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Paul Ludwig Troost, Haus der Kunst, München, 1937 (Foto: Ute Zscharnt © David Chipperfield Architects)

Sind Form und Ideologie trennbar?

Wie umgehen mit den steinernen Hinterlassenschaften der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft in Deutschland? Wohl kaum eine Frage ist so heikel, politisch und emotional und deshalb so schwierig zu beantworten. Doch die Stadt München kam um eine Entscheidung nicht umhin und gibt nun eine streitbare Antwort: David Chipperfield wurde beauftragt, das Haus der Kunst in einem Akt rekonstruierender Denkmalpflege in den Ursprungszustand von 1937 zurückzuversetzen. Till Briegleb hat für das Kunstmagazin art diese Entscheidung kommentiert.

 

Text: Elias Baumgarten – 21.10.2016
Foto: Ute Zscharnt

In seinem Aufsatz «Sanieren oder sprengen?» geht Till Briegleb hart mit der Entscheidung ins Gericht, das Haus der Kunst in München nahe dem Englischen Garten für EUR 78 Millionen zu sanieren und den Urzustand aus dem Jahr 1937 wiederherzustellen. Besonders missfällt ihm die Absicht, nicht nur Galerien, Durchgänge und Tore wieder zu öffnen, sondern auch die einst als «Sichtfilter gegen die Überwältigungsarchitektur» gepflanzten Bäume zu fällen. Die Entscheider argumentieren hingegen, der Bau solle wieder so in der Stadt auftreten, wie dies vom Architekten Paul Ludwig Troost gemeint war.

 

«Geschichtshygiene»?
Im Kern wirft Briegleb sowohl der Stadt als auch den Architekten, die Gestaltung und Ideologie als voneinander trennbar betrachten, vor, die Gefährlichkeit der Troost’schen Monumentalarchitektur zu verkennen: Während es sich für Briegleb um «Überwältigungsarchitektur» handelt, die ungebrochen zu faszinieren und zu manipulieren vermag, glaubt Chipperfield, dass von ihr «keine Bedrohung» mehr ausgehe. Okwui Enwezor, der den Bau nach der Sanierung als «Universalbühne» für Kunst nutzen möchte, stiess ins selbe Horn: Beim Kolosseum in Rom denke heute auch niemand mehr an die Grausamkeit der Gladiatorenkämpfe. Man dürfe das Gebäude nicht für seine «prekäre Vergangenheit» in Haftung nehmen. Und Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) meint, die Wiederherstellung einstiger «Pracht» sei ein «sehr demokratischer Umgang».
Till Briegleb hält dagegen: Ein derart «emotionsloser», nüchterner Umgang mit Geschichte verlange vielleicht wirklich nach der Rückkehr zum Urzustand des Baus – um die Bedrohlichkeit faschistischer Symbolarchitektur wieder in Erinnerung zu rufen. Bitter fügt er jedoch an: Zeitgenössische Stararchitekten hätten bekanntlich sowieso kein Problem mit «Überwältigungsarchitektur».

 

Ideologie vs. Gestaltung
Nach der Lektüre des emotionalen Kommentars lässt sich eine Grundsatzfrage bergen, um welche die Debatte zu kreisen scheint: Können Ideologie und Form voneinander entkoppelt werden? Streift Architektur ihre politische Aufladung nach einer gewissen Zeit tatsächlich ab? Und falls die Antwort «ja» lautet – kann oder muss gar diesem Prozess durch überformende Interventionen Vorschub geleistet werden? Etwa mit einer «Universalbühne» für Kunst, wie es in der bayerischen Kapitale geben soll?
Die Redaktion der archithese widmet dem Thema Ruinen im kommenden Jahr ein ganzes Heft. Der Diskussion um den «richtigen» Umgang mit politisch brisanten Bauwerken, wird eines unserer zentralen Themen sein.

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