Das aktuelle Heft: Keramik
archithese Keramik bilanziert jüngste Entwicklungen von Ziegelbauten und Baukeramik in der Schweiz, verankert sie historisch und verortet die Thematik im internationalen Kontext.
Keramik ist der elementare Werkstoff schlechthin. Damit aus Ton gebrannter Backstein wird, bedarf es des Zusammenspiels aller Elemente: Erde, Wasser, Feuer, Luft. Wohl daher haftet der Urmaterie Ton etwas Demiurgisches an – gemäss dem biblischen Schöpfungsmythos schuf Gott Adam aus einem Klumpen Ton. Auch in der griechischen Mythologie formte Prometheus den Menschen aus Lehm und brachte ihm das Feuer.
Durch den Brand verändert die weiche, formbare Masse ihre Eigenschaften: Sie wird hart und stabil, gegebenfalls sogar wetterfest. Dieser steuerbare Transformationsprozess unterscheidet sie von anderen natürlichen Baustoffen wie Holz oder Naturstein.
Ton wurde, wo vorhanden, kultur- und zeitübergreifend als Baumaterial eingesetzt – gerade in Gegenden, wo Holz, vor allem aber Naturstein nicht vorhanden waren. Das gilt zum Beispiel für den Norden Europas, wo sich mit der Backsteingotik oder dem Backsteinexpressionismus der Amsterdamse School regional begrenzte architekturhistorische Phänomene ausbildeten. Die Schweiz hingegen war traditionell eher ein Land der Werkstein-, Putz- und Holzarchitektur. Doch auch hier fanden sich (heute weitgehend ausgebeutete) Tongruben, welche für die Backstein- und Dachziegelproduktion genutzt wurden.
Das 19. Jahrhundert veränderte die Herstellungsprozesse erheblich. Aus einem handwerklichen Erzeugnis wurde ein konfektioniertes und massengefertigtes Industrieprodukt. Der günstige Transport per Eisenbahn ermöglichte die Distribution unabhängig vom Herstellungsort. Doch schon um 1900 beklagte man die Seelenlosigkeit der perfektionierten, aber sterilen Massenware.
In der jüngsten Zeit stösst Baukeramik wieder verstärkt auf Interesse. Gewiss, in Zeiten der Energiekrise ist der energieintensive Herstellungsprozess problematisch. Das relativiert sich jedoch, wenn man das keramischen Werkstoffen inhärente Potenzial der Dauerhaftigkeit miteinbezieht. Der grosse gestalterische Vorteil von Baukeramik ist, dass es sie in einem unendlich vielfältigen Spektrum an Farben, Formen, Texturen und Strukturen gibt, das für die Gestaltung von Fassaden genutzt werden kann. Und angesichts der Tatsache, dass Handwerklichkeit, aber auch Ressourcenschonung und Recycling eminent an Bedeutung gewonnen haben, interessiert sich auch wieder eine junge Generation von Architekt*innen für den Werkstoff Ton, mit dem man im wahrsten Sinne händisch umgehen kann.
Die Redaktion
> Die aktuelle archithese Keramik ist ab heute im Onlineshop erhältlich.