Interaktiver
Im Oktober 2016 gewannen Herzog & de Meuron den Wettbewerb für das Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin-Mitte. Jetzt, zwei Jahre später, reisten die Architekten an die Spree und präsentierten ihre Vorentwurfsplanung. Welche Entwicklung hat ihre Gestaltung zwischenzeitlich genommen?
Text: Elias Baumgarten – 10.10.2018
Als Herzog & de Meuron im Oktober 2016 siegreich aus dem Wettbewerb für das Museum des 20. Jahrhunderts der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Mitte hervorgingen, mussten sie einige Kritik einstecken. Viele nahmen Anstoss am Backsteinbau mit markantem Satteldach, der zwischen Ludwig Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie im Süden und Hans Scharous Philharmonie im Norden entstehen soll. In den sozialen Medien wurde mitunter gespottet und das Haus als «Scheune» tituliert. Inzwischen ist der Vorentwurf abgeschlossen. Am 9. Oktober 2018 wurde er an einer grossen Pressekonferenz der Öffentlichkeit gezeigt. Dafür sind Jacques Herzog und Pierre de Meuron extra aus Basel angereist, was den Stellenwert unterstreicht, den sie dem Projekt beimessen.
Vorweg: Wer in 2016 über die Form des geplanten Baukörpers klagte, wird auch weiterhin Mühe mit dem Projekt haben. Denn an dieser wurde erwartungsgemäss nichts geändert. Dafür aber wurde an der Interaktion zwischen Museum und Stadtraum geschraubt.
Gestärkte Beziehung zur Umgebung
Was vor zwei Jahren noch wie deplatziert und auch distanziert wirkte, wurde zwischenzeitlich zu einem Projekt weiterentwickelt, das den Dialog mit dem Kontext sucht. Die augenfälligste Änderung betrifft dabei die Nordfassade zur Scharoun'schen Philharmonie, wo sich einmal der Haupteingang befinden soll: Statt Backsteinen soll dort nun auf Glas und Sichtbeton gesetzt werden und das Haus sich mit einem weit ausladenden Giebel zum Scharounplatz hin öffnen. In diesem – Zitat Jacques Herzog – «nach aussen gestülpten Innenraum» werden Café, Museumsshop und Mediensaal Platz finden, die auch ausserhalb der Kernöffnungszeiten aktivierbar sind. Erschlossen sind diese Räume vom Platz über eine grosszügige Treppenanlage. Die Architekten wünschen sich, dass diese zur «Bühne zum Scharounplatz» wird.
An der Ost- und Westfassade sollen grosse Tore mit Medienscreens aufschwingen. Jenes an der Ostseite wird sich dabei wie bei einem Hangar zur Seite scheiben lassen; das westliche hingegen soll sich vertikal öffnen. Angesichts dieser Pläne freute etwa sich der Direktor der Nationalgalerie Berlin, Udo Kittelmann, auf die Möglichkeit die Ausstellungsräume grosszügig zu öffnen und auf neue Nutzungsszenarien. Der Neuen Nationalgalerie wendet das Gebäude indes nach jetzigem Planungsstand eine symmetrische Fassade mit kleinerem Tor für die Anlieferung zu.
Präzisiert und nach unten vergrössert
Genauere Angaben machten die Architekten auch zu den Materialien. So wollen sie die Fassade aus erdbraun geschlämmten Backsteinen bauen lassen. Diese sollen auch im Inneren eingesetzt werden. Ausserdem sollen die Böden in weiten Teilen aus Holz bestehen. Davon erhoffen sich Jacques Herzog und Pierre de Meuron, dass etwa die Stiegen als Sitzgelegenheiten angeeignet werden.
Räumlich ergibt sich eine grosse Änderung zur 2016er-Entwurfsfassung: Das Haus soll ein zusätzliches Untergeschoss mit weiteren Ausstellungsflächen erhalten. Von hier wird ein Tunnel die Verbindung zur Neuen Nationalgalerie herstellen.
Wie weiter?
Keine Angaben gab es gestern indes zu Baukosten und Terminplan. Warum, daraus machte Kulturstaatsministerin Monika Grütters kein Geheimnis: Aus dem gestalterischen Änderungen wie den grossen Medienscreens und einem zusätzlichen Untergeschoss wird eine «enorme Preissteigerung» resultieren. Die ursprünglich anvisierten Kosten von 200 Millionen Euro sind nicht mehr realistisch. Daher ziehen Politik und Bauherrschaft vor, erst im Sommer 2019 mit gesicherten Zahlen an die Öffentlichkeit zu gehen und vorab keine Mutmassungen zu befeuern.
Auch über die Gestaltung der umliegenden Freiräume wurde noch nicht weiter gesprochen.
Jacques Herzog wird am heutigen 10. Oktober 2018 um 19 Uhr in der St. Matthäuskirche (Matthäikirchplatz, Berlin) den aktuellen Planungsstand nochmals präsentieren. Anschliessend diskutiert er mit Udo Kittelmann (Direktor Nationalgalerie Berlin), Joachim Jäger (Leiter Neue Nationalgalerie Berlin) und der Architektin Hilde Léon.
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