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Otto Bartning – Idealist und Kirchenbauer

Bis Mitte Juni leuchtet die Berliner Akademie der Künste in Zusammenarbeit mit der Wüstenrot Stiftung im Rahmen einer Ausstellung verschiedenste Facetten des Architekten und Theoretikers Otto Bartning aus. Erstmals stehen dafür originale Zeichnungen, Fotografien und Architekturmodelle aus seinem Nachlass zur Verfügung. Die Exponate zeigen Bartnings Einflüsse auf die Moderne und lassen sein reiches Schaffen – geprägt durch vier Epochen deutscher Geschichte – Revue passieren.

 

Text: Anne-Dorothée Herbort – 22.3.2017

Die Ausstellung in der Akademie der Künste in Berlin möchte mit einer tiefgründigen und umfassenden Werkschau alle Tätigkeitsbereiche Otto Bartnings durchleuchten. Als Schriftsteller, Theoretiker und Architekt der Avantgarde kehrte Bartning dem seinerzeit noch vorherrschenden Historismus radikal den Rücken und inspirierte durch eine spirituelle und expressionistische Formensprache mehrere Generationen deutscher Architekten.

 

Sozialist und Kirchenbauer
Ohne akademischen Abschluss, aber mit einem Rucksack voller Eindrücke – gesammelt auf einer Weltreise – begann er 1905 seine Suche nach einem «neuen Gesicht» der Architektur. Seit 1918 gehörte er zu den Protagonisten der Moderne. Als Mitglied im revolutionären Arbeitsrat für Kunst entwarf er Konzepte einer radikalen Studienreform für Künstler und Architekten, auf die sich Walter Gropius bei der Gründung des Staatlichen Bauhauses in Weimar abstützte.
Schon zu Beginn seiner Tätigkeit entwarf Bartning für protestantische Gemeinden in Österreich und Böhmen, die zur Los-von-Rom-Bewegung gehörten und aus Protest gegen die österreichische Politik eine Übertrittsbewegung von der katholischen in die evangelische Kirche ausgelöst hatten, expressionistische Kirchen und setzte einen deutlich sichtbaren Kontrapunkt in einer weitgehend katholisch geprägten Region. Sein wohl berühmtester Entwurf ist die Sternkirche von 1922, eine nicht ausgeführte Gestaltungsidee. Ihre bauliche und liturgische Disposition war revolutionär. Bahnbrechend war auch sein Notkirchenprogramm das er zusammen mit der evangelischen Kirche in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte. Bartning entwarf vier Typen von Montagebauten aus seriell herstellbaren Holzkonstruktionen, mit denen das überall verfügbare Trümmermaterial verbaut werden konnte.

 

Soziale Veranwortung übernehmen
Schon nach dem Ersten Weltkrieg zeigte Bartning soziale Verantwortung. In der jungen Weimarer Republik herrschte katastrophale Wohnungsnot. Gemeinsam mit prominenten Vertretern des Neuen Bauens wie Walter Gropius, Bruno Taut und Hans Scharoun entwickelte und erprobte Otto Bartning Bautechniken, Materialien und Grundrisse für einen sozialen Wohnungsbau. Durch Typisierung, Normierung und Rationalisierung der Produktionsprozesse sollte sich eine neue Baukultur etablieren.
Gegen Ende seiner Schaffenszeit war Otto Bartning als Berater für die städtebauliche Entwicklung West Berlins tätig. Auch bei der Internationalen Bauausstellung Interbau 1957 nahm er als Moderator und Organisator eine zentrale Rolle ein. Für diese Ausstellung experimentierten im Berliner Hansaviertel bekannte Architekten wie etwa Oskar Niemeyer, Alvar Aalto, Walter Gropius und Egon Eiermann mit wegweisenden Wohn- und Gemeinschaftsbauten und entwickelten neuartige Bautypen und Wohnformen.
Obwohl Otto Bartning innerhalb des Neuen Bauens als moderat wahrgenommen wurde, soll er durch seine hohen moralischen Ansprüche und die Übernahme sozialer Verantwortung vielen Architekten eine herausragende Identifikations- und Integrationsfigur gewesen sein.

 

Die Ausstellung ist vom 31.3 – 18.6.2017 in der
 Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin zu sehen.

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