Pop Up Party
Nach einem Jahr Pause ist die Werkschau ArchitekturSchweiz in neuem Gewand zurück. Als dreitägiges Festival mit Ausstellungen, Konferenz und Filmvorführungen konzipiert, findet die ArchitekturSchweiz19 dieses Wochenende erstmals im Kulturzentrum Kosmos in Zürich statt. Zum Auftakt feierte heute, am 7. März ein Pop-Up-Museum Vernissage. Gezeigt werden räumliche Interventionen von jungen Gestalterinnen und Architekten, die vielfältige Ansätze verfolgen. Von der heiteren Schau bleiben vor allem die Projekte im Gedächtnis, weilche einen Diskurs anstossen möchten.
Text + Fotos: Julian Bruns – 7.3.2019
Zahlreiche junge Architekturbüros haben im Herbst 2018 Vorschläge für das Pop-Up-Museum eingereicht. Gefördert wird die temporäre Ausstellung von der Stiftung Sotto Voce, die sich für eine stärkere Vernetzung Architekten und Nutzern einsetzt. Die Stiftungsgründerin und Architektin Helen van Vemde, der Architekt, Urbanist und Hochschullehrer Stefan Kurath sowie archithese-Chefredaktor Jørg Himmelreich wählten daraus 20 Projekte aus, die nun der Öffentlichkeit gezeigt werden. Die Arbeiten, die die Teilnehmer an einem Ort ihrer Wahl im Kosmos platzieren konnten, reichen von raumverändernden Interventionen bis zu subtilen, beinahe unsichtbaren Eingriffen. Besonders fällt auf, dass gleich mehrere Arbeiten um Themen der Partizipation in Gestaltungsprozessen kreisen. archithese hat die Vernissage besucht und stellt einige der Projekte vor.
Fragment der Vergangenheit
Besucher, die mit dem Zug anreisen, können bereits vor der Einfahrt in den Hauptbahnhof die erste Intervention entdecken. Auch von der Lagerstrasse kommend, sollten Sie schon vor Betreten des Kosmos die Augen offenhalten. Am Ende einer Gasse haben Oliver Dubuis, Edward Jewitt und Sandro Gämperle von MMXVI sowie Pascal Marx und Nina Cattaneo von Ruumfabrigg eine Temperaturanzeige und Uhr, die früher auf dem First eines Güterschuppens befestigt war, (re-) installiert. Die einfache Digitalanzeige soll ein Symbol für die räumlich und soziale Veränderung des Ortes darstellen. Durch die visuelle Überlagerung der zwei Zeitschichten möchten die Architekten auf den steten Wandel aufmerksam machen und so zu einem Nachdenken über Möglichkeiten zur Beeinflussung dieser Prozesse anregen.
Härtetest für den eigenen Entwurf
Als Aufruf zur Partizipation ist das Projekt der Zürcher Clou Architekten zu verstehen. Aus einfachen Lochziegelsteinen bilden sie den Grundriss einer Regelwohnung ihre gerade in der Planung befindlichen Wohnsiedlung in Leutschenbach nach. Die siegreiche Wettbewerbsteilnahme legte 2015 den symbolischen Grundstein für ihr noch junges Büro. Die an ein Mock-Up erinnernde Installation dient aber nicht nur zur räumlichen Vorstellung des zukünftig Gebauten: Zusätzliche Ziegelsteine laden ein, die Wohnungen zu verändern. Damit möchten die Architekten zum einen eine spielerische Auseinandersetzung mit ihrer Architektur anstossen, zum anderen – ganz praktisch – überprüfen, wie viel fremde und unkontrollierte Eingriffe ihr Entwurf durch mögliche Bewohner verträgt.
Starthilfe
Ganz pragmatisch sehen es Patrick Britt und Eva Lanter, die die Möglichkeit einer Ausstellung als Eigenwerbung beim Schopfe packen und einen kleinen Pop Up-Shop mit Merchandise aufgestellt haben. Dort gibt es Shirts und Jutebeutel mit aufgedruckten Visualisierungen aus ihrem Büro Batiments zu kaufen. Der Gewinn fliesse ausschliesslich in die Bearbeitung zukünftiger Projekte. Die Hoffnung ist, dass die beiden eines Tages anhand gebauter Beispiele über ihre Haltung sprechen können. Damit zeigen sie auf ironische Art, was Architekten häufig verschweigen wollen: die Abhängigkeit von Kapital und Markt.
Betonung der Leere
Weniger politisch, aber nicht minder inspirierend zeigt sich eine unscheinbare Installation im Auditorium und dem darüber liegenden Buchsalon. Dort ist eine der quadratischen Betonstützen mit blauer Folie überzogen. Mit der neuen Farbigkeit hebt sie sich nicht nur von den anderen ab, sondern verweist auch auf eine gleichfarbige, nur wenige Zentimeter starke und sich nach unten verjüngende Aluminiumstütze im darunter liegenden Auditorium. Sowohl in ihren Dimensionen, als auch in ihrer Konstruktion aus drei zusammengesetzten Rohren irritiert sie in ihrer Fragilität und temporären Anmutung. Sara Wiedenbeck und Simon Marius Zehnder machen mit dieser zusätzlichen Stütze auf die strukturelle Konzeption des Gebäudes aufmerksam. Die klassische Lastenabtragung durch aufeinandergestellte Stützen wird durch massive Unterzüge obsolet. Mit ihrer Intervention möchten die beiden das selbstverständliche der Architektur den Betrachtern näherbringen und ein Bewusstsein für räumliche beziehungsweise statische Gefüge wecken.
Volles Programm
Diese und viele weitere spannende Interventionen können auch nach dem Festival bis zum 7. April 2019 besichtigt werden. Alle Exponate befinden sich in öffentlich zugänglichen Bereichen des Kosmos. Am Freitag, dem 8. März 2019 gibt es eine umfangreiche Tageskonferenz mit acht Diskussionsrunden und über 20 Referenten, abends folgt eine Veranstaltung mit Kurzvorträgen von jungen Schweizer Architekturschaffenden. Am Samstag und Sonntag werden im Rahmen der Architektur FilmTage Zürich je ein Film gezeigt sowie Führungen durch das Pop-up-Museum angeboten.
Das Festival ArchitekturSchweiz19 findet vom 7. bis zum 10. März 2019 im Kulturzentrum Kosmos in Zürich statt.