(Rund-)Umsicht
Letzte Woche würdigte der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) im Zürcher Landesmuseum zum vierten Mal umsichtige und ganzheitlich gedachte Projekte die von interdisziplinären Planungsteams entwickelt wurden. 6 aus insgesamt 79 eingereichten Arbeiten aus der ganzen Schweiz überzeugten die Jury und wurden prämiert. Weiteren zwei Projekten wurde eine Anerkennung ausgesprochen.
Text: Anne-Dorothée Herbort – 29.3.2017
Mit der Auszeichnung Umsicht –Regards – Sguardi würdigt der SIA auch in diesem Jahr zukunftsweisende Gestaltungen, die von interdisziplinären Planungsteams ganzheitlich gedacht und entwickelt wurden. Gesucht waren Projekte die unseren Lebensraum in nachhaltiger, ökologischer und sozialer Hinsicht bereichern. Die Auszeichnungen gingen daher an sechs Arbeiten, die sehr unterschiedliche Konzepte, Ziele und Zwecke verfolgen.
Neue Perspektiven für die Kulturlandschaft
Ausgezeichnet wurden vier Projekte, welche neue Perspektiven für die gewachsene Kulturlandschaft öffnen. So überzeugte ein Revitalisierungsprojekt, welches in Zusammenarbeit der Sparten Wasserbau, Biologie und Landschaftsarchitektur in Genf eine differenzierte Flusslandschaft geschaffen hat, die Jury.
Das Wasserkraftwerk Hagneck in Biel stellte für die Preisrichter ein wegweisendes Beispiel für die in den nächsten Jahren in grosser Zahl zu erwartenden Erneuerungen von Kraftwerken dar.
Den Rahmen sprengte indes Martino Pedrozzis Land-Art-Projekt das er seit einigen Jahren in zwei verlassenen Alpweilern im Malvagliatal im Nordosten des Kantons Tessin vorantreibt. Der Architekt und Dozent an der Accademia di Architettura di Mendrisio schichtet die Steine der umliegenden verfallenen Gebäude innerhalb der noch bestehenden Fragmente zu einem Plateau auf, um so den ursprünglichen Perimeter des Gebäudes abbildet. Pedrozzis Ricomposizioni erinnern laut Juryurteil an vergangene alpine Nutzungen und versuchen die vorgefundenen Artefakte räumlich neu zu interpretieren.
Das vierte preisgekrönte Projekt liegt im Dorf Valendas im Kanton Graubünden. Das seit Jahren leerstehende alte Schulhaus wurde zum Besucherzentrum des Naturparks Beverin umgebaut. Für die Gemeinde stellt es zugleich den Schlussstein einer erfolgreichen Dorferneuerung dar.
Zugpferde der Zürcher Agglomeration
Der Ballungsraum Zürich befindet sich in einem ökonomischen und demographischen Wachstumsdruck. Trotzdem bedarf es für sozial Benachteiligte und Geringverdiener genügend bezahlbaren und würdigen Wohnraum. Die Genossenschaft Kraftwerk 1 schuf auf dem Gelände der ehemaligen Spinnerei Zwicky in einem partizipativen Planungsansatz eine multikulturelle und generationenübergreifende Wohnsiedlung.
Eine stark wachsende Metropolregion bringt zwangsläufig auch für die Verkehrsplanung grosse Herausforderungen mit sich. Als technisch und logistisch aufwändiges Verkehrsprojekt wurde der Ausbau des Bahnhof Zürich-Oerlikon Schweiz weit bekannt. Die Umsicht-Jury zeichnete die verantwortlichen Planer, des eng mit dem Bau der Zürcher Durchmesserlinie verbundenen Projekts aus, weil es ihnen trotz einer Vielzahl von Bauherrschaften, dem Bauen unter Betrieb und der mehrfachen Vergrösserung des Projektierungsperimeters gelang, mit einer einheitlich gestalterischen Handschrift alle Bauwerke zu einem Gesamtprojekt zu vereinen. Die Jury ist der Meinung, dass nicht nur ein funktionierender Verkehrsknoten, sondern ein lebendiger Stadtraum – der stimulierend in die angrenzenden Quartiere ausstrahlt und als neues Tor von Oerlikon fungiert – entstanden ist.
Anerkannte Forschungsarbeiten
Eine Anerkennung erhielt auch das im Mai 2016 auf dem Gelände der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in Dübendorf eingeweihte NEST. Diese Struktur erlaubt es Wissenschaftlern, Gebäudetechnologien und Gebäudehüllen der Zukunft zu erproben. In der gebauten Trag- und Versorgungsstruktur mit wechselnden «Inhalten» können neue Technologien realitätsnah und im Betrieb getestet werden.
Schliesslich wurde auch das Gebäudesystem BS2 Zeleganz anerkannt. Das von Professor Hansjürg Leibundgut an der ETH Zürich in zwölf Jahren in interdisziplinärer Forschungsarbeit entwickelte Zeleganz-System, bewirtschaftet clever die saisonal variierende Solarenergie. Es setzt auf eine kluge Steuerung und auf effektive Speichermedien statt auf maximale Dämmung und Energieeffizienz. Die Jury erkannte in dem System einen wertvollen Baustein zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes.
Die Umsicht-Ausstellung wird vom 27.bis 30. März 2017 im Stadtmodellraum der Stadt Zürich, Amtshaus IV, Lindenhofstrasse 19 zu sehen sein, bevor sie in verschiedenen Regionen der Schweiz sowie im benachbarten Ausland gezeigt wird.