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Deplatziert?
Herzog & de Meuron haben den Wettbewerb für das Museum des 20. Jahrhunderts im Herzen Berlins gewonnen. Der Neubau soll zwischen Neuer Nationalgalerie und der Scharoun’schen Philharmonie zu stehen kommen. Das Basler Büro konnte sich gegen 41 internationale Spitzenbüros durchsetzen. Doch für die Kubatur ihres Backsteinbaus mit Satteldach müssen sie bereits einige Kritik einstecken. Tatsächlich scheint der rural wirkende Baukörper im urbanen Gefüge seltsam deplatziert. Doch die Visualisierungen der grosszügigen kreuzförmigen Durchwegung und das Raumplanartige Gefüge des Museums versprechen einen neuen, vielfältigen öffentlichen Raum für Berlin.
Text: Elias Baumgarten – 28.10.2016
Visualisierung © Herzog & de Meuron
«Sieht aus wie ein Bierzelt.» Es geht schnell im Zeitalter des Internets: Schon kurz nachdem die ersten Bilder durch die Newsfeeds getickert waren, erntete der Siegerentwurf von Herzog & de Meurons für das Museums des 20. Jahrhunderts nahe dem Potsdamer Platz in Berlin Lob aber auch heftige Kritik. Die bundesdeutsche Fachpresse äusserte sich mitunter despektierlich. Auf der Homepage des Berliner Magazins Bauwelt ist beispielsweise zu lesen, eine Schweizer Ziegelhütte solle zwischen Mies und Scharoun stehen.
Stein des Anstosses
Doch woran entzündet sich die Kontroverse? Zunächst verwiesen Herzog & de Meuron im Team mit Vogt Landschaftsarchitekten aus Zürich eine starke internationale Konkurrenz auf die Plätze: Rang zwei ging an das Team aus Lundgaard & Tranberg Architekten und Schønherr Landschaftsarchitekten. Auf drei kamen Bruno Fioretti Marquez und capatti staubach Landschaftsarchitekten. Anerkennungen wurden für die Eingaben von OMA, Kazuyo Sejima und Staab Architekten ausgesprochen. Der Entwurf des Basler Büros polarisiert insbesondere wegen seiner Kubatur, die mit ihrem Satteldach unter anderem an das Schaudepot auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein erinnert. Während die Entscheider voll des Lobes sind und von einem «grandiosen Entwurf» sprechen (Kultusstaatsministerin Monika Grütters), lesen die Kritiker darin die Typologie einer Scheune, Lagerhalle oder eben eines «Bierzeltes». Laut den Architekten bezieht sich die Form tatsächlich auf Typologien des Lagerns, aber auch auf Bahnhofshallen als Begegnungsorte und auf «Tempel» wie die Alte Nationalgalerie von August Stüler.
Deplatziert?
Im Gegensatz zum Schaudepot auf dem Vitra Campus, dem Parrish Art Museum in seiner ruralen Umgebung oder auch dem Ricola Kräuterzentrum am Rand des Dorfes Laufen scheint der Entwurf für Berlin zwischen den Architekturikonen von Mies und Scharoun tatsächlich deplatziert. Obschon überaus kraftvoll wirkt er archaisch, beinahe banal. In die toskanischen Landschaft zwischen Getreidefeldern, Weinbergen und Zypressen würde er sicher besser passen, als in die bundesdeutsche Kapitale.
Interessant ist unterdessen, dass noch beim Ideenwettbewerb im Frühjahr von der Jury allen voran unterirdische Lösungen favorisiert wurden. «Das Preisgericht setzte zehn Mal auf städtebauliche Diskretion» schrieb der Zürcher Kritiker Andres Herzog, monierte die Mutlosigkeit der Jury und fügte an, Hans Scharoun würde ob so viel Ehrfurcht wohl den Kopf geschüttelt haben. Irgendwo zwischen beiden Wettbewerbsrunden scheint dann ein Umdenken stattgefunden zu haben. Eine eigene Sprache spricht der Entwurf von Herzog & de Meuron zweifelsohne. Aber redet er noch mit dem Ensemble um ihn herum?
Städtebauliche Setzung
Besonders wichtig ist Herzog & de Meuron laut eigener Aussage die Einbindung ihres Entwurfs ins städtebauliche Ganze des Berliner Kulturforums. Die Architekturen der Neuen Nationalgalerie und Philharmonie sowie des Kunstgewerbemuseums, des Kupferstichkabinetts und der Gemäldegalerie würden bis dato verloren wirken und die Freiräume dazwischen hätten keine Platzqualität. Ihr Museumsbau soll dies nun ändern und ein Scharnier im Quartier ausbilden: In Ost-West-Richtung soll er als Tor für den Matthäikirchplatz und die dahinter situierten Kupferstichkabinett und Gemäldegalerie wirken. Und in Nord-Süd-Richtung soll er eine Verbindung von Neuer Nationalgalerie und Scharoun’scher Philharmonie etablieren. «Das Verbinden und Vernetzen sehen wir als Hautaufgabe unseres Projekts», so Jacques Herzog und Pierre de Meuron. Wie die Visualisierungen zeigen, ist das Innenleben des Backsteinbaus entsprechen dieser Funktion im Zentrum eines gedachten Achsenkreuzes gestaltet. Von dort wird sich der Raum ins Untergeschoss ausweiten. Um dieses räumliche Zentrum sind vier weitere Schauräume gruppiert, die zu einem Parcours verschaltet werden können.