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Ein ersehntes Standardwerk
Dieses Jahr haben Trix und Robert Haussmann allen Grund zum Feiern: seit fünf Dekaden sind die beiden privat wie beruflich ein Erfolgsgespann. Pünktlich zu diesem schönen Anlass ist auch das Forschungsprojekt über das Architektenpaar mit einer umfangreichen Monografie abgeschlossen worden. Zwei Anlässe, die am 13. März unter den Leuchtkronen des Restaurants und Bar Da Capo in Zürich, einem Lieblingsprojekt der beiden von 1980, gefeiert wurden.
Die «kritische Werkschau» mit dem Titel Kultur der Formgebung herausgegeben von Gabriela Güntert, Bruno Maurer und Arthur Rüegg punktet mit lesenswerten Essays und birgt mit etlichen kaum bekannten Gestaltungen so manchen Schatz. Laurent Stalder wagt sich in seinem Vorwort indes an eine Einordnung des Werks des Paars in den Schweizer und internationalen Diskurs.
Text: Frida Grahn – 28.3.2017
Bilder © gta Archiv/ETH Zürich
Die Zusammenarbeit von Trix (*1933) und Robert (*1931) Haussmann nimmt eine Sonderstellung in der Schweizer Architektur- und Designszene ein, denn bei ihrer Suche nach Auswegen aus einer erstarrten Moderne sind sie oft ihrer Zeit voraus gewesen. Zu ihren Gestaltungsmitteln zählen Raum- und Materialverfremdung, die Mehrdeutigkeit, eine spielerisch-kritische Ironie und vor allem Experimentierfreude. Präzision in Idee und Ausführung prägen die vielfältigen Projekte, zu welchen grosse und kleine Neu- und Umbauten, Ladeneinrichtungen, Industriedesign, Textilien und Möbel zählen. Die Gestaltungen des ab 1981 unter dem Namen «Allgemeine Entwurfsanstalt Zürich» wirkenden Büros, schöpfen ihre Kraft aus konzeptionellen Überlegungen und werden oft als Manifeste verstanden, wie etwa die Möbelserie Lehrstücke I bis XI mit dem bekannten Schubladenturm in Säulenform Störung der Form durch die Funktion. In Zürich sind viele prominente Projekte erhalten, so zum Beispiel die Herrenmode-Boutique Weinberg, der Bahnhof Museumstrasse und Passagen des Hauptbahnhofes sowie die Kronenhalle Bar – ein Frühwerk, das 1965–66 entstanden ist und zu den vielleicht schönsten Orten der Stadt zählt.
Facettenreiche Beiträge
Die Herausgeber Gabriela Güntert, Bruno Maurer und Arthur Rüegg haben nun im gta Verlag eine umfangreiche Publikation vorgelegt, basierend auf der Aufarbeitung des Haussmann’schen Œuvres. Die Recherche fing die Zürcher Architektin Güntert schon im Jahr 2010 an. Der Vorlass der Haussmanns gelang 2014 als Schenkung ans gta Archiv und diente als Grundlage für den «kritischen Werkkatalog» Kultur der Formgebung – die erste vollständige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Werk des Paares. Die Grundstruktur der Publikation basiert auf einem chronologischen Werkverzeichnis. Unter den 248 Entwürfen, entstanden zwischen 1950 und 2014, sind auch den meisten wohl unbekannte oder gar nicht ausgeführte Projekte. Der Werkkatalog wird von grossformatigen fotografischen Darstellungen und zehn Essays namhafter Autorinnen und Autoren begleitet; Texte, die zu den jeweiligen Werken in assoziativer Beziehung stehen und ein grosses Lesevergnügen bereiten.
Die behandelten Themen zeugen vom breiten Schaffensfeld der Haussmanns und widmen sich etwa den frühen modernistisch inspirierten Möbelentwürfen von Robert Haussmann genauso, wie Spiegel und Stoff oder dem angedachten Schlitz in der Bahnhofshalle. Sonja Hildebrand beschreibt den für die Welt der Haussmanns zentralen Begriff «Manierismo Critico», der anlässlich der Ausstellung im Mailänder Studio Alchimia 1980 geprägt wurde, als Antwort auf die Ausdrucksarmut der Moderne. Zum Thema Stoff stellt Bettina Köhler einen Bezug zwischen dem tromp l'oeil-Vorhang im Vermeers Briefleserin am offenen Fenster und dem Gebrauch von Textilien, insbesondere geraffter Vorhängen, der Gestalter dar. Sie zeigt die Kraft der illusionistischen Formen und die schwer greifbare Dimension von Kunst und Geschichte. Köhler bewegt sich zwischen Bild und Wirklichkeit und schlüpft selbst mühelos zwischen den Welten in einer Art textliche Illusionsmalerei. Die Beiträge von Stanislaus von Moos und Gabrielle Schaad schenken ein vertieftes Verständnis für die 1960er-Jahren, in der eine funktionalistisch-moderne Denkweise immer noch vorherrschend war und der «Historismus [...] unter Architekten weitgehend tabu»: Der Zürcher Hauptbahnhof war baufällig, das 19. Jahrhundert verpönt. Dies änderte sich mit der Unterschutzstellung des Südtrakts, der sich «über Nacht in ein Objekt der architektonischen und denkmalpflegerischen Pietät» verwandelte, so von Moos. Im Anschluss kam der Auftrag für das Restaurant und Bar Da Capo.
Postmodern?
In der Ausstellung Postmodernism. Style and Subversion 1970-1990 im Schweizerischen Nationalmuseum 2012 wurden die Haussmanns wegen ihrer ironisch-kritischen Rezeption der Moderne als ein wichtiger Teil der Schweizer Postmoderne präsentiert. Ein Ziel des aktuellen Forschungsprojekts war ebenfalls eine «kritische Einordnung des Werks in den schweizerischen und internationalen Diskurs (Postmoderne, Pop Art)». Doch welche Beziehung attestiert es den Haussmanns nun zur Postmoderne? Ist eine Einordnung möglich? Im Vorwort beantwortet Professor Laurent Stalder diese Frage mit «eher nein». Laut der Kritik an der Postmoderne von Max Frisch aus dem Jahr 1985 ist es eine Frage der Haftung. Wer nicht haften wolle, sei postmodern, so Stalder. Und weil die Haussmanns gerne für das haften, was sie geschaffen haben, sind sie es also nicht. Ein interessanter Versuch der Einordnung oder Abgrenzung, auch von den negativen Konnotationen des Postmoderne-Begriff. Doch nur wenige verstehen den Begriff überhaupt im Sinne von Charles Jencks oder Henrich Klotz. Es lässt sich gut über die Haussmanns als Manieristen sprechen, als Vertreter einer überzeitlichen «ironische, distanzierte, verfremdende Haltung gegenüber dem gebauten, der Tradition», wie von Moos vorschlägt. Diese Definition könnte aber auch für die Postmoderne verwendbar sein – ein Verzicht auf den Begriff ist nicht hilfreich bei der Einordnung in den grösseren Kontext. Und so «lauert» die Postmoderne immer irgendwo im Hintergrund.
Aber wie dem auch sei: Zweifelsohne haben die Herausgeber einen wichtigen Forschungsbeitrag geleistet. Trix und Robert Haussmann wird eine erneute Aktualität zuteil, etwa mit der Ausstellung The Log-O-Rhythmic Slide Rule im Ausstellungsraum Studiolo 2012 und durch die Verleihung des Grand Prix Design des Bundesamts für Kultur 2013. Die Publikation zeichnet ein inspirierendes Portrait der Gestalter und ist als erste Gesamtsicht von grosser Relevanz – ein ersehntes und gerne gelesenes Standardwerk.
Gabriela Güntert / Bruno Maurer / Arthur Rüegg (Hrsg.), Trix und Robert Haussmann. Kultur der Formgebung, Zürich 2017.