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Klangarchitektur

In Basel spielten Musikstudenten in einem brutalistischen Schulgebäude auf. Improvisierte Klänge intensivierten dabei das Raumerlebnis und verbanden sich mit der Architektur. Solch stimulierende Konzerte sind bis zum 24. September 2017 an der Biennale für Neue Musik und Architektur zu erleben.

 

Text: Cyrill Schmidiger – 22.9.2017

 

Packendes Raum-Zeit-Klang-Erlebnis
Niemand blieb sitzen: Das 35-minütige Konzert mit den vier Sets (ein Ensemble mit Gitarre, Posaune, Trompete, Cello und Violoncello sowie drei Soloimprovisationen mit Gitarre, Klarinette und Querflöte) musste sich das Publikum erlaufen. Dabei erlebte es vom Foyer bis zur Dachterrasse der Schule eine architektonisch-musikalische Reise, bei der die beiden Kunstformen laufend in einen abwechslungsreichen wie spannenden Dialog traten. Beim Flanieren zeigte sich rasch, dass die experimentellen, stilistisch nicht zu definierenden Klangwelten eindrucksvoll mit dem Wesen des brutalistischen Baus korrespondierten. Rau und grob, improvisiert und direkt oder fragmentarisch und offen – das sind Adjektive, die sowohl die Neue Musik als auch die 1961 von Hermann Baur entworfene Architektur bestimmten. Das mehrteilige Konzert verband jene Essenzen intelligent zu einer spektakulären audiovisuellen Performance – die prozesshafte und freie, unnotierte Musik fand ihr Echo im dynamischen Raumerlebnis, das ungewohnte Perspektiven auf architektonische Formen, naturbelassene Materialien und unkaschierte Konstruktionen erlaubte. So vor allem im Treppenhaus, wo während der musikalischen Darbietung die Abendsonne die Schalungsspuren und Ritzen des Sichtbetons illuminierte und majestätisch in Szene setzte.

 

Tranceartiges Kunstprojekt
Der experimentelle Sound mit den tiefen, verzerrten oder lose verflochtenen Tönen intensivierte das ästhetische Seherlebnis und umgekehrt. Ausserdem spornte es die Fantasie an: Mehrmals kreierte diese Kombination Situationen, die an geologische Formationen, tektonische Prozesse oder imposante Naturkräfte erinnerten. Gerade die atmosphärischen Vibrationen der Instrumente imitierten die reizvollen Strukturen der Materialien.
Das unkonventionelle Konzert spielte auch mit der Akustik: Insbesondere bei den solistischen Interpretationen (Gitarre, Klarinette, Querflöte), die bei oder auf einer Terrasse stattfanden, konnte das Publikum die Musik je nach räumlicher Position anders wahrnehmen. Ob eher matt und dumpf oder doch lieber laut und scharf – das entschieden die rund 40 neugierigen Gäste jeweils selbst durch die Wahl ihres Standpunktes.

 

Die sogenannten Gitterimprovisationen sind eine gemeinsame Produktion der Musik-Akademie Basel, FHNW Hochschule für Musik, Schule für Gestaltung und Allgemeine Gewerbeschule Basel in Kooperation mit ZeitRäume Basel – Biennale für Neue Musik und Architektur. Weitere Gitterimprovisationen finden bis zum 24. September 2017 in der Allgemeinen Gewerbeschule / Schule für Gestaltung statt. Das umfangreiche Programm der Biennale finden Sie hier.

 

> Architektur ist ein Erlebnis für alle Sinne. Mehr dazu lesen Sie in archithese 3.2001 Architektur für die Sinne.

> Mehr zum Zusammenhang von Ton und Raum finden Sie in archithese 6.2008 Ton und Raum.

> Axel Sowa verfasste für archithese 6.2015 Tradition I Adaption I Innovation einen Essay über die Architektur grosser Konzertsäle.

> In archithese 1.2017 lesen Sie einen Essay von Chefredaktor Jørg Himmelreich zur Elbphilharmonie in Hamburg von Herzog & de Meuron.

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