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Grundsolide und liebenswert altmodisch

In Chur wurde der Erweiterungsbau des Kunstmuseums eingeweiht. Der kubische Bau mit der prägnanten kassettierten Betonfassade wurde vom spanischen Büro Barozzi Veiga entworfen. Er macht städtebaulich vieles richtig und reiht sich locker zwischen Villa Planta und den RhB-Verwaltungsbau ein. Dabei ist er ein Scheinzwerg. Denn der Grossteil der Säle wurde unter der Erde versteckt. Architektonisch sorgfältig und solide wird das Kunsthaus schweizweite Strahlkraft haben. Doch die Innenräume wirken leider konventionell und wie eine Reminiszenz an die Bündner Architektur der 1990er-Jahre. Es hätte räumlich und materiell mehr gewagt werden dürfen.

 

Text + Fotos: Jørg Himmelreich – 23.6.2016

 

Aufstieg in eine andere Liga
Die alte palladianisch anmutende Villa in Chur, erbaut 1876 von Johannes Ludwig für den Industriellen Jacques Ambrosius von Planta ist ein architektonisches Kleinod. Seit 1917 wird in ihr die kantonale Kunstsammlung gezeigt. Der alle Geschosse durchlaufende zentrale Kuppelraum mit dutzenden Säulen und Pilastern, deren bunte Bemalung verschiedenste Halbedelsteine imitiert und die überspannende, farbige und teilvergoldete Kuppel verströmt exotischen Flair und atmet weltmännische Grösse. Die auf zwei Etagen den zentralen Raum umlaufenden Zimmer haben Charme, dich sie sich nicht sonderlich für die Präsentation grossformatiger Bilder eignen. Nachdem der Zürcher Industrielle und Bankier Henry Carl Martin Bodmer dem Museum CHF 20 Millionen schenkte, wurde entschieden, den benachbarten, (ebenfalls für Ausstellungen genutzten) Sulser-Bau der RhB durch einen Neubau zu ersetzen und damit die Ausstellungsfläche zu verdoppeln.

 

Streit beim Wettbewerb
Am zweistufigen Wettbewerb 2012 beteiligten sich viele Protagonisten der Schweizer Architekturszene. Gewonnen hat das spanisch-italienische Duo Barozzi Veiga. Weil das Team gegen einige der Vorgaben verstossen hatte, aber dennoch den Sieg davon trug, sorgte der Entscheid für einigen Aufruhr. Valerio Olgiati, der beim Wettbewerb den dritten Platz erreicht hatte, legte Beschwerde gegen den Juryentscheid ein und nannte den Wettbewerb «unfair, unrechtmässig und lausig.» Acht der achtzehn beteiligten Architekurbüros kritisierten zudem in einem offenen Brief an die Bündner Regierung, dass die Regeln zu eng gefasst worden sein und die Verstösse des Siegers dann dennoch nicht zu deren Ausschluss geführt hätten. Unterschrieben hatten neben Beart & Deplatzes auch Gion A. Caminada. Zur Diskussion stand unter anderem, dass die Kunstanlieferung nicht überdacht wurde.

 

Kompositorisch überzeugend; stadträumlich mässig
Der Fussabdruck des Neubaus ist etwas kleiner als jener der Villa Planta. Doch was oberirdisch sichtbar ist, ist nur die Spitze des Eisberges. Denn die grossen Säle sind komplett unterirdisch organisiert. Die würfelförmige Betonlaterne vermittelt geschickt zwischen Villa, Verwaltungsbau der RhB und einem Gebäude auf der anderen Strassenseite. Das weitestgehende Fehlen von (erkennbaren) Fenstern, das Raster der Betonkassetten und die Überhöhe des Türrahmens lassen den Neubau massstabslos erscheinen. Von aussen ist kaum erkennbar, dass die Laterne vier – zum teil überhohe – Etagen beinhaltet.
Kompositorisch an sich überzeugend, enttäuscht jedoch der Freiraum rund um den Neubau. Der Barozzi Veiga Bau verhält sich wie ein suburbanes Einfamilienhaus, indem er die Mitte des Grundstückes besetzt und annähernd unbrauchbares betoniertes und gekiestes Abstandsgrau zurück lässt.

 

> Eine umfassende Kritik zum neuen Museum von Jørg Himmelreich lesen Sie in archithese 1.2017 Swiss Performance.

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