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Geschichte als Ready-made
Das Basler Architekturbüro Sauter von Moos setzt sich an der zweiten Architekturbiennale in Chicago mit vorgefundenen Quellen aus der Welt der Architektur und Kunst auseinander. Dabei loten sie spielerisch die Grenzen der Autorenschaft aus.
Text: Florian Sauter und Charlotte von Moos – 28.9.2017
Was stellen Sie in Chicago aus?
Wir zeigen als Teil der Horizontal City das Projekt Sonsbeek Ready-made. Unter strengen kuratorischen Rahmenbedingungen fertigten wir ein dreidimensionales kanonisches Innenbild, eine etwa zwei mal zwei Meter grosse Sockelfläche und ein Modell im Massstab 1:15 an. In unserem Projektbeschrieb haben wir es folgendermassen umrissen:
Aldo van Eyck’s Sonsbeek Sculpture Pavilion (1966 / 2006) is a built manifesto for the Dutch architect’s theory of the «in-between-space». As such it stands at the climax of his dual-tendency «to interiorize the exterior» and vice versa. Altogether ambiguous, the structure is both open and closed, and as a «ruin-in-reverse» the simple pavilion with its pre-historic aura reminds the spectator of Neolithic sites such as Stonehenge. Creating a complex matrix of larger and smaller rooms with narrower and wider views in both longitudinal and diagonal direction, a myriad of «places» reveal themselves for the intimate encounter with the sculptures originally conceived by artists such as Brancusi, Arp or Giacometti and placed on individual plinths. Our white polystyrol model stresses the elemental character of the original conception that put in a «meaningfully uncomfortable» way the world to presence. However, while clearly following Van Eyck’s architectural prerogatives, we do not replicate the art pieces. Instead, we position on the plinths our personal selection of ready-mades, complemented with a series of quotes by Andy Warhol reflecting the relationship between standardized production and individual expression. The surrealistic juxtaposition of all these pre-produced and common elements should create moments of surprise and contemplation that in a «twinphenomenal» sense add new meaning – novel histories – to both them and the Sonsbeek Pavilion.»
Was hat Ihr Exponat mit dem Motto Make New History zu tun?
Geschichte ist grundsätzlich ein unendliches Ready-made: Die Beschäftigung mit historischen Referenzen ist stets ein selektiver Prozess. In unserer Arbeit ging es darum zu testen, wie verschiedene, vorgefundene Quellen aus der Welt der Architektur und Kunst – ein wichtiges Subthema dieser Biennale – in einer unerwarteten Konfrontation eine neue Bedeutung und eine neue Präsenz erhalten können. In der Absicht der Thematik mit einer gewissen Leichtigkeit zu begegnen, loteten wir die Grenzen einer cut & paste-Methode aus beziehungsweise führten diese ad absurdum, indem wir im Sinne von Andy Warhols Hinterfragung des kreativen Prozesses jegliche Autorenschaft mit Ausnahme der bewussten Selektion und Zuordnung verneinten. Natürlich gibt es den Sonsbeek-Pavilion in dieser Konstellation nun nur dank uns, doch gleichzeitig haben wir auch absolut nichts gemacht – weder der architektonische Raum noch die surrealistischen Zitate oder die Objekte, welche massstäblich verfremdet nun als «Pop Art-Skulpturen» in Erscheinung treten, wurden von uns erschaffen. Dass diese kreative Zurückhaltung und radikale Selbstlosigkeit auch als eine subtile Hinterfragung des Mottos verstanden werden kann, erschien uns reizvoll.
Wie steht dies im Zusammenhang mit Ihrer Arbeit im Büro?
Zum einen ist Aldo van Eyck ein wichtiger Referenzpunkt in unserem Denken über Architektur – seine Ideen zur räumlichen Schichtung und seine wunderbaren Forum-Hefte zur Verteidigung einer poetischen Architektur schätzen wir sehr. Zum anderen arbeiten wir auch im Büro mit grossen Modellen und pflegen einen spielerischen Umgang mit Referenzen – egal ob diese als konzeptuelle oder konstruktive Inspiration dienen. Die bewusste Autorenschaft und die interpretative Transformation des historisch Gegebenen hat in unseren Bauten aber eine grössere Bedeutung. Interessanterweise gehen wir in der Praxis, in der wir durch viele baurechtliche, energietechnische, statische und konstruktive Zwänge eingeengt werden, mit historischen Bezugspunkten viel offener um. Gleichzeitig versuchen wir – wie in Chicago – alle unsere Projekte auf der ihnen zu Grunde liegenden Logik so sachlich und konsequent als möglich zu durchdenken. Insgesamt haben wir keinerlei Angst mit geschichtlichen Verweisen und Formen zu arbeiten und diese auch offenzulegen; vielmehr ärgert uns die verkrampfte Verteidigung pseudo-non-referenzieller Haltungen einiger (zumeist älterer) Kollegen.
Was nehmen Sie von der Chicago-Biennale für Ihre zukünftige Arbeit mit?
Grundsätzlich viel Positives. Seit Längerem fasziniert uns der «Spirit von 1900» – die progressive Energie der Architektur während der Belle Époque mit dem Endziel Gesamtkunstwerke zu erschaffen – und deshalb beeindruckt uns die Selbstverständlichkeit der Hochhausarchitektur Chicagos aus jener Zeit immer wieder aufs Neue. Es wäre wunderbar, einmal Häuser von annähernd ähnlicher Relevanz bauen zu können. Von der Biennale an sich bleiben wie oftmals bei Ausstellungen mehrdeutige Eindrücke zurück: In diesem bonfire of vanities gab es vor allem unter den freier konzipierten Arbeiten viel Spannendes zu entdecken und auch der persönliche Austausch mit zum Teil neuen Bekanntschaften war bereichernd und stimmt uns zuversichtlich. Gleichzeitig warfen unsere Beobachtungen aber auch Fragen auf: Wie relevant ist es für die heutige Architektur sich an die Kunstszene anzubiedern? Soll eine Schau wie diese wirklich keinerlei soziopolitische Stellung einnehmen? Was bleibt zurück vom amerikanischen Traum, wenn dieser an vielen alltäglichen Orten zu einer atmosphärischen Überreizung der Sinne führt?
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