Kompetenz und Komplexität
Noch immer scheint die Schweizer Bauwirtschaft mit der Digitalisierung zu hadern. Deshalb ist Veranstaltungen zum Thema stets grosse Aufmerksamkeit sicher. Der Anlass von Bauen digital Schweiz zum Thema Gebäudetechnik unter dem Titel «Gebäudetechnik digital und modular – Mehrwert und Nutzen» war entsprechend gut besucht.
Text & Bilder: Manuel Pestalozzi – 29.3.2017
Vielleicht war für das grosse Publikumsinteresse auch ein wenig der Lockvogel NEST verantwortlich. Vor dem Anlass hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, sich an einer Führung durch dieses Plug-In-Forschungsgebäude auf dem Empa-Areal zu beteiligen. Mehrere der in die Grundstruktur eingefügten Projekte liessen sich besuchen, so der Office Space «meet2create» oder die kleine, von echten Studierenden bewohnte Mini-WG in der «Vision Wood».
Die Referate in der benachbarten Empa Academy zeugten anschliessend von den Bemühungen, die Visionen einer vollkommen digitalisierten Zukunft der Bau- mit dem Alltag der Planungsbranche zu verknüpfen. Alar Jost von Bauen digital Schweiz stellte nochmal den Stufenplan seiner Organisation vor, welcher in vier Abschnitten eine «Connectivity & KI», das heisst Vernetzung und den Einsatz künstlicher Intelligenz im Bauprozess, bringen soll. Hinsichtlich der Durchgängigkeit quer durch die Wertschöpfungskette sei die Schweizer Planungs- und Bauwirtschaft noch auf Stufe 0, erinnerte er. Grosse Herausforderungen sieht er noch in den Themenkreisen Wissen, Kultur und Technologie zu meistern.
Hilfsmittel oder Kommunikationsbasis?
Ist die Digitalisierung ein Hilfsmittel und eine Methodik, welche dem bestehenden Betrieb aufgepfropft wird und lediglich die Wirkung von Schmieröl hat? Diese Frage mag manche der Anwesenden umgetrieben haben. Auf dem Podium wurde derweil von der Beherrschbarmachung der Komplexität und der Dezentralität auf der Baustelle gesprochen. Die Erkenntnis musste sich im Publikum breit machen, dass das vorrangigste Anliegen in der Sache das Schaffen einer Kommunikationsbasis ist. Diese sollte es möglich machen, dass man sich mit digitalen Übermittlungsmethoden schneller und besser verständigt und dem Empfänger Botschaften mundgerecht zustellt.
Reduktion von Komplexität
Ein wichtiges Thema der Veranstaltung war die in ihrem Titel enthaltene Modularität von Baustrukturen. Nicht zum ersten Mal in der Baugeschichte herrscht auch in unseren Zeiten der digitalen Revolution wieder die Hoffnung, dass sich Häuser wie Autos oder Maschinen als Summe von wohl geordneten, eindeutig kategorisierbaren Teilen aufdröseln lassen. Davon erhofft man sich eine Reduktion der Details, ein systematischeres Vorgehen, Zeit- und Kostenersparnisse und eine einfachere Verständigung, weil sich beispielsweise BIM-Inhalte abstrahieren lassen.
Traditionelle Berufe auf dem Abstellgleis
Letztlich stand die Frage im Raum, ob es, sollte einer umfassenden Modularität im Bauwesen dieses Mal der Durchbruch gelingen, Planungsbüros im herkömmlichen Sinne überhaupt noch braucht. Volkmar Hovestadt, Geschäftsführer digitales Bauen, berichtete von einem Forschungsprojekt der Firma Hilti, das es Geräten der Firma ermöglichen soll, die günstigen Bohrlöcher dank digitalen Informationen gleich von selbst zu finden. Das Thema des Bedeutungsverlusts bestehender, traditioneller Berufsgruppen darf bei der Digitalisierungsdebatte nicht aus den Augen verloren werden.