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Der Urform auf der Spur

Im Brüsseler Künstlerquartier werden im Zuge des Ausstellungsformat Maniera Architekten und Künstler gegenübergestellt. Aktuell trifft das Basler Architektengespann Emanuel Christ und Christoph Gantenbein auf den bosnisch-französische Künstler Bojan Šarčević. Sie entwarfen für die Galerie der Kuratoren Amaryllis Jacobs und Kwinten Lavigne eine limitierte Möbelserie, die Fragen zu Typologie, Autorenschaft, Materialität und Form aufwirft und Sehgewohnheiten und Erwartunghaltungen auf den Prüfstand stellt.

 

Text: Anne-Dorothée Herbort – 27.4.2017
Bild: Christ und Gantenbein, Athens Series, Maniera, 2017, Brüssel

 

Junge Wilde und grosse Stars
Aufstrebende Architekten und Kunstschaffende ein Forum zu biten, sie zu fördern und zugleich die Stars der Szene in einem neuen Licht erscheinen zu lassen – das sind die Kernanliegen hinter der Arbeit von Jacobs und Lavigne. Gerade etablierte Player sollen Einblick in ihre persönliche Sprache und konzeptionelle Methodik gewähren, so der Anspruch. Beide Kuratoren sind keine unbekannten in der Brüsseler Kunstszene. Als sie 2014 das Format Maniera gründeten, liessen sie Designobjekte in verschiedenen Wohnräumen ausstellen. Zwei Jahre später eröffneten sie ihre eigene Gallerie im bekannten Brüsseler Künstlerquartier Le Sablon.

 

Schnittmengen bergen
Amaryllis Jacobs und Kwinten Lavigne beauftragen die beiden Architekten und den Künstler Möbel für ihre Ausstellungen zu entwerfen. In ihren Augen liegen Architektur und die bildenden Künste nahe beisammen und weisen grosse Schnittmengen auf: Künstler gestalten demnach den Raum aus, welchen Architekten aufspannen. In der Ausstellung Maniera sollen die Gemeinsamkeiten Disziplinen in Gestalt eines Möbelstücks destilliert werden. Design und Architektur, so Jacobs und Lavigne, würden dann in diesen Objekten verschmelzen. Doch welche Fragen werden dabei aufgeworfen?

 

Auf der Suche nach der Urform – «konservative innovation»
Warum luden die Kuratoren Emanuel Christ und Christoph Gantenbein ein, Teil ihrer Schau zu sein? Eine gemeinsame Stossrichtung und ähnliche Interessenfelder dürften den Ausschlag gegeben haben: Wie die Basler Gestalter fragen die Kuratoren Jacobs und Lavigne nach einer universell gültigen Formen- und Architektursprache. Emanuel Christ sagt, beide befänden sich auf der Suche nach der Urform. Eine Italienreise habe bei ihm und Christoph Gantenbein das Interesse an einer ewig gültigen Architektur geweckt, die politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen zum Trotz konstant bleibe. Tragwerk, Materialität und Dramaturgie seien seiner Erfahrung nach deren wesentliche Säulen. Christ & Gantenbein setzen sich daher intensiv mit traditionellen Architekturelementen auseinander und entwickeln sie weiter. Beispielhaft dafür ist der LED-Fries des Erweiterungsbaus des Basler Kunstmuseums (2016), eine zeitgemässe Neuinterpretation des klassischer Vorbilder; eine Herangehensweise, die Emanuel Christ im Zuge der Konferenz Architecture Matters in München im vergangenen März als «konservative Innovation» und «lebendige Tradition» bezeichnete.

 

Christ & Gantenbein als Möbeldesigner
Den Ausgangspunkt für ihre Möbelserie Athens Series – ein Tisch, ein Hocker und ein Beistelltisch – bildete ein Steinblock, den sie auf einem Fischmarkt in Athen gefunden hatten. Ausgehend von der scheinbaren Banalität – dem Objet trouvé – sehen sie im Gesteinsbrocken eine «anonyme Architektur». Sie untersuchten das Objekt, erkannten seine Tektonik und fanden ein System, um einzelne Fragmente zu Möbeln zu verbinden. So wurde aus daraus eine bewusste gestalterische Setzung. Doch welche Message verbirgt sich hinter diesem Vorgehen? Emanuel Christ und Christoph Gantenbein wollen mit dem Aufgreifen «anonymer Architektur» und der Entwicklung ihrer Gestaltung auf derem Basis einen Diskurs um die Autorenschaft ins Rollen bringen.

 

Unwohnliches Wohnzimmer
Die Szenografie der Maniera 12 und 13 soll die Grenzen zwischen Ausstellungsraum und Wohnzimmer verwischen. Dafür sorgt der Beitrag von Bojan Šarčević. Mit Requistien wie einer Espressomaschine, einem Aschenbecher, Blumen auf der Fensterbank wird ein wohnliches Umfeld erzeugt, in dem die vom Künstler gestaltete Couch Slampadato wie ein Stachel sitzt. Denn das Möbel wirkt abschreckende und anziehend zugleich, ist doch ihre Sitzfläche aus hartem und kaltem Stahl gefertigt, während die Rückenlehne mit angenehm weicher Angorawolle überzogen ist. Šarčević möchte so Paradigmen des Produktdesigns hinterfragt und mit seinen Szenografien Sehgewohnheiten und verbreitete Erwartungen ins Wanken bringt: «What you see is not (always) what you get!»Bojan Šarčević und Christ und Gantenbein stellen so Grundsätze des Möbeldesigns in Frage. 

 

Die Maniera 12 und 13 ist bis zum 3. Juni 2017 in der Nähe des Place de la Justice in Brüssel zu sehen. 

 

> In archithese 1.2017 Swiss Performance erfahren Sie mehr über die im letzten Jahr eröffneten Erweiterungsbauten des Landesmuseums in Zürich und des Kunstmuseums in Basel von Christ und Gantenbein.

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