baraona Pohl sowie MAO-Direktor Matevž Čelik über Möglichkeiten, der Internetnutzung einen neuen Dreh zu geben und hochwertigen Content wieder in den Fokus zu rücken.
Erzählen!
Ludwig Engel und Victor Cano Ciborro hielten indes je einen Vortrag über Storytelling in der Architektur. Während für Ciborro immer die Geschichte am Anfang stehen muss, bevor sie eine passende architektonische Manifestation finden kann, ist Engel überzeugt, dass Gestalter in einer besonders glücklichen Situation sind: «Nur Architekten können Häuser bauen und dabei zugleich das Konzept des Hauses kritisieren», sagte er.
> Besprechungen ausgewählter Vorträge und Debatten finden Sie hier im Blog.
> Mit Dezember-Heft 2017 spinnt archithese eine Theorie zu Ruinen.