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Places for People

Lobenswert: Österreich erdachte Interventionen für Migranten. Doch den Mut sie physisch zu zeigen, hatten die Kuratoren dann leider nicht.

 

Text: Elias Baumgarten – 6.6.2016
Fotos: Jørg Himmelreich & Paul Kranzler

Der Flüchtlingszustrom ist inzwischen per umstrittener Kontingentregelung und Schliessen der Balkanroute drastisch reduziert worden. Und doch setzt sich Österreich in seinem von Elke Delugan-Meissl gemeinsam mit Sabine Dreher, Christian Muhr und dem Büro Liquid Frontiers kuratierten Beitrag zur 15. Architekturbiennale in Venedig mit der Lage von Flüchtlingen und Asylanten im eigenen Land auseinander. Präsentiert werden dem Publikum drei kleinmassstäbliche, unspektakuläre Interventionen «Home Made», «Social Furniture» und «Un/Common Space – Un/Defined Living». Sie sollen schnell und mit wenigen Mitteln den Alltag der Migrantinnen verbessern.
Im Pavillon selber ist aber nur wenig davon zu sehen: Weil das Hauptaugenmerk auf Wien gelegt wurde, zeigt und erklärt lediglich ein dicker Katalog im Zeitungsformat die Projekte. Dieses Defizit machen auch die vielen grossformatigen Poster zum mitnehmen nicht wett, wenngleich sie interessant Einblicke in Migrationswelten vermitteln.

 

Pragmatisch die Lebensqualität verbessern
Österreich zeigt «kleine» Eingriffe, welche die Lebensqualität in bestehenden Unterkünften verbessern sollen. So wurden beim Projekt «Social Furniture» für die Einrichtung «Haus Erdberg» verschiedene fröhlich gelbe Möbel entworfen und zusammen mit den Migrantinnen gebaut – vom Regal über Tische bis hin zur Gemeinschaftsküche. Die Designer von EOOS begreifen ihre Arbeit als identitätsstiftend und wollen damit den Alltag der Flüchtlinge angenehmer gestalten.
Beim Projekt «Home Made» von Caramel Architekten wurden temporäre Rückzugsorte aus Sonnenschirmen improvisiert, die sich schnell, einfach und mit geringem Materialaufwand (für EUR 50 in fünf Minuten) aufbauen lassen. Diese «Zelte» sollen in den grossen Hallen von Erstaufnahmeeinrichtungen ein Mindestmass an Privatsphäre schaffen.
Mit «Un/Common Space – Un/Defined Living» haben the next ENTERprise architects schliesslich fünfzehn Orte in Wien ausfindig gemacht, die sich als Unterkünfte für Menschen auf der Flucht adaptieren lassen. Pilotprojekt ist das Areal «Kempelenpark» in der Donaumetropole. In den alten Industriekomplex wurden abschliessbare Holzboxen mit viel Stauraum, Schlafplatz und Aufenthaltszone eingestellt, die sich dank vieler beweglicher Teile an die Bedürfnisse der Bewohnerinnen anpassen lassen sollen.

 

(Zu) sparsames Ausstellungskonzept
Leider ist im Pavillon der Alpenrepublik davon aber wenig bis gar nichts zu sehen – weder die Rückzugsorte in Form der zum Zelt erweiterten Sonnenschirme, noch die ausgeklügelten Holzboxen oder die gelben Möbel. Dabei wäre es spannend gewesen sie zu begehen und zu testen. Stattdessen gibt es Poster, welche sympathischen Migrationswelten-Charme versprühen, und einen dicken Katalog im Zeitungsformat zum mitnehmen. Im hinteren Teil der Ausstellung lädt ein langer Lesetisch ein, sich in dessen 72 Seiten mit Fotos, Plänen und umfangreichen Texten zu vertiefen. Immerhin liegt hier das «Schirm-Zelt» von Caramel Architekten als Bausatz aus und stellvertretend für «Social Furniture» ist eine gelbe Ablage für Bücher und Werkzeuge zu begutachten.
Ähnlich dem Deutschen Pavillon, wo die Portfolios mit Vorschlägen für «bessere» Flüchtlingsunterkünfte in einem Nebenraum schwer zu finden auf dem Tisch liegen, scheint auch Österreichs Ausstellungsmacher in den letzten Tagen die Überzeugung von den eigenen Projekten verlassen zu haben. Das Thema war couragiert, aber bleibt so zu abstrakt und schwer greifbar. Es hätte gut getan, dem Publikum Artefakte im Massstab 1:1 zu zeigen – auch wenn diese nicht über alle Zweifel erhaben gewesen wären. Denn sie hätten die Debatte um den architektonischen Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskirse wesentlich besser ankurbeln können. 

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