Ein hoffnungsvoller Abend
Die Triemli-Türme müssen bleiben! Mit diesem Ziel eröffnete die Zürcher Arbeitsgruppe für Städtebau (ZAS*) im September 2022 einen spekulativen Ideenwettbewerb, an dem sich Studierende wie auch renommierte Büros beteiligt haben. Ihre spannenden und zukunftsweisenden Beiträge zum Erhalt der Türme können bis 19. Januar in der Ausstellung zum Wettbewerb Stadthotel Triemli im ZAZ Bellerive besichtigt werden.
Text: Nele Rickmann, 13. Januar 2023
Was für eine Atmosphäre am gestrigen Abend im ZAZ zur Vernissage der Ausstellung Stadthotel Triemli! Es wird gewuselt, gelacht, diskutiert. Die Luft ist warm und aufgeladen. Die hier Anwesenden wollen etwas verändern. Gemeinsam setzen sie sich mit ihren Beiträgen dafür ein, dass die Triemli-Türme nahe dem Uetliberg erhalten bleiben. 1971 eröffnet, waren sie Personalhäuser für das benachbarte Stadtspital Triemli. In den letzten Monaten wurden die Bauten als Unterkunft für Geflüchtete, Studierendenwohnheim und temporäres Altersheim zwischengenutzt. Eine längerfristige Perspektive würde fehlen, so die Stadt, und setzte für das Gebiet einen Abriss der drei Türme Anfang 2023 fest. Was folgen soll, ist allerdings bis auf weiteres unklar.
Um dem entgegenzuwirken, engagiert sich die städtebauliche Arbeitsgruppe ZAS*. Im letzten Jahr gelang es ihr, mit einer schriftlichen Anfrage an den Stadtrat den geplanten Abbruch vorerst einzustellen. Im September 2022 eröffneten sie einen spekulativen Ideenwettbewerb, der zu Visionen aufrief, die «Betonreserven am Triemli zu aktivieren»1. Perspektiven für den Bestand sollen entwickelt und damit der Rückbau verhindert werden. So überraschend der Wettbewerb im Herbst letzten Jahres ausgeschrieben wurde, so überrascht waren die Veranstalter*innen am gestrigen Abend, wie vielfältig die 45 eingereichten Projekte sind und mit welchem Ideenreichtum die Teilnehmenden Konzepte für die Türme entwickelten. Verschiedene Medien kamen zum Einsatz – von klassischen Plänen über Film bis hin zu erzählenden Fotoessays. Sie verweisen auf den grossen Einfallsreichtum, von dem die Autor*innen und ihre Beiträge geprägt sind. Der Raum war voll, das Interesse gross. Gehofft wird von allen, dass auch die Stadt sich in den nächsten Tagen und Wochen mit den Konzepten sowie der weitreichenden Idee auseinandersetzt und zu einem Umdenken angeregt wird. Ein gegenseitiger Austausch ist gewünscht – nur gemeinsam kann die Aufgabe bewältigt werden. Einen kleinen Lichtblick gibt es allerdings bereits: Eine Verlängerung der Zwischennutzung auf zehn Jahre wurde geprüft und bewilligt. Der Rückbau wurde somit vorerst verschoben – Zeit also, in der viel passieren kann.
An diesem Abend gibt es keinen Gewinner, sondern eine hervorgehobene Auswahl an fünf besonders erwähnenswerten Projekten. Wichtig für den Beitrag, den der Wettbewerb mit seinen Ideen leisten kann, wären sie jedoch alle, betont Phillippe Koch, einer der Jurymitglieder, bevor er die fünf nacheinander zu sich nach vorne holt. Ebenfalls an der Jurierung beteiligt waren Elli Mosayebi, Silke Langenberg, Jolene Lee und Sarah Schalles – gemeinsam sichteten sie im Dezember 2022 öffentlich die visionären Beiträge und diskutierten Fragen über Konstruktionserbe, urbane Nachhaltigkeit und Wohnraummangel. Ressourcen müssten genutzt werden, vor allem in einer Stadt wie Zürich, in der nur 0.07 Prozent aller Wohnungen leer stehen.2
Wie können wir mit dem arbeiten, was bereits da ist, auch wenn gegenwärtig nicht alle Standards direkt erfüllt werden können? Die fünf ausgewählten Projekte3 geben jeweils eine sehr individuelle Antwort. Mit dabei auch das Kollektiv KOSMOS, das an der archithese Swiss Live Performance 2022 teilnahm und mit einer lockeren, spielerischen Herangehensweise an die Architektur überzeugt. Ihr Beitrag Hardware/Software zelebriert das Prozesshafte und proklamiert eine polyvalente Entwicklung auch nach «Fertigstellung» in der Zukunft. Ebenfalls hervorgestochen ist der ausgewählte Beitrag Groundworks, in dem die Autor*innen die Verbindung zum nahen Spital hervorheben und so die Triemli-Türme nicht von ihrer Umgebung losgelöst, sondern als Teil einer gesamt urbanen Entwicklung betrachten. Eine ausführliche Beschreibung aller ausgezeichneten Projekte kann im Jurybericht auf zas.life eingesehen werden. Ebenfalls sind dort alle eingereichten Beiträge in digitaler Form gelistet.
Die ausgestellten 45 Projekte unterstützen und verdeutlichen die Idee der ZAS* für den Wettbewerb: Der Name Stadthotel Triemli verspricht eine Vielfalt, die in den insgesamt 750 freien Zimmern der Türme stattfinden kann. Ein Ort für eine Bewohnerschaft aus verschiedenen Lebenslagen soll hier entstehen, auf kurze oder lange Zeit. Junge, engagierte Architekturinteressierte setzen sich mit ihren Ideen für eine Zukunft ein, in der Bestand Perspektive hat. Ihre Visionen beeindrucken und zeugen von einer Hoffnung, die noch lange nicht gestorben ist. Ganz im Gegenteil: Es fängt gerade erst an spannend zu werden.
1 Vorwort im Wettbewerbsbericht Spekulativer Ideenwettbewerb Stadthotel Triemli, Januar 2023, S. 3.
2 Ebd., S. 4.
3 Neben den im Text genannten Projekten wurden ebenfalls ausgezeichnet: Hinterm Horizont von Maximilian Lewark, Tim Schellhammer, Josiane Schmidt, Alexander Throm und Matthias Rech; KaLi von Lilly Irmer und Sophie Kalwa; S, M, L, XL von Laura Stock und Johannes Walterbusch.