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Eingenistet im Dschungel

Am 30. November 2018 wurde das Kunstzentrum Azulik Uh May im Dschungel der mexikanischen Halbinsel Yucatan erstmals vorgestellt. Designer, Architekt und Sozialunternehmer Jorge Eduardo Neira Sterkel hat eine organisch schwingende Formsprache entwickelt, die sich mit herkömmlichem Architekturvokabular nur schwer beschreiben lässt.

 

Text: Julian Bruns – 20.12.2018
Fotos © Enchanting Transformation

 

In Auftrag gegeben wurde die Anlage von der Stiftung Enchanting Transformation, die von Eduardo Neira (der sich selber Roth nennt) gegründet wurde. Sie errichtet auf Yucatan Gebäude, die Brücken schlagen soll, zwischen der (weitestgehend verschwundenen) Kultur der Maya und der modernen westlichen Zivilisation Mexikos. «Beide Welten sollten näher zusammenrücken und voneinander profitieren», sagt Roth. Sein Ziel ist es, Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft zusammenzubringen, die sich für den Erhalt der Urwälder und Ozeane einsetzen. Das Kunstzentrum Azulik Uh May ist, nach dem Luxusresort Azulik sowie dem damit verwobenen Kunstraum IK Lab im nahe gelegenen Tulum, bereits sein drittes Projekt auf der Halbinsel. Die Anlage verfügt über einen Kunstraum, ein Mode- und Designlabor, ein Tonstudio sowie mehrere Wohnateliers. Im Zentrum steht eine Kunst- und Handwerksschule, in der die einheimische Maya-Bevölkerung Studierenden, Künstlern und Stipendiaten in Workshops das harmonische Zusammenleben mit Natur und Umwelt beibringen sollen. Später sollen noch medizinische Einrichtungen hinzukommen. Westliche Medizin und traditionelle Maya-Heiltechniken sollen kombiniert angeboten werden. Auch ein Restaurant ist geplant, in dessen experimenteller Küche ebenfalls aus der kullinarischen Tradition der Maya geschöpft werden soll.

 

Komplexe Innenwelt
Die spektakuläre Anlage ist mit einer konventionellen Architektursprache nur schwer zu erfassen. Ein höhlenartiges Geflecht aus poliertem Beton und unbehandelten Zweigen der heimischen Kletterpflanze Bejuco scheint aus dem Boden gewachsen (oder vom Himmel gefallen) und nistet wie eine Mischung aus Parasit, Schlingpflanze und Wurzelwerk im Wald. Der Struktur wird immer wieder durchbrochen von Bäumen, die «hinein- oder herauswachsen». Laut Architekt wird so die Seele des Ortes eingefangen und das lokale Ökosystem erhalten. Scheinbar schwerelose, verdrehte Betonbänder, die abwechselnd raumfassend, Schmuckwerk, Pfad und Brücke sind, winden sich teilweise hoch über dem Boden durch Struktur oder Dschungel und verbinden die einzelnen Bereiche. Über Wand, Boden und Mobiliar mäandrierende Flächen aus Bejuco unterstreichen die höhlenartige Atmosphäre und den Eindruck eines in den Urwald eingewachsenen Körpers. Der zentrale Raum der Anlage wird durch eine 16 Meter hohe Kuppel aus den Ästen der Bejuco Pflanze abgeschlossen. Durch das Licht- und Schattenspiel entsteht der Eindruck eines leichten Blätterdachs. Laut Roth soll das Muster an die Blume des Lebens erinnern. Es handelt sich um ein geometrisches Ornament aus sich überlappenden Kreisen, die blütenartig angeordnet sind. In der Esoterik steht dieses Symbol für Harmonie und Schutz vor schlechten Energien.
Derzeit sind die Tore des Zentrums wieder geschlossen und es wird weiter an den Bauten gearbeite. Ab Januar 2019 soll es dann allen interessierten Besuchern offen stehen. 

 

> Im Dezember 2018 widmet sich archithese den Schnittmengen von Architektur und Landart. Legen Sie sich oder Ihren Lieben Heft 4.2018 unter den Weihnachtsbaum!

> Auch die aussergewöhnlichen Gestaltungen des kanarischen Architekten Fernando Menis oszilieren zwischen Höhlen und plastischen Architekturen. Bis zum 17. Januar 2019 sind sie im Aedes Architekturforum in Berlin zu sehen.

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