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Glas-Iglus für die Alpen?

Der Tourismus in den Schweizer Alpen schwächelt seit Jahren. Mittlerweile zeigt sich gerade bei Jüngeren (wieder) ein wachsendes Interesse am Urlaub in den Bergen. Mit innovativen Konzepten wird gelegentlich versucht, Aufmerksamkeit zu erhaschen. Doch das geht ästhetisch schon einmal daneben, wie zwei Glas-Iglus am Partnunsee zeigen.

 

Kommentar: Jørg Himmelreich – 13.8.2017
Fotos: LittleCITY / Kaspar Thalmann

 

Zwischen 1992 und 2015 sank gemäss einer Statistik des Bundes die Zahl der Hotelübernachtungen in den Schweizer Alpen kontinuierlich: Im Wallis beispielsweise um 13, im Tessin sogar um 26 Prozent. Am stärksten war der Rückgang allerdings in Graubünden mit 27 Prozent. Auch die Übernachtungen in Schweizer Ferienwohnungen sind stark gesunken: Von 24 Millionen im Jahr 1980 auf 18 Millionen im Jahr 2003.

 

Ursachen und (vermeintlich) frische Lösungen
Worauf ist der Gästeschwund zurückzuführen? Es ist ein Mix von verschiedenen Faktoren: Starker Franken bei schwächelndem Euro, günstigere Flüge gepaart mit einer Lust, weiter entfernte Reiseziele aufzusuchen, oder eine starke innovative Konkurrenz in den alpinen Nachbarländern. Der Schweizer Tourismus, von seiner hohen Qualität überzeugt, erstarrte. Sich einem jungen Publikum anbiedern wollten sich die wenigsten Orte und hofften, dass die Gäste mit der Reife schon in die althergebrachten Konzepte hineinwachsen werden.
Seit ein paar Jahren kommt frischer Wind auf: Verschiedene Regionen und Akteure versuchen mit innovativen Konzepten, den hiesigen Alpintourismus wieder in Fahrt zu bringen. Klammern wir einmal die Kostenebene und die Tasache, dass jede Form von Tourismus per se unökologisch ist, aus: Aktuelle Projekte wie die neue Hängebrücke oberhalb von Randa oder der rote Origen–Theaterturm auf dem Julierpass können architektonisch durchaus überzeugen.

 

Glamping-Glas-Iglu
Ästhetisch daneben ging nun ein Projekt am Partnunsee im bündnerischen St. Antönien: Die Blogger Valeria und Adi von LittleCity.ch spannten mit Graubünden Ferien und Prättigau Tourismus zusammen und realisierten auf 1870 Metern Höhe ihre Idee, zwei verglaste Halbkugeln auf einem schwimmenden Ponton-Steg im See zu platzieren. Ausgerüstet mit Doppelbett, Dusche, WiFi und einer kleinen Küche versprechen sie den Komfort einer Ferienwohnung bei gleichzeitigem Feeling vom «Schlafen im Zelt». Warum das gläserne Iglu? Die Idee vom Schlafen unter offenem Himmel war offensichtlich die romantische Idee hinter dem Bauwerk.
Der Strom kommt von einer Solarzelle und das Wasser von einer lokalen Quelle. Irgendwie fasziniert das Projekt, aber ästhetisch passt nichts zusammen – weder der hölzerne Steg mit dem halbkugelförmigen Glas-Iglu noch die Ikea-weissen Möbel mit der etwas entfernt platzierten Infrastrukturbox. Weil es keine Strasse gibt, wurden alle Elemente per Helikopter angeliefert.

 

Ausgewählte Gäste
Mietbar für jedermann sind die beiden Käseglocken nicht. Ein gläsernes Iglu werden Valeria und Adi bis zum 3. September 2017 selber bewohnen. In den anderen hausen «Blogger-Freunde». Danach werden die Bauten wieder abgebaut. Besuchen darf man die Akteure von LittleCity.ch jedoch gerne. Mit einer Instagram Direct Message an@valeriaslittlecity können Sie sich vorab anmelden. Die Pavillons erreicht man nach einer Stunde Fussmarsch von St. Antönien aus. Die Intransparenz bei der Genehmigung und den Kosten für das halbprivate Projekt sorgt derweilen für Kritik. Das Bündner Tagblatt weist darauf hin, dass der Kanton für die Pavilons ausserhalb der Bauzone keine Genehmigung erteilt habe und von dem Projekt erst aus der Zeitung erfahren habe. Richard Atzmüller vom Kantonalen Amt für Raumentwicklung Graubünden äusserte gegenüber SRF, er werde nun bei der Gemeinde nachhaken. 

 

Kritik mit Humor
Nun hat Kaspar Thalmann einen Mini-Blog mit dem Namen partnunsee.ch aufgeschaltet und kritisiert damit die Blogger mit ihren eigenen ästhethischen und medialen Waffen. Zu sehen sind ein gezimmertes Verbotsschild, dass vom Betreten des Steges abhält und schwimmende Kühe, die sich in den Abspannungen unter Wasser zu verheddern drohen und einige close-ups vom boxigen Infrastrukturgebäude – Material zum Wutschäumen oder Schmunzeln.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Es ist an der Zeit, für den Alpenraum innovative Tourismuskonzepte zu entwickeln. Dazu gehört ab und an auch der Bau neuer Arrchitektur, vielleicht auch in Höhenlagen. Aber wenn, dann bitte keine Schnellschüsse, sondern Bauwerke und Interventionen, die den Namen Architektur auch verdienen.

 

> Capaul und Blumethal sprechen in archithese 2.2017 Neues Feingefühl über das Bauen in den Alpen.

> Rotes Ausrufezeichen: Über den Origen-Theaterturm auf dem Julierpass. 

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