Club Hybrid Graz
Der Sommer beginnt in der Nebelzone
Im Club Hybrid sein, heisst: das Spannungsfeld von Raum, Stadt und Forschung zu erleben. Der Forschungsbau, der von Heidi Pretterhofer und Michael Rieper in der «Grazer Nebelzone» initiiert wurde, bietet seit 2021 Raum für Experimente, Diskurs und Zusammenkommen. Der offene Ort ist ein Suchprozess der zur Mitgestaltung einlädt – und sich dabei sowohl den grossen, globalen Fragen der gebauten (Um-)Welt widmet, als auch als lokales Netzwerk versteht, das neue Impulse für Graz setzt – ein Hybrid eben.
Text: Angelika Hinterbrandner, 5. September 2022
Als ich im Juni nach Graz fahre ist es heiss, die Sonne brennt. Während sich in Graz die letzten Uni-Wochen gerade erst ankündigen, ist das Semester an der ETH gerade zu Ende gegangen. Ich bin auf den Weg in den Club Hybrid, der das zweite Jahr in Folge junge Architekt*innen, Researcher*innen, Künstler*innen zur Residency einlädt. Eine Woche darf ich zu Gast sein, um mich ausschliesslich mit den Themen zu beschäftigen, die mich umtreiben. In Graz angekommen, nähere ich mich der «Nebelzone» – so nennt das Club-Hybrid-Team das südliche Grazer Gebiet, in dem sich der Bau befindet – langsam mit der Tram an. Die Grazer Innenstadt ist kompakt. Nur 20 Minuten brauche ich, bis ich auf dem Grundstück an der Herrgottswiesgasse stehe und doch eröffnet sich hier eine ganz andere Welt. Im wilden Mix zwischen Gewerbe, Industrie, Brachflächen und Einfamilienhäusern findet sich der Club auf einem ruhigen Fleck grüner Wiese, in enger Nachbarschaft zum islamischen Kulturzentrum mit Moschee.
Standort, Architektur und Programmierung orientieren sich an den klar formulierten und stringent umgesetzten ideellen Leitplanken des Projekts: Hybridität, gemeinsames Gestalten, wertschätzen, was da ist. Heidi Pretterhofer und Michael Rieper, die das Projekt im Rahmen des Grazer Kulturjahrs 2020 ins Leben gerufen haben, suchten nach einem Grundstück, das sie «nutzen statt besitzen» könnten und wurden hier im Süden von Graz fündig. Sie bewegen sich bewusst hinaus aus der Innenstadt, hinein in die Zone des Speckgürtels, um auf die Potenziale des Raums aufmerksam zu machen, der für allzu viele nicht mehr ist als ein unbekannter Nebel, den man verachtet.
Als ich ankomme ist von Nebel keine Spur. Rosa Fensterrahmen und der grosse Schriftzug «Club Hybrid» leuchten mir entgegen. Bei der Willkommenstour lerne ich, welcher Kühlschrank im Erdgeschoss welchen Nachbarn gehört und wann durchaus mit unangekündigtem Besuch aus der Nachbarschaft zu rechnen ist – ich bin Bewohnerin, quasi Haushüterin für meine Woche. Der Club ist ein Ort des Zusammenkommens. Kochen, Essen und Feiern stehen dabei im Mittelpunkt und sind wortwörtlich das Fundament der Architektur, das Menschen auf möglichst schwellenarme Weise anzieht.
Das Erdgeschoss, das die Kantine beherbergt, wird von 36 schlanken Stahlstützen strukturiert, die die zweigeschossige Holzkonstruktion tragen, in der sich Werkraum und Studios für die Gäste der Residency befinden. Der Holzrohbau ist dabei ein halbes Ganzes: Die eine Hälfte des Hauses ist ein von Stahlträgern gerahmter Leerraum. Kosteneffizient umgesetzt, bietet die Struktur die Option weiterzubauen, falls es sich ergibt und schafft das maximale Angebot an Raum, das es herauszuholen galt. Es gibt keinen Keller, keine Wärmedämmung, keine verklebten Bauteile, der Rück- und Neuaufbau an anderer Stelle ist vorgesehen. Mit einem Minimum an Mitteln hat das Club-Hybrid-Team versucht, das Maximum an Optionen aufzumachen. Grenzen zwischen Planung, Kultur, Forschung, Politik, Party, Nachbarschaftstreff, Entertainment, Diskurs, und vielem mehr werden über den Haufen geworfen und neu zu einer ganz eigenen (urbanen) Form entwickelt.
Das Projekt ist nicht nur dieses Gebäude – der Club Hybrid ist ein Prozess, oder vielmehr eine Art des Denkens. Man merkt dem Team an, dass sie nicht nur darüber reden, Dinge anders machen zu wollen. Machen ist angesagt! Der Club Hybrid ist vieles, allem voran das, was man selbst daraus machen will. Was klingt wie ein Kalenderspruch, ist in der Umsetzung eine Herausforderung für alle Projektbeteiligten. Ein Experiment, ein Raum, ein Aushandlungsprozess, den man mitgestalten kann, ist auch immer eine gemeinsame Anstrengung, die man auf sich nehmen und aushalten (lernen) muss, wenn man es ernst meint.
Im gerade erschienenen Buch Club Hybrid – Ein Sommer in der Nebelzone (Jovis, 2022), das das erste Jahr des Projektes dokumentiert, schreibt das Team: «Zur Hybridisierung gehört neben der Kopplung von Funktionen und Programmen auch die Ermöglichung des ‹Unerwarteten›. Hybrid bedeutet, dass man nie genau wissen kann, aus welchen Teilen etwas in welcher Weise zusammengesetzt ist.» Den Raum, die Ressourcen und das Vertrauen geschenkt zu bekommen, einfach machen zu dürfen, ist selten. Der Club Hybrid bietet Raum, um sich auszuprobieren, neue Netzwerke und Allianzen zu bauen und Zugänglichkeit zu schaffen. Genau das war ein Ziel meiner Woche vor Ort. Die Residency hat mir die Arbeit an spaceforfuture.org ermöglicht – ein Netzwerk junger Gestalter*innen, die auch etwas anders machen wollen. Dieses Vorhaben konkret anzugehen, ist der nächste Schritt. Aber an welchem anderen Ort hätte man diesen ersten Stein besser legen können, als im Club Hybrid.
Ich möchte mich beim Team des Club Hybrid ganz herzlich für die Einladung zur Residency bedanken und wünsche dem Projekt noch viele weitere erfolgreiche Jahre und Transformationen, die die Ideen und Ansätze über die Grenzen von Graz weit hinaustragen.