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111 Bunker erwandern

Derzeit zeigt das neue Zentrum für Architektur Zürich seine zweite SchauSie macht deutlich, dass die neue Institution mehr sein will, als ein Museum. Denn 111 Bunker ist keine Ausstellung, sondern eine Einladung und Anleitung die Stadt Zürich neu zu entdecken. Im Bellerive erhalten Interessierte eine grossformatige Karte, anhand derer verschiedene Bunker in und um Zürich erwandert werden können.

 

Text: Jasmin Kunst – 11.12.2018

 

Bunkertouren
Den Bunkertouristen werden fünf Routen empfohlen. Drei davon werden mit Führung angeboten. Die übrigen sollen selbstständigen begangen werden. Die Militäranlagen sind mit Nummern und den zugehörigen Koordinaten auf den Karten verortet. Das ist hilfreich, denn viele von Ihnen liegen im Wald, sind mitunter von Pflanzen stark überwuchert, befinden sich an Steilhängen oder sind in privaten Innenhöfen versteckt. Zusätzlich wird eine Liste mit den teils kuriosen Spitznamen der Anlagen wie «Glatze», «Paradies», «Schnaps» oder «Süsi» ausgegeben. Zwischen ein und vier Stunden dauern die Touren, welche zu Bunkertypologien in wechselnden Landschaften führen. Wer möchte, kauft sich zusätzlich zur Wanderkarte ein Bunkerjournal mit detaillierten Plänen der Anlagen.

  

Stadt und Wald frontal
Die beiden geführten innerstädtischen Routen folgen dem Verlauf der Limmatstellung entlang des Seebeckens und des Flusses. Diese militärische Verteidigungslinie war zur Abwehr eines befürchteten Angriffs aus dem Norden gedacht, denn im Frühjahr 1940 hielt man einen Vorstoss der Wehrmacht durch die Schweiz nach Frankreich für möglich. Im Zuge der Tour werden eindrückliche Anlagen betreten, die im Alltag trotz ihrer Grösse meist unbemerkt bleiben: Oft deutet lediglich eine Stahltür auf den dahinter befindlichen Bunker hin.
Eine andere Route führt die Bunkerwanderer nach Urdorf und Uitikon. Dort erwarten sie Einblicke in weitläufige, oft vollständig unterirdische Anlagen. Viele der obsolet gewordenen Bauwerke sind heute ungenutzt. Einige werden aber für die Lagerung sensibler Informationen verwendet, andere für eher Alltägliches: Ein städtischer Bunker wird beispielsweise von einem angrenzenden Kiosk zur Kühlung von Getränken genutzt.

 

Wandern entlang der Wollishofer Sperre
Domenic Schmid, der die Ausstellung zusammen mit Noël Fäh ausgehend von ihrer gemeinsamen Masterarbeit an der ETH Zürich gestaltet hat, empfiehlt für eine ungeführte Wanderung die Route entlang der Wollishofer SperreAusgehend vom Bahnhof Manegg im Sihltal führt der Spaziergang durch ein steiles Waldstück und durch Wohnquartiere hinab bis ans Seeufer. Die ersten Bunker sind gut zu finden, aufgrund der Hanglage allerdings schwer zu erreichen und auch nicht begehbar, denn sie wurden komplett zubetoniert. Nach der Durchquerung des Sihltals, vorbei an einer Panzersperre, verstecken sich in einem Waldstück gleich mehrere Beobachtungs- und Maschinengewehrstände. Viele von ihnen sind frei zugänglich. Aussen wie innen sind die Spuren der Zeit sichtbar: Graffitis und Wucherungen aus Efeu und Moos zieren die massiven Betonwände. Die letzten Bunker der Linie befinden sich schliesslich mitten im Wollishofer Wohnquartier. Einer von ihnen ist erst nach der Überwindung einer Mauer erreichbar – er liegt heute im Innenhof einer privaten Wohnüberbauung.
Wer sich an die in der Bunkerkarte empfohlene Packliste hält und eine Taschenlampe mitnimmt, kann im Innern der fast vollständig fensterlosen Räume karge Wände, verrostete Gewehrhalterungen und verbogene Gitterstäbe entdecken. Die Stimmung schwankt zwischen Faszination und Befangenheit.

 

Reduit statt Limmatstellung
Der Plan General Guisans, Zürich zum Schlachtfeld zu machen, stiess schon zur Entstehungszeit der Limmatstellung auf viel Kritik und Ablehnung. Doch bereits im Juni 1940 – kein Jahr nach ihrer Erstellung – wurden die Anlagen von den Ereignissen überholt und wieder aufgegeben. Denn nachdem die Wehrmacht Frankreich sprichwörtlich überrannt hatte, obwohl es mit der Maginot-Linie über eine ähnliche Festungsanlage verfügte, wurde klar, dass die Limmatstellung einen Angriff nicht aufhalten würde. Weil die Schweiz ab Sommer 1940 zudem vollkommen von den Achsenmächten eingeschlossen war, entschloss man sich, das Gros der Armee ins Reduit zu verlegen und das Land falls nötig in die Tiefe gestaffelt zu verteidigen.

 

Noch bis zum 28. Februar 2019 läuft die Schau und Interessierte können im Zentrum für Architektur Zürich in der Villa Bellerive Material zu den Bunkern erwerben.

 

> Zur Festungsarchitektur lesen Sie archithese 5.1999 Bunker und Festungen.

> Auch zivile Architekturen werden mitunter eingegraben oder mit dem Terrain verschnitten. Viele Beispiele finden Sie in archithese 4.2018 Landart | Erdarchitektur.

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