Mutig, mutig
Gut fünf Jahre leitete Hubertus Adam das S AM Schweizerisches Architekturmuseum. Auf ihn folgte Andreas Ruby, der ab 2015 für weitere zehn Jahre das Amt übernahm. Ab 2026 wird es nun einen neuen Direktor geben. Im Folgenden äussert sich Hubertus Adam zu dieser Wahl.
Text: Hubertus Adam, 28. Oktober 2025
Dilettantismus ist nichts grundsätzlich Negatives. So wie es die englische Society of Dilettanti lehrt. Dilettanti, das waren die Liebhaber, die für eine Sache brannten. So wie die Gründer des heutigen S AM Schweizerisches Architekturmuseum. 1984 eröffnete die neue Institution im Domushaus in der Basler Innenstadt: weil die Architektur am Rheinknie in dieser Zeit einen Aufschwung erlebte und es eines Orts des Austauschs und der Selbstvergewisserung bedurfte. Aber wie verstetigt man Leidenschaft?
Das Problem, welches das S AM wie einen Ballast mit sich schleppt, wurzelt im Jahr 2004. In diesem Jahr bezog die Institution neue Räumlichkeiten im Steinenberg 7, also im Haus der Kunsthalle. Und etwas später war aus dem einstigen AM, dem Architekturmuseum Basel, das S AM, das Schweizerische Architekturmuseum, geworden. Eigentlich war ja schon der Begriff «Museum» für eine Institution ohne Sammlung etwas anmassend gewählt. Nun aber ernannte man sich zur gesamtschweizerischen Architekturinstitution schlechthin – ein Anspruch, an dem jede*r Direktor*in seither scheitern musste. Das Sendungsbewusstsein des Stiftungsrats war stets gigantisch – doch die finanziellen Mittel blieben gering.
Francesca Ferguson als aus Berlin berufene Leiterin reagierte mit einem ambitionierten Programm auf die Forderungen, hinterliess am Ende ihrer Amtszeit aber einen nicht unerheblichen Berg an Schulden. Der Stiftungsrat hatte ihr Programm abgesegnet und war damit mindestens gleichermassen verantwortlich für das finanzielle Desaster. Selbstkritik? Fehlanzeige.
Während meiner Amtszeit ging es darum, die gebeutelte Institution zu stabilisieren. Was auch gelang. Nach fünf Jahren wünschte sich der Stiftungsrat Erneuerung. Am Anfang habe ich das seitens meiner Arbeitgeber wie einen Schlag ins Gesicht empfunden, aber ich muss gestehen: Ich war auch befreit ohne S AM.
In den fast zehn Jahren, die Andreas Ruby das Museum seither leitet, ist er dem Anspruch einer über Basel hinaus ausstrahlenden Institution zweifelsohne näher gekommen. Unter Andreas haben sich die Zahlen der Besucher*innen deutlich gesteigert, er hat mit attraktiven Ausstellungen das Museum zur architekturaffinen Öffentlichkeit hin geöffnet – und es ist ihm auch gelungen, zusätzliche finanzielle Mittel einzuwerben. Ein Erfolg. Doch offenkundig reicht es mal wieder nicht. Wiederum schallt der Ruf nach Erneuerung. Und nun soll es Adam Szymczyk richten. Adam kehrt damit sozusagen an seine einstige Wirkungsstätte zurück. Der 1970 geborene polnische Kunsthistoriker und Kurator leitete zwischen 2003 und 2014 die Kunsthalle Basel, in deren Haus sich eben auch das S AM befindet. Mit seinen intellektuell avancierten und minimalistischen Ausstellungen prägte er das Profil der Institution, bevor er zum Leiter der documenta 14 berufen wurde, die auf seine Initiative 2017 nicht nur in Kassel, sondern auch in Athen stattfand. Ich habe die charakteristischen Ausstellungen von Adam geschätzt, sie polarisierten aber auch, da manche Besucher*innen sie als eher hermetisch und unsinnlich empfanden.
Die Leitung des S AM einem Kurator zu übertragen, der als herausragender Kenner der zeitgenössischen Kunst, aber nicht der Architekturszene gilt, ist mutig. Die Besonderheit des S AM besteht darin, dass die kontinuierliche Finanzierung über die Architektenschaft selbst erfolgt. Wie Adam Szymczyk sein Programm kuratiert, darauf ist man gespannt. Die Aufgabe ist nicht leicht: Man darf die Mitglieder des Museums nicht verprellen. Und muss eigentlich auch selbst noch für die zusätzlichen finanziellen Mittel sorgen.
Architektur auszustellen ist eine Herausforderung. Während bei Kunstausstellungen die Kunst sich in der Ausstellung befindet, ist man in Architekturausstellungen auf Verweismedien angewiesen: auf Modelle, Skizzen, Zeichnungen, Pläne, Fotos. Das sinnliche Erleben der Architektur findet anderenorts statt. Das macht Architekturausstellungen auch immer etwas langweilig. Eine der Möglichkeiten, dieser Problematik zu entrinnen, besteht darin, Architekturausstellungen selbst wie Kunstausstellungen zu konzipieren – eine Strategie, die Fredi Fischli und Niels Olsen mit gta exhibtions in Zürich verfolgen. Das kann mal brillant funktionieren, während es mal hingegen komplett danebengeht. Im akademischen Kontext der ETH ist es gleichwohl eine valable Möglichkeit. Ob derlei Konzepte aber bei einer fragilen Institution wie dem S AM funktionieren kann, bleibt abzuwarten. Wenn der Stiftungsrat den Mut zu einem Richtungswechsel aufbringt, müsste er dafür allerdings das Fundament schaffen. In dieser Hinsicht allerdings bleiben Zweifel. Denn seit jeher ist das Gremium überproportional mit Architekt*innen besetzt, die zwar als Universaldilettant*innen zu allem eine Meinung haben, aber relativ wenig von der Institution Museum verstehen. Und leider ebenfalls wenig von Fundraising und Finanzierung. Manchmal rächt sich Dilettantismus auch.

