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Peter Zumthor, Haus Gugalun, Foto: Hélène Binet

Holz und Handwerk

Als einfaches Baumaterial führte Holz lange Zeit eher ein Schattendasein im Architekturdiskurs. Das hat sich seit der «neuen Einfachheit» in den 1980er-Jahren geändert – und heute tragen das neue Interesse an Handwerklichkeit und DIY dazu bei, dass Holz als das Material der Stunde gilt.

 

Text: Hubertus Adam – 12.10.2021

 

Als eines der ikonischen Beispiele für den Umgang mit dem Thema Alt und Neu gilt das Haus Gugalun bei Versam im Safiental (1993). Die Bauaufgabe resultierte aus dem ländlichen Strukturwandel Graubündens: Viele traditionelle Bünderhäuser, die einen kompakten und beheizten Wohnteil in Strickbauweise und eine daran anschliessende kalte Stallscheune unter einem Dach vereinten, wurden nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. Das Problem für die Umnutzung stellte und stellt die unbeheizte und offene Stallscheune dar. Peter Zumthor, der von Eigentümer*innen aus dem baselbieter Bottmingen beauftragt wurde, ergänzte den Strickbauteil durch einen die Volumetrie der Stallscheue aufgreifenden Neubautrakt. Die Holzständerkonstruktion ist mit einem Betonkern ausgesteift und einer Fassade aus wärmegedämmten Hohlkastenbalken versehen. «Konstruktion und Ausstattung des Neubaus belegen eine hohe gedankliche und handwerkliche Präzision, die den Ausgleich zwischen Raffinesse und Einfachheit sucht», so die Jury der «Auszeichnung guter Bauten des Kantons Graubünden» im Jahr 1994.
Die Entwicklung der 1980er- und 1990er-Jahren in Graubünden wäre nicht möglich gewesen ohne eine Haltung, die nicht auf das Spektakuläre zielte, sondern mit dem Einfachen und Gewöhnlichen operierte. Damit stand die Deutschschweiz für einen Sonderweg, der eine bald vielbeachteten Alternative zur in Europa und den USA dominierenden Postmoderne mit ihrer Formenopulenz darstellte, sich aber auch von den Tessinern abhob, bei denen das traditionelle Baumaterial Naturstein traditionell eine wichtige Rolle spielte und die – wie vor allem Mario Botta – stärker an primären Geometrien interessiert waren. Es ging im Norden des Landes um Zurückhaltung in der Formensprache, aber auch um das In-Wert-Setzen von zuvor nicht als repräsentativ geltenden Baumaterialien wie Sperrholz oder Eternit. Auch Holz als Baumaterial fand im Zusammenhang mit der bald als «neue Einfachheit» titulierten neuen deutschschweizer Architektur erneute Aufmerksamkeit.
Wie diese Entwicklung bis in die Gegenwart weitverfolgt werden kann, darüber informiert das jüngste Heft der archithese.

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