Postmoderne Schweizer Architektur?
Text: Jørg Himmelreich – 10.7.2012
Fotos: Stephan Rappo (© Landesmuseum Zürich)
«If you think about what Modernism felt like in the seventies it deserved a smack», scherzt Designerin Paula Scher rückblickend über die Anfänge der Postmoderne. Und diesen Schlag ins Gesicht spürt man noch immer beim Betreten der Ausstellung «Postmodernism. Style and Subversion 1970–1990», die derzeit im Landesmuseum in Zürich gezeigt wird.
Konzipiert wurde sie vom Londoner Victoria and Albert Museum als «erste umfassende Präsentation von Architektur, Design, Musik und Grafik der Epoche Postmoderne». Nachdem sie in London erfolgreich war, ist sie durch Europa gereist und mit Zürich an ihrer letzten Station angelangt.
Die Ausstellung ist vor allem eines: schrill und neonbunt. Viel Pink, Türkis und Gelb, dazu weisse Flächen mit schwarzen Sprenkeln und umgekehrt – verteilt auf Design, Mode, Grafik und in Videoclips. Das wäre zuerst einmal zum davonlaufen, doch weiss man ja im Voraus, worauf man sich als Besucher einlässt. «Der Begriff Postmoderne steht für die Vermengung von hoher Kultur mit Pop, vielfältigen Überlagerungen, dem Spiel mit Farben, Formen, Materialien, Klischees, Stilisierungen und Versatzstücken», so Alois Martin Müller im Schweizer Katalog zur Ausstellung.
Haben sich die Augen erst einmal an die bunte Zirkuswelt gewöhnt, gibt es für Architekten durchaus Interessantes zu entdecken: Modelle und Zeichnungen von Aldo Rossi, Michael Graves, Frank Gehry, Robert Venturi und Denise Scott Brown. Spannend ist, dass die Kuratorin der Schweizer Schau Christina Sonderegger Werke der «bedeutendsten Vertreter der Schweizer Postmoderne» hinzugefügt hat. Das macht neugierig, denn allgemein gilt die Schweiz als Bollwerk des Modernismus, an dem die Postmoderne – von wenigen Ausnahmen abgesehen - abgeprallt ist. So formulierte es Kurator Glenn Adamson bei der Vernissage letzten Donnerstag. Mein Besuch galt vor allem diesen Schweizer Exponaten. Im ersten Raum «Last Rites & First Steps» mit Werken aus den 1960er und frühen 1970er-Jahre reihen sich die Möbel von Trix und Robert Haussmann tatsächlich nahtlos in den bunten Reigen ein – ihr Schubladenschrank in Form eines Säulenstumpfes von 1982 oder der Brückenschreibtisch von 1977 machen wie die meisten Exponate Anleihen in der klassischen Antike.
Unter der Postmodernen Schweizer Architektur findet man dann etwa ein Modell von Mario Bottas Kapelle und das Widderhorn, ein Architekturdetail, dass Tilla Theus für den Umbau des Hotel Widder in der Zürcher Altstadt entworfen hat. Eingestreut sind zudem Werke der Analogen Architektur von Miroslav Sik, wie das Katholische Pfarreizentrum St. Antonius in Egg (1988) oder die griechisch anmutende Wohnsiedlung Seldwyla in Zumikon von Rolf Keller (1975–1980). Verglichen mit den gezeigten internationalen Beispielen sind die Schweizer Arbeiten dezent und setzen mehr auf lokale Tradition und das Alltägliche statt auf klassische Anleihen oder Kompositionen aus geometrischen Grossformen. «Die Erneuerung der Gestaltung durch die Postmoderne verlief in der Schweiz weniger schrill und provokant als in anderen Ländern,» steht entsprechend in der Ausstellung geschrieben. Vermisst habe ich allerdings frühe Werke von Herzog & de Meuron und Peter Märkli, sie werden dafür im Katalog erwähnt. Die Auswahl lässt dabei den Eindruck entstehen, als hätte man international bunten und ironischen Antike-Zitaten gefrönt, während in der Schweiz nur subtile Antworten auf die Krise der Moderne gegeben worden wären. Spannend wäre daher eine Ausstellung im Landesmuseum über «Schweizer Architektur der 1970er und 1980er-Jahre». Es gäbe noch viel mehr Inhaltliches zu zeigen und noch weitreichendere Einflüssen der Postmoderne auf die Schweizer Architektur (bis heute) sind zu entdecken.