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Hauswartung

Für Bauten und Bewohnerschaft

 

An der Schnittstelle zwischen Architektur und Nutzern stellt die im Birkhäuser-Verlag erschienene ETH-Publikation Hauswartung. Für Bauten und Bewohnerschaft das nahezu unerforschte Berufsbild des Hauswarts differenziert vor. Cordula Vielhauer hat mit dem Autor Ignaz Strebel über die Motive seiner Studie und die Bedeutung des Hauswarts für Gebäude, Nachbarschaften und Städte gesprochen. Ausserdem fragte sie ihn nach der Bedeutung von Netzwerken und Kontrolle.

 

Interview: Cordula Vielhauer
Foto: Elias Baumgarten

 

Cordula Vielhauer: In Ihrem Buch schildern Sie die Aufgaben des Hauswarts auf vielschichtige Weise. Was steckt dahinter?

Ignaz Strebel: Obwohl dies eine Studie über einen Arbeitsprozess ist, ist das Forschungsprojekt «Der Hauswart» im Bereich der Stadtforschung anzusiedeln. Städte und Siedlungen sind für uns nicht einfach Container, in denen sich Gesellschaft einrichtet, vielmehr bringen Menschen durch ihr Tun Städte erst hervor. In diesem Sinne ist auch der Gebäudeunterhalt eine raumwirksame Tätigkeit. Wenn wir also mit einer Liegenschaftsverwaltung oder einer Facility-Management-Firma arbeiten, betrachten wir Interaktionen, Abläufe, Werkzeuge und Arbeitsbedingungen. Wir arbeiten ethnographisch, in dem wir Arbeit und Wege der Hauswarte, Gespräche mit Handwerkern, Vorgesetzten und Bewohnern während ganzer Arbeitstage auf Video aufzeichnen. So erhalten wir einen detaillierten Einblick in die Arbeitshandlungen. Gebäude, Infrastrukturen und Aussenräume werden nicht einfach gereinigt oder repariert, vielmehr prägen diese Arbeiten deren Funktionsweise und Aussehen. Damit sind Hauswarte mitverantwortlich für die Nutzbarkeit von Gebäuden. Die Hauswartstudie hat aufgezeigt, dass Reparatur und Unterhalt reale Qualitäten von Gebäuden und Infrastrukturen sind.

 

Warum sich mit einem Beruf beschäftigen, der normalerweise im Architekturdiskurs keine Beachtung findet?
Es gibt drei Gründe, warum wir uns mit dem Hauswart befassen. Erstens: Die Studie beschäftigt sich mit denjenigen, die mit Wohnbauten arbeiten und diese durch ihre Arbeit aufwerten – im Vordergrund stehen nicht die Bewohner. Zweitens ist der Hauswart eine Person, die Beziehungen herstellt, welche notwendig sind, damit «Stadt» als Lebensform überhaupt erst möglich wird: zwischen dem Gebauten und dem Sozialen, zwischen Eigentum und Miete, zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre. Schliesslich ist der Hauswart als Beobachter ein Wohnsoziologe schlechthin. Er verfügt über ein spezifisches Wissen darüber, was sich an seinem Arbeitsplatz abspielt. Im Architekturdiskurs spielt der Hauswart bisher keine Rolle, weil er traditionell erst in der Phase des Betriebes in Erscheinung tritt. Heute zeigt sich ein Trend zum baubegleitenden Facility Management. Es lohnt sich, Organisation und Kosten des Gebäudeunterhalts bereits in der Projektierungsphase einzukalkulieren. Ob Hauswartung im Architekturdiskurs künftig mehr Beachtung finden wird, kann ich nicht sagen. Wer aber Qualitäten und Kosten eines Bauprojektes über die Bauphase hinaus betrachtet, wird sich auch mit den Dienstleistungen beschäftigen, die notwendig sind, um Gebäude und Bewohner zusammenzubringen.

 

Welchen Stellenwert hat der Hauswart für Gebäude, die Nachbarschaft und für die Stadt?
Im Selbstverständnis der Hauswarte sowie vieler Verwaltungen, Firmen und Fachverbände ist Hauswartung eine technische Angelegenheit. Die Medien haben nun im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion den Hauswart als «Sozialarbeiter» entdeckt. Wir wollten in unserer Studie dieser sozialen Komponente auf den Grund gehen. Unser Interesse war vorerst, die technische Arbeit zu beschreiben, die Mobilität, die sie voraussetzt, die Kompetenzen, die notwendig sind, das Wissen, das sich ansammelt etc. Indem wir eine technische Arbeit im Umfeld des Wohnbaus untersucht haben, konnten wir ein anderes Bild von der sozialen Dimension zeichnen als dasjenige eines ständig hilfs- und gesprächsbereiten Angestellten. Einen Wasserhahn auszuwechseln im Badezimmer einer Mietwohnung bedingt einen anderen Ablauf als den in der Küche eines Restaurants. Ein Hauswart kann keine Wohnung betreten, ohne mit den Mietenden Kontakt aufzunehmen. In der Wohnung holt er bei den Bewohnern Informationen über ein Problem ein und erklärt nach getaner Arbeit, was sich verändert hat. Ein solcher Austausch ist oft sehr kurz, und die Kontakte sind flüchtig, dennoch sind sie absolut zentral für die Funktionsweise von Mietwohnungen beziehungsweise dafür, dass «unsere Städte nicht auseinanderfallen». Indem wir die soziale Dimension einer technischen Arbeit herausschälen, erkennen wir, dass technische Arbeit sehr komplexe Relationen herstellt, sich also beispielsweise nicht nur auf einen einzelnen Wasserhahn bezieht, sondern auf das ganze Gebäude, die Nachbarschaft und letztendlich auch auf die Stadt. Es geht also um die nachhaltige Bewirtschaftung von Wohnbauten, nicht um die Einführung von Betreuungspersonal für die Bewohnerschaft.

 

Inwieweit sind Tätigkeiten und Aufgaben eines Hauswarts von denen eines Facility Managers abzugrenzen?
Rosmarie Boschetti hat im Buch aufgezeigt, dass herkömmliche Facility-Management-Modelle und -Standards für Industrieanlagen, öffentliche Gebäude, Bürobauten usw. entwickelt wurden, für Wohnbauten jedoch ungeeignet sind. Der Hauswart von Wohnbauten muss während der Abwicklung seiner Abläufe auf Anderes achten, er wird von Bewohnern angesprochen oder muss auf unmittelbare Ereignisse reagieren, die die Bewohnbarkeit in Frage stellen. Wohnbauten variieren stark – je nach Bewohnerschaft oder städtebaulichem Kontext. Daher sind standardisierte Modelle nicht einfach übertragbar. Rosmarie Boschetti schlägt vor, das «Modell» für die Hauswartung eines spezifischen Wohngebäudes aus den Bedürfnissen ihrer Eigentümer, der Bewohnerschaft, aber auch aus der Atmosphäre und der städtebaulichen Situation heraus zu entwickeln.

 

Wohnen und Nachbarschaft bestimmen das Handlungsfeld des Hausmeisters. In Ihrem Buch sprechen Sie von «Netzwerk» und «Praxis». Wie definieren Sie diese Begriffe?
Wir haben mit einer Hauswartungsfirma gearbeitet, die im Metropolitanraum Zürich über 2 000 Wohnliegenschaften mit mehr als 11 000 Wohnungen unterhält. Das ist der Wohnbaubestand einer Schweizer Kleinstadt. Was ist der Beitrag dieser Firma zur Stadtwerdung? Zum technischen und sozialen Zusammenhalt einer Stadt? Kann man von einer Form der Stadtentwicklung sprechen? Und wenn ja, kann man Stadtentwicklung mit diesen Prozessen steuern? Um das aufzuzeigen, brauchen wir präzisere Begrifflichkeiten. Die Begriffe «Netzwerk» und «Praxis» sind für uns hilfreich, um die Raumwirkung von Gebäudeunterhalt zu untersuchen. Hauswartung als Netzwerk zu verstehen, heisst, zu inventarisieren, welche Elemente (Werkzeuge, Gebäude, Fahrzeuge, Personen, Materialien etc.) zusammengehören, damit Hauswartung erkennbar und als Arbeitsprozess möglich wird. Dieses Inventar haben wir im Buch für vier Hauswartungen aufgestellt und vier solche Netzwerke beschrieben. Im Prinzip beinhalten alle vier Netzwerke die gleichen «Zutaten», sie unterscheiden sich aber dadurch, wie sie auf den städtischen Raum wirken. Hier kommt der Begriff der Praxis in Spiel. Wir haben für jeden der vier Fälle untersucht, wie die Arbeit des einzelnen Hauswartes die Teile dieses Netzwerks zusammenbringt und das Netzwerk – je nachdem wie dies getan wird – ein unterschiedliches Wirkungspotenzial entfaltet. Durch die Verbindung von Netzwerk und Praxis können wir verstehen, dass die Qualität des Bestandes nicht nur durch die Verbindung von Komponenten entsteht, sondern auch dadurch, in welcher Reihenfolge oder mit welcher Intensität einzelne Komponenten ins Spiel gebracht werden.

 

Die Position des Hauswarts im «Machtgefüge» von Hausverwaltung und Mietenden changiert zwischen Kontrolleur und Kontrolliertem. Worin besteht das Potenzial dieser Position? Besteht die Gefahr, dass Hauswarte nachbarschaftliche Interaktion behindern oder gar verhindern?
«Kontrolle» ist ein Begriff, den Hauswarte in ihrem Arbeitsalltag ganz anders auslegen als Soziologen und Raumtheoretiker. Städtische Räume funktionieren nie nach einem panoptischen Schema, wie es Michel Foucault beschreibt. Der Kontrolleur ist immer auch einer bestimmten Kontrolle ausgesetzt. In Wohnbauten ist die Verflechtung von öffentlicher und privater Sphäre besonders komplex. Für den Hauswart ist Kontrolle eine Notwendigkeit, die er nicht systematisch, sondern punktuell und auf unterschiedlichen Ebenen ausführt. Statt von einem Panoptikon, bei dem sich Kontrolleur und Kontrollierter gegenüberstehen, sprechen wir lieber von einem Oligoptikon, wie es Bruno Latour beschreibt: Die genaue Betrachtung eines einzelnen Aspekts überwiegt hier vor der totalen Überwachung. Kontrolle entsteht also durch punktuell gesammelte Informationen, die von einem Hauswart zu einem Ganzen zusammengesetzt werden, so dass er sich eine Übersicht über die Geschehnisse in «seinen» Häusern machen kann. Kontrolle ist für den Hauswart weniger ein Mittel zur Durchsetzung von Regeln in bestimmten Räumen oder zur Beobachtung von Fehlverhalten von einzelnen Bewohnenden. Kontrolle ist ein Mittel zum Zweck, ohne welches der Hauswart seine Arbeit nicht ausführen könnte.

 

Sie beschreiben vier unterschiedliche Modelle von Hauswartung. Eines ist sehr effizienzorientiert und rationalistisch auf einzelne, genau definierte Tätigkeiten heruntergebrochen. Was hat das für die Hausverwaltung, die Nachbarschaft und die Gebäude für Vorteile?
Wir bewerten die Hauswartsysteme nicht, die wir untersuchen. Es stimmt, dass bei der Facility-Service-Firma Management und Organisation der Hauswartung nach Kriterien der Effizienz aufgestellt sind. Die Hauswartarbeit wird nach Quadratmetern und zu erledigender Arbeit berechnet und – im Gegensatz zum stationären Siedlungshauswart, der alles gleichzeitig macht – in Garten, Reinigung und Kleinunterhalt gesplittet. Auslagern stellt hier jedoch kein Problem dar. Anders ist es, wenn Hauswartarbeit einer Reinigungsfirma übertragen wird, die den zentralen Kontakt mit Mietenden, Handwerkern und Verwaltung nicht pflegt. Mit dem Outsourcen wird somit oft unbewusst – aber mit entsprechenden Konsequenzen – eine wichtige Dimension der Hauswartarbeit ausgeklammert. Eine Lösung für diese Problematik wäre sicher, die Facility-Services nicht gänzlich von anderen Verwaltungsarbeiten wie der Vermietung abzukoppeln. Also ein integrierter Hauswartdienst, bei dem die zentrale Verwaltung Ansprechpartnerin sowohl für technische als auch administrative Fragen wäre.

 

Ignaz Strebel ist promovierter Geograph und arbeitet am ETH Wohnforum am Departement Architektur der ETH Zürich. Er forscht zur Reparatur als Form der Stadtwerdung sowie zur Praxis des Architekturwettbewerbs.

 

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