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Gläserner Klangspeicher

In der Nachbarschaft des Münchner Ostbahnhofs standen einst ausgedehnete Insdustrieanlangen. Wo früher Schlote rauchten und Züge quieschend hielten, um Material anzuliefern, soll künftig ein neues, attraktives Quartier entstehen. Und wie die Elbphilharmonie in Hamburg, soll dabei ein Konzerthaus als kulturelles Flaggschiff und kraftvolles Wahrzeichen fungieren.
Die passende Architektur dazu soll aus Vorarlberg kommen: Am 28. Oktober 2017 wurde in der bayerischen Landeshauptstadt verkündet, das Büro Cukrowicz Nachbaur habe den internationalen Wettbewerb für das Haus gewonnen. Doch noch ist nicht gewiss, ob ihr «Klangspeicher» wirklich die alten Speicherbauten vor Ort ablösen wird, denn eine Kostenschätzung steht noch aus, während eine Budgetobergrenze von EUR 300 Millionen bereits als unumstösslich fixiert gilt.

 

Text: Elias Baumgarten – 2.11.2017

 

Zwischen Speicher und Kathedrale
Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm fanden beim Entwerfen Inspiration in den alten Speicherbauten und bezeichnen ihre Gestaltung als «Klangspeicher». Mit ihr setzten sie sich gegen 29 Mitbewerber durch, die aus den über 200 Einsendungen zum offenen Wettbewerb ausgewählt wurden. Um mit einem vergleichsweise geringen Fussabdruck auszukommen, schlagen die beiden vor, die Säle 45 Meter hoch übereinander zu stapeln. Zwei Säle sollen dabei Platz für 2 400 Zuhörer bieten. Ausserdem wird das Haus über Räume für die Münchner Hochschule für Musik und Theater verfügen, dazu kommen Gastronomie, Büros, Geschäfte und eine grosse Tiefgarage. Die Fassade aus Glas soll dabei die gestapelten Boxen umhüllen und Assoziationen mit einer Kathedrale hervorrufen, wie Nachbaur-Sturm an der Pressekonferenz anlässlich der Preisverleihung zu Protokoll gab. Auf den Renderings wirkt diese Idee wie ein Kind aus einer anderen Zeit.
Die 25-köpfige Jury, die von 30 Experten beraten wurde, votierte nahezu einstimmig für den Entwurf und ihr Vorsitzender Arno Lederer lobt ihn als einfach, zurückhaltend und nobel. Auch Vertreter aus Politik und Kunst zeigten sich angetan. So sagte Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, dessen Symphonieorchester und Chor das Haus bespielen wird, der Entwurf überzeuge mit einer guten Raumaufteilung und hoher Flexibilität, sowie einem gut durchdachten Konzertsaal, der die akustischen Vorteile der so genannten Schuhschachtel-Form biete.

 

Offene Fragen
Doch ob der «Klangspeicher» wirklich gebaut wird und wie geplant im Frühsommer 2018 die Bagger anrollen können, bleibt offen. Noch liegt nämlich keine Kostenschätzung vor, während Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bereits mahnend den Zeigefinger hebt, auf die Einhaltung der Budgetobergrenze von EUR 300 Millionen pocht und daran erinnert, dass der Landtag dem Vorhaben noch zustimmen müsse. Die Architekten gehen nun daran, ihren siegreichen Entwurf weiter auszuarbeiten, um in Folge eine solide Kostenschätzung vorlegen zu können. Das zuständige Bauamt wird derweil auch mit den vier weiteren Preisträgern verhandeln und diese weiterarbeiten lassen. Die Möglichkeit, dass schlussendlich ein anderes Projekt verwirklicht wird, ist also durchaus noch gegeben.

 

Die Entwürfe für das neue Konzerthaus sind bis zum 26. November in der Whitebox im Münchner Werksviertel zu sehen. Die Schau ist täglich zwischen 10.00 und 18.00 Uhr geöffnet und der Eintritt gratis.

 

> archithese wirft im Sommer 2018 ein Blick über die Grenze nach Bayern und nimmt eine Inventur der dortigen Architekturszene vor. Das Heft erscheint am 1. September 2018.

> Jüngst wurde in München der Siegerentwurf für die Genossenschaft «San Riemo» bachab geschickt, weil nach dem Wettberweb deutlich wurde, dass er den Kostenrahmen sprengt und die Vorgaben hinsichtlich ökonomischer Effizienz nicht erfüllt.

> In archithese 1.2017 Swiss Performance lesen Sie eine Besprechung der Elbphilharmonie von archithese-Chefredaktor Jørg Himmelreich.

> Axel Sowa verfasste für Heft 6.2015 einen Essay über Konzertsäle.

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archithese 1.2017

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