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Feintuning oder Deregulierung

«Legislating Architecture» von Arno Brandlhuber und Christopher Roth

 
Text + Fotos: Elias Baumgarten – 3.3.2016

Normen, Regeln, Gesetze, Paragraphen – Architektinnen und Architekten müssen bei ihrer Arbeit mit allerhand Beschränkungen ihrer kreativen Freiheit zurechtkommen. Und in der Schweiz hat der Volkssouverän zusätzlich ein direktes Mitspracherecht. Diese Eingrenzung des Erlaubten und zugleich die Möglichkeiten zur Mitsprache und Gestaltung sind Thema der Ausstellung Legistlating Architecture von Arno Brandlhuber und Christopher Roth, die gestern an der ETH Zürich auf dem Hönggerberg eröffnet wurde.

 

Bauen in der Demokratie

Den Hauptteil der Schau bildet der gleichnamige Film, der im zum Kino umfunktionierten Ausstellungsraum in Endlosschleife gespielt wird. Der Streifen bringt eine Performance, die Arno Brandlhuber mit Studierenden von Christian Kerez` Lehrstuhl inszenierte hat, auf die Leinwand: Für die «20-Quadratmeter-Initiative» entwarfen die Pro- und Contra-Gruppen Plakate, um imaginäre Wähler zu überzeugen, sammelten Argumente, schrieben Reden und lieferten sich hitzige Debatten. Den Studenten wurde so vermittelt, dass Architektur ein Gemeinschaftsprojekt ist und wie sehr Gesetze, Politik und Stimmberechtigte Architektur mitgestalten.

Der Film tönt patriotisch und spricht der Schweizer Basisdemokratie ein grosses Lob aus: «Nirgends sonst ist das Mitspracherecht des Volksouveräns so unmittelbar und so ausgeprägt wie hierzulande» erklärt beispielsweise Christian Kerez im Film. Und Marc Angélil spricht gleich zum Einstieg von der Schweiz als der vielleicht höchstentwickelten und ältesten Demokratie der Welt. Für ihn ist das basisdemokratische System ein wesentlicher Baustein der nationalen Identität. Zwischen all dem Lob wirkte Luigi Snozzi mit seinen humorvoll vorgetragenen und zugleich provokativen Statements erfrischend: In Monte Carasso habe allein er die Regeln gemacht – mit der freundlichen Unterstützung des Bürgermeisters und ohne die des Volkes. Im übrigen sei dort alles erlaubt, sofern die Architektur besser sei als die Regel.

 

Ruf nach Feintuning statt Deregulierung

Der Film liefert eher eine Aufforderung zum Feintuning und Austarieren, denn zur radikalen Massnahmen: In der Schweiz sei nur wenig Veränderung nötig, so der Tenor, es komme vielmehr auf einen inspirierten Umgang mit dem Status quo an. Als Beweis wird der Manifesta Pavillon, den Tom Emerson mit Studierenden der ETH entwickelt hat, ins Feld geführt. Das Projekt verdeutlicht demnach, dass bei einem intelligenten Umgang mit den gültigen Regeln und geschickten Verhandlungen mit den Behörden sehr viel möglich ist.

 

In Frage stellen als nächster Schritt?

Insgesamt wurden nicht die radikalen Forderungen erhoben, mit denen vorab zu rechnen war, besonders, wenn man die aggressiven Plakate aus Christian Kerez` Kurs live gesehen hat: Arno Brandlhuber, sonst für markige Worte und harte Statements bekannt, hatte noch im Dezember zusammen mit Sophie Wolfrum und Manuel Herz gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel beklagt hatte, es gebe zu viele Regularien, zu hohe Standards und überzogene Erwartungshaltungen. Nun erklärte er nach der Filmvorführung, dass auch in Deutschland vor allem ein kreative Auslegung der gültigen Gesetze nötig sei, weil bereits genügend Spielraum vorhanden sei. Brandlhuber forderte die Anwesenden auf, sich nicht über zu viele Einschränkungen zu beklagen, sondern selbst die Regeln zu machen.

Bereits jetzt wurden aber bei Projekten wie der Genossenschaft Kalkbreite und dem Speich-Areal in Zürich Verordnungen nicht nur kreativ ausgelegt, sondern ausser Kraft gesetzt (Lärmschutz). Darum bleibt die Frage, ob nicht in einem nächsten Schritt doch Regeln in Frage gestellt werden müssen?

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