Italien: über alle, die nicht Rossi heissen
Das italienische Netzwerk der zeitgenössischen Architektur
Zwischen Stasis und der Faszination an den neuen Möglichkeiten der digitalen Welt hat sich in Italien im Schatten der Krise und des gebauten architektonischen Objektes eine vielschichtige Welt architektonischer Ausdrucksformen entwickelt. Während die offiziellen Strukturen kaum Innovation erlauben, arbeiten Individualisten und Kollektive an alternativen Modellen für die Architekur und deren Vermittlung, beleben damit nicht nur die soziale Dimension der Architektur, sondern entdecken auch die Kraft der künstlerischen Darstellung wieder.
Autor*innen: Luca Molinari & Rossella Ferorelli – erschienen in archithese 2.2014 Bündnisse, S. 24–29.
Übersetzung: Paula Strunden & Hannes Mayer
Der Versuch, das komplexe Gefüge von Netzwerken und Beziehungen innerhalb der zeitgenössischen italienischen Architekturkultur kritisch zu untersuchen, ähnelt dem Unterfangen, sich mit einem Paddelboot zwischen den schätzungsweise 18 306 Inseln Indonesiens zurechtzufinden. Das liegt an der zunehmenden Spezialisierung des beruflichen Tätigkeitsfeldes seit der Nachkriegszeit. Dieser Prozess hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten durch weitere Fragmentierungen beschleunigt und drückt sich derzeit in einer Vielzahl unbestimmter und fliessender Verhältnisse aus. Durch die Erfolgsgeschichte des Internets samt der gleichzeitigen zunehmenden Schwächung der klassischen Beziehungsknoten, welche Universitäten und die Redaktionen der Architekturzeitschriften bildeten, ist eine unstrukturierte und rastlose Szene entstanden. Dennoch lohnt sich eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation, denn aus ihrer derzeitigen Unbestimmtheit könnten interessante Entwicklungen entstehen.
Die hier beschriebene Momentaufnahme zeigt eines der vielen fragilen Bilder, die für ein Land stehen, das von widersprüchlichen, ja schizophrenen Emotionen und Slogans durchzogen ist. Ein Land, das gleichzeitig befallen ist von Enttäuschung und Wut, von der lähmenden Krise, aber auch dem Drängen nach Veränderung; das am resistenten Status quo und unter der Trägheit desillusionierter junger Generationen leidet – aber auch das Potenzial weit verbreiteter Kreativität in sich birgt. Was ergibt sich daraus für die Architektur? Ist es nicht ihr eigentliches Ziel, der Gegenwart Form und Bild zu verleihen? Andererseits gab es nur sehr wenige historische Momente, in denen die westliche Architektur über die ausreichende Stärke verfügte, eine kraftvolle Vision für die Zukunft zu skizzieren. Fürs Erste sieht es nicht danach aus, als durchlebten wir gerade eine solche Phase.
Vergangene Ordnung
Die italienische Architekturszene war im letzten Jahrhundert – mit Ausnahme der Sechzigerjahre – von engen Beziehungen zwischen klar definierten Bereichen gekennzeichnet, zu denen die Universitäten, die Zeitschriften und streckenweise einige Kulturinstitutionen gehörten. Mit Leichtigkeit konnte man eine eindeutige Karte der Beziehungen zwischen diesen Welten zeichnen: Es genügte, die Namen der Personen in den wissenschaftlichen Beiräten und Redaktionen der grossen Architekturmagazine der italienischen Nachkriegszeit (wie Casabella Continuità, domus, Architettura cronache e storia, Zodiac und Urbanistica) mit den Lenkungsausschüssen der Triennale di Milano, der Edizioni di Comunità, der Biennale di Venezia, von MSA und APAO sowie mit den Institutsvorständen für Architekturentwurf, Architekturgeschichte und Städtebau der grossen italienischen Architekturfakultäten zu vergleichen. Dieses Zusammenspiel definierte die Debatte und Forschung in Italien und schuf eine Identität mit klarem Profil, die zur Grundlage des internationalen Renommees von italienischem Design und italienischer Architektur wurde. Die einzigen Beiträge, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus diesem Rahmen fielen, stammten von wenigen «Radikalen», die nach alternativen Arbeitsweisen suchten. Hier wäre die Entstehung der Domus Academy unter der Leitung von Andrea Branzi wie auch Gruppierungen von Alchemy bis Memphis zu nennen, die einen starken Einfluss auf die Entwicklung des italienischen Designs ausübten. Ein weiterer wichtiger Beitrag war die Vollendung des Centre Pompidou Ende der Siebzigerjahre, die Renzo Piano als imposante Figur – gekennzeichnet von einer bis dato unbekannten internationalen Professionalität und einer gesteigerten Sensibilität für die Umwelt – auf die Bühne hob.1
Neue Köpfe
Um die Jahrtausendwende vollzog sich in der italienischen Architekturwelt ein tief greifender Wandel. Neue Protagonisten traten auf, aber auch die Medien, die für die Förderung und Verbreitung neuer Inhalte genutzt wurden, veränderten sich. In diesem Kontext begann der wirtschaftliche Abstieg der klassischen Printmedien. Er äusserte sich in Druckauflagen, die für die meisten etablierten Zeitschriften zehn Jahre zuvor noch undenkbar gewesen wären.
Unter diesen Bedingungen konnten unterschiedliche Gruppierungen – in Teilen befreit von den Fesseln, welche ihnen die moderne Kultur der italienischen Nachkriegszeit angelegt hatte – aufeinandertreffen und die vielschichtige Realität des kulturellen Wandels zum Ausdruck bringen. Aber auch in den etablierten Institutionen – den Universitäten und den Redaktionen der Architekturzeitschriften – vollzog sich Ende der Neunzigerjahre ein natürlicher Generationswechsel. Eine ganze Reihe neuer Autoren kündigte sich an. Diese «giovani leoni» der italienischen Architektur, deren primäres Bestreben es war, abgenutzte kulturelle und stilistische Paradigmen zu aktualisieren und damit Anschluss an die aktuellen Debatten in Europa und Nordamerika zu finden, entwickelten das Konzept des «Villards» – das erste internationale «nomadische» Doktorat, das auf der Idee eines flexiblen und offenen Wissensnetzwerks aufbaut. Heute sind die Gründer Alberto Ferlenga und Pippo Ciorra nicht mehr allein Hauptakteure von Villard, sondern leiten zusätzlich akademische und institutionelle Einrichtungen mit klaren kulturellen Zielen: Ferlenga ist Direktor des PhD-Programms der IUAV Venedig und war Kurator der Triennale von Mailand, Ciorra ist für die Architekturabteilung des MAXXI in Rom verantwortlich. Auch wenn es in beiden Fällen noch zu früh ist, über ihren Einfluss zu urteilen, ist ihre zentrale politische Stellung unumstritten.
Einige Autoren wie Mosè Ricci, Carmen Andriani, Massimo Ilardi, Marco Navarra und Cherubino Gambardella zogen als Wirkungsstätte eine der zahlreichen neu gegründeten Architekturfakultäten an den Universitäten der Provinzen wie Pescara, Ascoli Piceno, Aversa und Siracusa einer traditionsreichen Einrichtung vor, wodurch interessante Debatten an einst als kulturell marginal angesehenen Orten entstanden.
Mirko Zardini wiederum wählte einen anderen Weg: Seit einigen Jahren Direktor des CCA in Montreal, hat er – weit weg von Italien – eine intellektuell anspruchsvolle Position eingenommen und diese scharfsichtig ausgefüllt. Im engen Austausch mit einigen der interessantesten Protagonisten der aktuellen Debatten hat er das kanadische Institut zu einem der wenigen unabhängigen Orte gemacht, an denen tief gehende und übergreifende Forschung möglich ist.
Wieder andere Autoren folgen selbstdefinierten Bahnen, so zum Beispiel Stefano Boeri. Zunächst mit der Gründung des Forschungsprojektes Multiplicity, das seine Heimat an der Politecnico di Milano fand, dann als Chefredakteur von domus und Abitare und schliesslich durch seine politischen Aktionen beeinflusste er das Entstehen einer neuen Generation von Designern und Intellektuellen. Hier wären die Gruppen Temporiuso, Baukuh und Salotto Buono zu nennen.
Ebenfalls in Mailand hat sich Cino Zucchi zu einem der wichtigsten Entwerfer seiner Generation entwickelt. Er hat die Charakteristika eines modernen italienischen Stils geschaffen, den viele Architekten – insbesondere im Wohnungsbau – in ihre Praxis übernahmen. Seine Ernennung zum diesjährigen Kurator des italienischen Pavillons für die Architekturbiennale in Venedig hat schon jetzt viel Interesse geweckt, da sich von ihm ein ungewöhnlicher Blick erwarten lässt.
Der Aufstieg einer alternativen Praxis
Ein erstes Feld für Recherchen und Experimente ist eng mit dem Aufkommen digitaler Technologien und dem Wunsch verknüpft, aktiver Teil des internationalen Austauschs zwischen Europa und Nordamerika zu werden. Nach der Lancierung von Arch’it, dem ersten italienischen Onlinemagazin, durch Marco Brizzi im Jahr 1995, nahm die Zahl neuer Kommunikationskanäle rasant zu – und damit auch die Möglichkeiten zur Diskussion. Rom entwickelte sich zu einem Schlüsselort. Protagonisten wie Luigi Prestinenza Puglisi, Antonino Saggio, Luisa Palumbo und Furio Barzon hinterfragten durch ihre Praxis, die sich auf die Wege medialer Verbreitung von Architektur konzentrierte, die Möglichkeiten und den Einsatz redaktioneller Werkzeuge. Unterstützt wurden sie durch Gruppen wie IaN+, 2A+P/A und ma0. Diese Gruppierungen gehören zu einer Reihe von Kollektiven, die – jünger als die Generation, welche im Dunst von ’68 ihr Selbstverständnis erlangte – durch die Studentenproteste der Pantera-Bewegung in Rom im Winter 1989/1990 zu einer Selbstreflexion gefunden hatten. Hier knüpft auch die Strategie von Stalker/Osservatorio Nomade an: Sie befassen sich in ihren Recherchen mit der Peripherie der Grossstädte und orientieren sich in ihrer Arbeitsweise sowohl am politischen Engagement der Situationisten als auch an den sogenannten Radikalen. Dabei überschneidet sich ihr Fokus mit dem von Sciatto produzie in Rom, Cliostraat in Turin und A12 in Genua. Im Zentrum steht bei ihnen allen die Erforschung des vernachlässigten Raums und die Verwendung hybrider interdisziplinärer Werkzeuge. Alle vier Gruppen rücken die Auseinandersetzung mit politisch relevanten Themen in den Mittelpunkt und agieren in engem Austausch mit sozial benachteiligten Gruppen. Im Erfolg ihrer aktivistischen Praxis zeigt sich dann auch eine tiefe Krise jener Werkzeuge, die früher die traditionellen und alleinigen Mittel der investigativen und praktischen Aktionen im urbanen Raum waren, und gleichsam wird offenbar, wie notwendig eine strukturelle Reform der analytischen Methoden der architektonischen und urbanen Kultur geworden ist.
Auch wenn viele dieser Experimente rasch in eher konventionelle Bürostrukturen zurückfielen, stellen sie einen – wenn auch kurzen, so doch äusserst intensiven und bedeutungsvollen – Moment in der jüngsten Architekturgeschichte Italiens dar. Sie vermochten es, einen Ausdruck für die tief greifenden Veränderungen in der Architektur zu finden und dabei die Bedeutung der Architektur für den sozialen und politischen Wandel hervorzuheben.
Die Rückkehr zur künstlerischen Tätigkeit
Eine kritische Auseinandersetzung mit den noch laufenden Prozessen der letzten Jahre ist riskant. Ohne Zweifel steht die Arbeitswelt von heute an einem ganz anderen Punkt als noch vor der grossen Finanzkrise, die auf Italiens Architekturwelt wahrscheinlich stärkere Auswirkungen hatte als anderswo – mit der Ausnahme Spaniens. Aus diesem Grund mussten die Versuche jener, die den Zustand der Profession allein durch gebaute Projekte zu erläutern versuchten, immer mit den Auswirkungen der Krise – der gedämpften Bauproduktion wie auch den Verordnungen zur Verringerung der Flächenversiegelung und der Förderung des Bauens im Bestand – kollidieren. Unternähme man dennoch den Versuch, die Architektur im Italien der letzten Jahre anhand dieser «minimalen» Objekte zu beschreiben, die meist in dichten urbanen Räumen entstanden sind – das Ergebnis wäre bescheiden; Abbild einer zögerlichen Baukultur.
Deutlicher hingegen ist, dass die klassischen ökonomischen und kulturellen Modelle, die das Erbe der Architekturprofession darstellen, eine schwere Zeit durchlaufen – möglicherweise ohne je wieder ihre einstige Position einzunehmen. So ist es wichtig, einige Entwicklungen, die vielleicht mehr aus Notwendigkeit denn aus Tugend entstanden sind, zu betrachten. Nicht nur, um die Identität der jetzigen Generation an sich zu definieren, sondern um Phänomene, die in der italienischen Architekturgeschichte vollkommen neu sind, zu identifizieren. Obwohl die Kategorisierung angesichts der Heterogenität der Arbeiten schwerfällt, lassen sich zwei Aspekte nennen, die im Zentrum der Beschäftigung stehen: zum einen die neuen Geschäftsmodelle, welche Architekten (insbesondere als Kollektive) entwickeln, um der fast alles durchdringenden Krise zu begegnen, und zum anderen die neuen Pfade, auf denen die Architekturkritik ihre eigene Existenz in Zeiten des Informationsüberflusses zu legitimieren sucht.
Kommen wir zum ersten Aspekt: Fortlaufend bilden sich neue Architektenkollektive, die – auch wenn sie teilweise das soziale Engagement und den multidisziplinären Ansatz der vorherigen Generation von Aktivisten wie Stalker tei- len – eine eigene Herangehensweise verfolgen, die Pragmatismus, Utilitarismus und Desillusionierung mit visionären Ideen vermengt. Sie stossen damit an die finale Absurdität «der Profession (im religiösen Sinne), einer Profession (im tätigen Sinne)» – an etwas, das jenseits realistischer Wirtschaftlichkeit, ersehnt und geliebt wird. In anderen Worten: Auf der einen Seite herrscht das Paradox, dass die Flucht in Freiwilligenarbeit und die Non-Profit-Sektor-Logik die einzige Möglichkeit ist, einen (fast unbezahlten) Job auszuüben. Auf der anderen Seite besteht die gegenteilige Option eines nachhaltigen Wirtschaftens, die allerdings nur durch eine extreme Diversifikation von Fähigkeiten erreicht werden kann und auf diese Weise jegliche Bestrebung nach Kohärenz im eigenen Werk gefährdet. Dabei besteht jedoch die Hoffnung, dass diese Entwicklung zu einem langersehnten Abbau hinfälliger institutioneller Strukturen führen könnte, die über Jahrzehnte hinweg die architektonische Entwicklung in Italien ausbremsten.
Das Thema der Kritik muss ähnlich beschrieben werden. Zunächst lässt sich – über die bereits erwähnten Versuche, die Grenzen der kritischen Plattformen ins Internet auszuweiten, hinaus – ein engeres Zusammenspiel zwischen Medien und Inhalten in den digitalen sozialen Netzwerken beobachten und hierin auch eine Ausdehnung der täglichen Architekturdebatte. Das allein macht jedoch noch keine epochale Wende in der Architekturkommunikation aus. Es gibt jedoch ein interessantes Phänomen, das nur durch das Internet entstehen konnte: das Auftauchen einer kleinen Gruppe einzelner Architekten, die sich mit ihrer Arbeit an der Grenze zwischen dem Zeichnen als künstlerischer Disziplin und dem Zeichnen als Werkzeug zur architektonischen Darstellung bewegt. Das ist in Italien keineswegs ein neues Thema, doch neu ist die Verschränkung der Arbeitsmittel – von traditionell und materialbezogen bis digital. Ebenso neu ist die Vorgehensweise, sämtliche Fortschritte und Resultate fortlaufend online zu verbreiten. Der dadurch entstehende kontinuierliche Austausch untereinander sowie mit einer wachsenden Online-Community wird zu einem lebhaften Bestandteil des Entwurfs. Beniamino Servino ist mit Sicherheit einer der talentiertesten unter ihnen; er gehörte zu den ersten dieser Bewegung und beeinflusste zahlreiche jüngere Autoren. Die digitalen Visionen von Luca Garofola und Camelo Baglivo (beide aus der bereits erwähnten Gruppe IaN+) orientieren sich stärker an den Avantgardebewegungen des 20. Jahrhunderts, während die Handzeichnungen von Cherubino Gambardella sich auf traditionelle Darstellungsmethoden beziehen. Dennoch können sie alle dem gleichen «Trend» zugeordnet werden. Luca Diffuse ist hiervon losgelöst zu nennen, denn trotz einer vergleichbaren Verwendung von Arbeitsmitteln formuliert er ein ästhetisches Ideal, das sich furchtlos vom Architektonischen entfernt und stärker im Bereich von Illustration und Grafik ansiedelt.
In gewisser Weise auf der anderen Seite dieses Feldes, im Bereich der aktuellen Architekturforschung, arbeiten Salotto Buono, Baukuh und 2A+P/A gemeinsamen an San Rocco – einem monografischen Printmagazin, dessen selbsterklärtes Ziel es ist, nachzudenken über «the possibility of reusing architectural traditions that lie outside of private memory (contrary to Rossi’s usual approach) without erasing personal contributions (contrary to Grassi’s usual approach)»2. Hier sollte trotz der geistreichen Originalität des englischsprachigen Projekts mit globalem Anspruch angemerkt werden, dass San Rocco unwiderlegbar darauf abzielt, einige einschlägig bekannte Themen, die direkt aus der italieni- schen – oder besser Mailänder – Postmoderne stammen, wiederzubeleben. Somit schient das Magazin seine Zukunft eher im rückwärtsgewandten Integralismus von Pier Vittorio Aureli und Dogma zu suchen als in einer aufgeschlossenen Reflexion über die Zukunft der Kritik, Repräsentation und Publizistik von Architektur.
Um auf das Thema der Kritik in Zeiten des Internets zurückzukommen: Es gibt glücklicherweise viele Akteure, die all ihre Energien in diese Richtung konzentrieren. Bekannte Blogs wie Wilfing Architettura von Salvatore D’Agostino oder Plattformen wie die Vereinigung Zeroundicipiù spielen hier eine wichtige Rolle. Dabei bleibt die Beziehung dieser jungen Medienkanäle zum traditionellen Feld der grossen Architekturorgane nach wie vor undurchschaubar. Die Traditionsblätter domus unter Joseph Grima und Abitare versuchten, durch eine bewusste Positionierung gegenüber den aktuellen Veränderungen eine Vormachtstellung im Internet zu gewinnen. Diese Bestrebungen blieben grösstenteils erfolglos, stellen jedoch – weil sie in vielerlei Hinsicht wegweisend waren – einen der wirklich originellen Züge der «offiziellen» italienischen Architekturkulturproduktion zur Mitte des Jahrzehnts dar.
Rossella Ferorelli ist Architektin und doktoriert an der Politecnico di Milano über Netzwerke und öffentlichem Raum der zeitgenössischen Stadt. Für domus beobachtete sie zusammen mit Joseph Grima die Entwicklung neuer unabhängiger Formen der Forschung und Kritik in der Architekturwelt Italiens. In Bari gründete sie die Plattform für Design SMALL (Soft Metropolitan Architecture & Landscape Lab). Sie lebt in Mailand.
Luca Molinari ist Associate Professor für die Geschichte zeitgenössischer Architektur an der zweiten Architekturfakultät «Luigi Vanvitelli» in Neapel. Er doktorierte an der TU Delft und gründete zusammen mit Anna Barbara das Büro viapiranesi.srl in Mailand. Neben seiner Tätigkeit als Autor für Magazine wie Abitare, domus, Ottagono, Il progetto, Archis, A+U, Il Corriere della Sera kuratierte er zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen: Stalker (Opos, Milan, 1996), Santiago Calatrava. Work in Progress (Triennale, Milan, 1998–1999); Medaglia d’Oro per l’Architettura Italiana (Milan Triennale, Naples, Rome, Singapore, Guang Zhou, 2004–2005); Antinapoli (with Cherubino Gambardella, Vincenzo Trione, Francesco Jodice, Fabrizia Ippolito, 2005); Annali dell’Architettura (Palazzo Reale, Naples, 2006–2007); Experimental media in Italy. The New Domestic Landscape MoMA 1972 (with Peter Lang, Mark Wasiuta, New York, Basel, Barcelona, Stockholm, Chicago, 2009–2013).
1 Die Berufsverbände würden ein zusätzliches Kapitel erfordern. In der Tat ist ihre politische und kulturelle Rolle noch nicht ausreichend untersucht worden, auch wenn sie sich oft bemüht haben, als Bindeglied zwischen den professionellen und verschiedenen regionalen Zentren der kulturellen Macht zu verhandeln.
2 www.sanrocco.info/about.html
> Der Artikel ist ursprünglich erschienen in archithese 2.2014 Bündnisse.