Stadtschule
Wie eine Landschule aussieht, davon haben die meisten Menschen eine klare Vorstellung. Doch in der Stadt? Der Kontext ist dort mitunter heterogen und immer wieder anders. Die Bauplätze sind oft anspruchsvoll. Dies trifft auch für die Schulanlage Thurgauerstrasse in Zürich-Nord zu. Das Büro Bollhalder Eberle Architektur hat den Wettbewerb mit einer Gestaltung gewonnen, die an der Hauptstrasse als kompakter Baukörper in Erscheinung tritt.
Text: Manuel Pestalozzi – 13.12.2017
Quartier im Wandel
Einst war die Thurgauerstrasse die Verbindung zwischen Zürich und seinem Flughafen. Auf dem richtungsgetrennten Boulevard stadtauswärts fahrend, erahnte man bereits den Duft der grossen, weiten Welt: An der Ostseite zogen Bauten vorüber, wie man sie weltweit auf dem Weg zum Flughafen antrifft: grosse, unüberblickbare und anonym wirkende Volumen mit Büros und Firmensitzen. Seit der Jahrtausendwende ist die eigentliche, «vollständige» Stadt mit dem neuen Quartier Leutschenbach merklich nähergerückt. Auf der Thurgauerstrasse, die durch die Autobahn entlastet wurde, rollen jetzt Trams vorrüber, hinter den in die Jahre gekommenen Grossbauten entstanden zahlreiche neue Wohnüberbauungen.
Gemischte Nutzung
Westlich des Boulevards findet man heute noch ein terrain vague vor: Gewächshäuser, Parzellen mit Nutz- und Familiengärten, dahinter, entlang der Trasse der Bahnlinie, frei stehende Einfamilienhäuser. Auf einer Fläche von ungefähr 65 000 Quadratmeter plant die Stadt Zürich einen Quartierteil mit Gewerbeflächen und rund 700 gemeinnützigen Wohnungen für etwa 1 800 Menschen. Grundlage ist das städtebauliche Konzept eines Teams um Meili & Peter Architekten aus dem Jahr 2015. Es sieht auf dem relativ schmalen Landstreifen mehrere Hochhäuser und einen Quartierpark vor. Dieser reicht von der Thurgauerstrasse bis zum Bahndamm. Seine Aufgabe ist es, die stark erhöhte bauliche Dichte etwas zu kompensieren und zwischen den verbleibenden Einfamilienhäusern und den neu entstehenden Grossbauten zu vermitteln. Hinzu kommt die Schule, der dieses Konzept einen festen Platz zuweist: direkt an der Strasse und am Südrand des Parks.
Verschiedene Anforderungen
Die Architekturbüros, welche sich am Projektwettbewerb im offenen Verfahren beteiligt haben, mussten eine Anlage für rund 400 Tagesschüler aus dem Einzugsgebiet Leutschenbach planen. Aufgrund ihrer Lage und Funktion hat sie die Vermittlertätigkeit des Parks zu ergänzen. Zu den weiteren Anforderungen gehörten die Berücksichtigung der Grundsätze der 2 000-Watt-Gesellschaft und der baulichen Nachhaltigkeitsvorgaben gemäss Minergie-P-ECO.
Puzzleteil
Nach einer anonymen Überarbeitungsphase mit drei der 79 teilnehmenden Teams hat sich das Preisgericht für das Projekt von Bollhalder Eberle Architektur, Pauli Stricker Landschaftsarchitekten und Borgogno Eggenberger + Partner entschieden. Der Entwurf reagiert auf die Lage, indem er an der Thurgauerstrasse als kompakter Körper in Erscheinung tritt. Am Nordende springen die oberen Geschosse über dem Haupteingang leicht vor. Auf der gegenüberliegenden, ruhigen Seite ist das Gebäude durch drei Einkerbungen in vier Trakte gegliedert, die zu einem Hof mit Schulgärten orientiert sind. Es entsteht dadurch eine KIeinteiligkeit, die das Einfamilienhaus-«Biotop», das heute etwas verloren wirkt, sicher aufwerten wird. So erscheint dieser Entwurf als sinnvolles Puzzleteil, das sich gut in das Gesamtkonzept für das Areal einfügt. Etwas in den Hintergrund rückt die Idee des Schulhauses als Identifikationspunkt. Das bestehende gebaute Umfeld an der Thurgauerstrasse wirkt aktuell immer noch distanziert und anonym. Dieses Schulhaus wird es alleine nicht schaffen, daran etwas zu ändern. Dafür braucht es auf dem Areal starke Partner.
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