Das aktuelle Heft: Anders nutzen
Die gebaute Umgebung des Menschen unterliegt seit jeher kontinuierlicher Wandlung. Werden Funktionen obsolet, so stehen auch die damit verbundenen Bauten zur Disposition. Ob sie abgerissen werden oder erhalten bleiben, ist jeweils Resultat einer Kosten-Nutzen-Rechnung.
Die Ökonomie der Mittel sprach kulturhistorisch gesehen vielfach für eine Transformation, wenn die Substanz sich als hochwertig darstellte. Daher sind Repräsentationsbauten früherer Zeitepochen eher erhalten geblieben als Alltagsarchitekturen. Seit den Modernisierungsschüben des 19. Jahrhunderts, die mit der Entfestigung der Städte und der Implementierung einer zeitgemässen Infrastruktur begannen, hat der Rhythmus der Obsoleszenz zugenommen. Mehr und mehr zeichnen sich derzeit die Konsequenzen der Coronapandemie in unseren Städten ab: Geschäftsleerstände und überflüssige Warenhäuser sind Folgen eines veränderten Konsumverhaltens, das, ausgelöst durch die Digitalisierung, schon vor der Pandemie aufkam, aber jetzt mit neuer Intensität in Erscheinung tritt. Mit Anders nutzen wollen wir jenen Phänomenen nachgehen, die mehr sind als das durch frühere Obsoleszenzen bewirkte Umnutzen. Die Herausforderungen sind nicht neu, aber infolge der Coronakrise verstärken sie sich: Was geschieht mit nicht mehr benötigten Geschäftsflächen? Wie entwickelt sich das Verhältnis von privat und öffentlich? Wie soll der städtische Raum in Zukunft aussehen? Und welche Strategien könnten helfen, auf die Klimakrise und den Ressourcenverschleiss zu reagieren?
archithese begibt sich auf eine tour d’horizon zum Umgang mit dem baulichen, verkehrlichen und städtebaulichen Bestand in einer Welt nach der Pandemie. Wirkliche Lösungen, so zeigt eine Reihe von Beiträgen, gibt es erst in Ansätzen. Wir befinden uns in der Phase der Anamnese und Diagnose. Therapien sind noch zu finden.