Das aktuelle Heft: Superstudio
Unter den architektonischen Visionen des 20. Jahrhunderts zählen die der italienischen Gruppe Superstudio zu den faszinierendsten, suggestivsten und zugleich verstörendsten. 1966 gegründet, wurde Superstudio mit Entwürfen wie dem Monumento continuo bekannt, die in ihrer Radikalität bis heute Rätsel aufgeben und zwischen Utopie und Dystopie oszillieren. Wie die Entwürfe zu lesen sind, haben die Mitglieder zunächst offen gelassen; erst später, als Superstudio selbst schon Geschichte war, haben sie sich deutlicher dazu geäussert. So erklärte Mitbegründer Adolfo Natalini 2005: «Superstudio war eine situationistische Bewegung, welche die klassischen Werkzeuge der Architektur (Zeichnungen und Pläne) nutzte, um nicht nur die Architektur und ihre aktuellen Ideen, sondern auch die Gesellschaft zu kritisieren. Superstudio verwendete die rhetorischen Instrumente der Metapher und Allegorie sowie die Mittel Ironie und Vorstellungskraft und bewegte sich im Niemandsland zwischen Kunst und Architektur.»1
Anstoss für dieses Heft gaben Gespräche mit Marianne Burkhalter, die als junge Hochbauzeichnerin 1969 zur ersten Angestellten des Büros in Florenz wurde und deren präzisem Zeichenstil die Realisierung vieler ikonischer Bildfindungen von Superstudio zu verdanken ist. Mit ihrer Unterstützung wurde der Versuch unternommen, auch bislang unterbelichtete Aspekte des Œuvres von Superstudio zu thematisieren. Zudem ergänzt das Heft die bisherige, überwiegend auf Italienisch oder Englisch verfasste Forschungsliteratur zu Superstudio um einen umfangreichen Textkorpus in deutscher Sprache.
Manchmal wird das Ende von Superstudio auf das Jahr 1972 datiert. Natalini selbst nannte das Jahr 1986 und fügte hinzu, dass 20 Jahre für eine Avantgardebewegung eine extrem lange Zeit sei: «Es ist unmöglich, für immer jung zu bleiben.»2 Zu zeigen, warum die Beschäftigung mit den Arbeiten von Superstudio knapp 50 Jahre nach Gründung der Gruppe auch für eine heute junge Generation lohnenswert sein kann, ist ebenfalls Ziel dieses Hefts.
Die Redaktion
1 Adolfo Natalini, Superstudio a Middelburg, Kopie eines Typoskripts für die Ansprache anlässlich der Ausstellung Superstudio im Zeeuws Museum Middelburg, 2005; Archiv Marianne Burkhalter, Übers. von Hubertus Adam.
2 Ebd.
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