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Making-of

 Incidental Space ist einer der Publikumsmagneten der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig, die ihre Tore noch bis zum 27. November geöffnet hat. Als begehbares Gemeinschaftskunstwerk setzt sich der von Christian Kerez gestaltete Schweizer Beitrag thematisch deutlich von vielen anderen ab, die Alejandro Aravenas «Reporting From the Front» soziopolitisch auffassen. Doch wie wurde die faszinierende Raumskulptur hergestellt? Eine Ausstellung in der Haupthalle der ETH Zürich-Zentrum gewährte am 26. Oktober spannende Einblicke.

 

Text & Bilder: Manuel Pestalozzi – 5.10.2016

 

Es gab Zeiten, in denen das Wort «Spielerei» unter Architekturschaffenden überaus negativ konnotiert war. Frivolem Treiben wollte man sich im Zusammenhang mit der Entwurfstätigkeit partout nicht hingeben – zu ernst stand es um die Welt und zu wichtig waren die Aufgaben, denen sich der Berufsstand widmen musste. Incidental Space macht glauben, dass diese Zeiten vorbei sind und der totaldigitalisierte Nachwuchs beim Umgang mit Luftschlössern keine Berührungsangst hat. Die Installation in Venedig, entstanden unter der Federführung von Christian Kerez, kommt als wilde, monolithische Wucherung von erstarrter Substanz daher. Sie formt Höhlen, Schründe und Drusen. Die Raumbildung ist nicht zufällig, was man ins Englische mit «accidental» übersetzen würde, sondern Ausdruck des Willens der Autorinnen des Werks, also «incidental».

Die Ausstellung in der Haupthalle des ETH-Zentrums geht der dieser sukzessiven Willensbildung auf den Grund: Hellblaue Textilbahnen trennen den zentralen Hallenbereich in zwei Räume. Im grösseren, nach oben offenen präsentieren sechs verschiedene Lehrstühle der Architekturabteilung der ETH ihren Beitrag zum Endprodukt, bevor seine Einzelteile in die Lagunenstadt verfrachtet und dort in die fugenlose Vollendung überführt wurden. In respektvollem Abstand angeordnete Präsentationstische zeigen Modelle, Materialproben, auf den meisten stehen auch Flachbildschirme. Fotos und Animationen zeigen den Entwurfs- und Fertigungsprozess. Der essenzielle Anteil der digitalen Instrumente und auch der exakten Planung – statische Kraftakte inklusive – am Gelingen des Werks tritt dabei deutlich zutage.

Der geschlossene, kleinere Raum der Schau erhielt einen hellblauen Baldachin und bildet mithin ihr Allerheiligstes. Er enthält eine Rauminstallation, bestehend aus kleinen Gipsmodellen, Materialproben, einer 1:1-Sektion aus Styropor und einem Mock-up aus Holzplatten. Sie dokumentiert die definitive Formfindung und den Prozess, den die Willensbildung begleitete. Die Sinnesorgane und der Verstand spielten hier offenbar jenseits des digitalen Universums die Hauptrolle.

Die Schau, organisiert von der Ausstellungsabteilung des Instituts gta, ist noch bis zum 26. Oktober zu sehen; der Eintritt ist frei.

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