Kunst in der Kriminalabteilung
Kunst und Bau: Adam Szymczyk bespielt den Neubau von Penzel Valier
Der Neubau für die Kriminalabteilung der Stadt Zürich von Penzel Valier ist fertiggestellt. Bevor der Bau seiner endgültigen Nutzung nachkommen wird, ist er für die Öffentlichkeit vier Tage lang zugänglich.
Auf zwei Stockwerken bespielt der Kurator Adam Szymczyk Zellen und Gänge, einen Identifikationsraum und das schachtartige Atrium des Gebäudes. Die Arbeiten der Künstler*innen aus der Schweiz, Schottland, Rumänien, der Türkei und dem Irak wurden speziell für den Bau am Mühleweg hergestellt.
Text: Carla Wirsching – 7.11.2021
Wie Ausstellen in einer Arrestzelle? Einen Ort von Menschen durchströmen zu lassen, in dem eine freie, selbstbestimmte Bewegung normalerweise unterbunden wird. Einen allein durch seine Funktion und die Gegebenheit der Situation ohnehin beklemmenden Raum zu nutzen. Die Schwere und Kargheit des Gebäudes herauszuarbeiten und durch Kunstwerke zu betonen.
«Mache ich mich durch meine Arbeit mit dieser speziellen Institution zur Komplizin?», hat sich die in Ankara geborene und in Istanbul arbeitende Künstlerin Banu Cennetoğlu in diesem Zusammenhang gefragt. Ihre Arbeit für das Kriminal-Gebäude bezieht die partizipierenden Künstler*innen wie auch die Kriminalbeamt*innen ein. Eine versöhnliche Arbeit mit dem Gedanken, Entschuldigungen an die jeweils andere Seite zu schicken. Sie bat alle Beteiligten des Projektes, das Wort «Entschuldigung» auf ein Stück Papier zu schreiben und ihr nach Istanbul zu senden. Mit akribischer Genauigkeit wurde dort die Handschrift der jeweiligen Person auf eine Zinkplatte übertragen. Diese hängen nun im Zuge der Ausstellung in den Gängen der Kriminalabteilung. Die Entschuldigungen blieben dabei unverändert, stehen für Vergangenes sowie noch Kommendes, «falls sie in der Gegenwart nichts haben, wofür sie sich entschuldigen wollen».
Die Verdächtigen und Täter*innen jedoch, die das Gebäude in der Zukunft unfreiwillig betreten müssen, werden diese Entschuldigungen nicht zu sehen bekommen: Die Ausstellung wird nach Ablauf der vier Tage wieder abgebaut. Einzig Fotografien, die Melanie Hoffmann während des Prozesses und der Ausstellung erstellt hat, werden im Siebdruckverfahren dauerhaft mit dem Bau verbunden sein – so zumindest die Theorie. Diese wären dann exklusiv den Nutzer*innen des Gebäudes vorbehalten.
Die ebenfalls türkischstämmige Journalistin und Künstlerin Zehra Doğan widmete sich in ihrer Arbeit dem Blick der Wärter*innen – und Ausstellungsbesuchenden – auf die Inhaftierten. Hey soldier; you can´t make strip search. I´m already naked heisst ihre zweiteilige Arbeit. Die Zellen, in denen ihre Installation stattfindet, sind leer. Die Arbeit wird erst durch den Spion sichtbar. Durch das erste Guckloch sieht man Haft-Unterwäsche, die wie durch Geisterhand im Raum zu schweben scheint. Doğan selbst trug diese während der drei Jahre, in denen sie für ein Gemälde, das sie von der kurdischen Stadt Nusaybin anfertigte, inhaftiert war. Der Blick durch das zweite Guckloch zeigt einen Mann, der unter den Befehlen eines Wächters einer Leibesvisitation unterzogen wird. Der oder dem Betrachtenden kommt die unangenehme Erkenntnis, eine Person zu beobachten, die völlig entblösst, wie «eine Tasche durchsucht» wird. Doğan spricht über die Demütigung des Körpers bis zur Objektifizierung der Person. Die Durchsuchung macht in ihren Augen sichtbar, dass die Intimität der Insassen Eigentum des Staates ist.
Auch Hiwa K, dessen Arbeiten Adam Szymczyk bereits im Rahmen der documenta 14 in Kassel ausstellte, gibt Einblicke in das Verhältnis zwischen den Bewohner*innen und der Exekutive in seiner Heimatstadt Sulaimaniyya im kurdischen Teil Iraks. Eine Videoinstallation zeigt eine Reihe von Interviews sowie eine 1400 Meter langen Seilspannung zwischen dem Gefängnis, seinem Elternhaus und seiner ehemaligen Schule.
Das Gebäude selbst präsentiert den idealen Ausstellungsraum – sofern dieser überhaupt existiert. Er nimmt sich zurück; zusammengefügt aus nur wenigen Materialien: dem Metall sanitärer Anlagen, dem Schwarz des gegossenen Bodens, schweren schimmernden Türen und an den Kanten abgerundeter Sichtbeton. Die Wände und sämtliche Zellen-Möbeln wurden betoniert. Der Raum verstärkt sowohl die Vorstellungen des Kommenden als auch die Erzählungen, die die Kunstwerke hier aufspannen. Die Räume funktionieren als Ausstellungsräume. Fraglich jedoch ist, ob auch die Menschen, die hier täglich arbeiten werden und jene die hier darauf warten, wo ihr weiterer Weg sie hinführt, sich ebenso über diesen kompromisslosen und schwer veränderbaren Bau freuen werden wie der Kurator.
Am Ausgang mahnen die Worte des römischen Rechts: «Gehört werde auch die andere Seite». David Harding liess sie hier fünfsprachig und fürs Erste aus Kupferblättern anbringen.
Falls Sie die vielleicht einmalige Möglichkeit ergreifen möchten, aus freien Stücken die Kriminalabteilung mit ihren 12 Haftzellen zu besuchen, haben Sie dazu noch am heutigen Sonntag die Gelegenheit. Danach schliesst das Haus für die Öffentlichkeit seine Türen. Wir sagen: Es lohnt sich. Denn künstlerisch wie auch architektonisch bietet das neue Haus für die Kriminalabteilung Zürichs viel Raum für Interpretation und Auseinandersetzung.
> Über das Spannungsfeld zwischen Aufregung und Langeweile brachte archithese 2014 eine Ausgabe.