Do things
Aktuell wird im B KN R, im Hochbunker von München, eine Ausstellung ohne Ordnung gezeigt. Das Berliner Büro Something Fantastic möchte sich mit offenen Augen wie Anthropologen durch die Welt bewegen, das Gesehene aber nicht nur sammeln, sondern darauf aufbauen um kleine und feine Architekturen zu entwickeln. Die Ausstellung im Hochbunker soll in Form einer Auslegeordnung eine Anleitung zu ihren Herangehensweisen, Wertevorstellungen und Zielen geben.
Text: Anne-Dorothée Herbort – 26.06.2017
Etwas Wunderbares
Julian Schubert, Elena Schuetz und Leonard Streich möchten mit ihrem Büro Something Fantastic nicht nur clevere, berührende und einfache Architektur machen, sondern über den Tellerrand des Konstruktiven hinaus schauen. Sie treten forsch auf und schrieben 2010 ihre Wertvorstellungen und Herangehensweisen in einem Manifest nieder. Sie sind der Überzeugung, dass alles die Architektur beeinflusst und sie sich umgekehrt auf alles auswirkt. Sie glauben, dass ein Bewusstsein für Schönheit die Welt verbessern kann. Sie lassen sich von Kunst, Literatur und Wissenschaft inspirieren. Sie denken, lehren und gestalten Gebäude ebenso wie Objekte und Bücher. Sie sind Städteplaner, Textverfasser, Weltverbesserer, Anthropologen, Zukunftsforscher, Dienstleister und Partyveranstalter. Mit Something Fantastic möchten sie eine neue Form von Autonomie definieren, um in der komplexen Gegenwart Zukunft gestalten zu können. Was für sie zählt, ist die Erzählung umschreiben zu können, wann immer man es für notwendig erachtet.
Eine Sammlung
Auch die aktuelle Ausstellung im Münchner Hochbunker B NK R stellen die drei Berliner Architekten erneut unter eine Erklärung: «Do Things ist eine stete Sammlung von Sachen, die a) von Something Fantastic gemacht sind, b) schön sind, c) in Rio de Janeiro gefunden wurden, d) Teil des akademischen Kanons sind, e) kopiert sind, f) von Borges stammen, g) noch keinen Namen haben , h) nicht gestaltet aussehen, i) in sich Ideen für eine bessere Zukunft tragen, j) einfach sind, k) inspirieren.» In der Form des Manifestes übernehmen sie die fiktive chinesische Enzyklopädie des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges, bekannt für seine fantastischen Erzählungen und Mitbegründer des Magischen Realismus der spanischsprachigen Literatur. Auf diese Art demonstrieren die drei Architekten gleichermassen, was ihre Praxis ausmacht: die Zukunft mit dem Vorhandenen und Verfügbaren zu gestalten und auf dessen vielfältige Möglichkeiten hinweisen die noch im Verborgenen verharren, da sie über die bisher denkbaren Ordnungssysteme und Kategorisierungen hinausreichen.
Etwas tun
Something Fantastic reisen als Anthropologen der Gegenwart durch die Welt, fotografieren und archivieren architektonische Momente, die das Zusammenspiel aus Materialität und Atmosphäre in den Mittelpunkt rücken. Und so wie Anthropologen «schreiben» Something Fantastic alles auf, verharren aber nicht im Interpretieren und Ordnen des Gesehenen, sondern setzen das Vorhandene und doch Fremde in das Vertraute, um Schönheit hervorzubringen. Diese, so ihre Überzeugung, kann die Welt verändern, die Zukunft gestalten und die Menschen glücklicher machen. Für ihre Forschungen verlässt Something Fantastic das sichere Feld der klassischen Architektur, und folgt den Prämissen des Philosophen Michel Foucaults – der ebenfalls die Enzyklopädie Borges zitiert – einen Raum für das Heterogene und nicht mehr eindeutig Klassifizierbare zu erzeugen.
Do Things möchte als Anleitung für die Absichten und Erklärung für die Arbeitsweise von Something Fantastic dienen. Die Ausstellung zeigt nebeneinander und ohne erkennbares Ordnungssystem Fotoprints, Fototapeten, digitale Bilder und Objekte von dem, was Something Fantastic gesammelt haben, und dem – was sie auf Basis des Gesehenen – als Architekturbüro umgesetzt haben. Input und Output überlagern sich dabei in einem wilden Kompendium von Ideen, Inspirationen und Lösungen. Dazu gehört aber nicht nur das Gesehene, sondern auch das Gelesene. Zur Eröffnung stellen Something Fantastic erstmals ihr neues Projekt Replica Books vor – ein Verlag, der vergriffene Bücher auf schlichte und preiswerte Weise nachdruckt und für die Welt weiterhin verfügbar macht.
Verwirklichte Utopie
Zudem haben sie den Carport vor dem Museum zu einer Bar umfunktioniert und möchten damit erlebbar machen, wie auch mit kleinen Projekten ein Bewusstsein für Veränderung geschaffen werden kann. Die Steinbank, die das Bunkergebäude des B NK R umsäumt, soll zudem zu einem sozialen und öffentlichen Treffpunkt werden. Something Fantastic möchte damit eine Heterotopie à la Foucault erzeugen. Also einen dieser anderen – wenn auch realen Räume – die Gegenorte darstellen. Verwirklichte Utopien, die andere Orte in Frage stellen und die Fähigkeit besitzen, mehrere reale Räume – die eigentlich nicht miteinander verträglich sind – an einem einzigen Ort nebeneinander zu stellen.
Ausstellung ist bis zum 29. Oktober 2017 im Hochbunker B NK R zu sehen. Die Carport Bar ist ab 20 Uhr geöffnet. Vom 1. bis zum 31. August 2017 legt das Museum eine Sommerpause ein und bleibt geschlossen.
> Utopien und Zukunftszenarien sind auch in archithese 4. 2017 Science-Fiction Thema.