Bezahlbarer Wohnraum?
Am 14. April fand die 12. internationale Tagung des ETHZ Forum Wohnungsbau im Zürcher Kongresshaus statt. Thema waren gerechte Mietpreise: Wann ist eine Miete verhältnismässig? Und wie schafft man genügend bezahlbaren Wohnraum?
Text: Frida Grahn – 16.4.2016
Bild: Johannes Dietschi
«Der soziale Zusammenhalt ist gefährdet» stellte Marie Glaser bereits in ihrer Begrüssung mahnend fest. Der Anteil des Lohns, den mittleren und unteren Einkommensschichten jeden Monat für das Wohnen aufwenden müssen, steigt stetig. Dies bestätigte auch Ueli Mäder von der Universität Basel, der vor einer zunehmenden Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft warnte.
«Homöopathische» Wohnbauförderung
Warum werden nicht ausreichend «bezahlbare Wohnungen» gebaut und was sind die Konsequenzen? Einige Antworten auf diese Frage vermochte Peter Schmid, seines Zeichens Präsident der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich ABZ, zu geben: die Wohnbauförderung in der Schweiz sei «homöopathisch». Mit Vertrauen auf den freien Markt hätte dies nichts mehr zu tun: Momentan würden mehr Steuergelder für Infrastruktur ausgegeben, was den Bodenpreis in die Höhe treibe und urbane Entwicklung massgebend beeinflusst. Dass der gemeinnützige Wohnungsbau nicht subventioniert werde, obwohl die privaten Investoren von allgemeinen Mitteln profitieren, sei ungerecht. Laut Schmid ist die Wohnbauförderung als Investition zu sehen und die Grundstückspreise müssen auf die politische Agenda genommen werden. Genossenschaften sollten beim Kauf von Grundstücken unterstützt und private Investoren verpflichtet werden, einen Teil ihrer Wohnungen günstig zu vermieten.
Typenhäuser als Lösung für sozialen Wohnbau?
Antworten und Modelle zum Thema günstiges Bauen wurden in Vorträgen von internationalen Gästen, wie zum Beispiel Thomas Krebs von der Siedlungs-Aktiengesellschaft in Hamburg vorgestellt. Er zeigte, wie aufgrund der Flüchtlingskrise in der Hansestadt der Verdichtungsgedanke «mehr Stadt in der Stadt» erstmals zugunsten von Typenhäusern verlassen wurde. Dieser Gedanke stiess auf Widerstand: Dietmar Eberle etwa stellte in seiner Synthese fest, dass durch eine solche Massnahme «jeglicher Anspruch auf Qualität» aufgegeben werde. Die Qualitäten ergebe sich nicht aus den Wohnungen, sondern aus der Relation zur Umgebung und zur städtischen Situation. So eine Lösung sei nicht zur Verallgemeinerung geeignet.
Bodenmoratorium?
Niko Paech von der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg hatte eine radikale Botschaft zum Thema Umweltschutz: Um die Klimaschutzziele zu erreichen, sei ein Baustopp unumgänglich. 40 Prozent der CO2-Emissionen stamme heute aus Immobilien, so Paech, eine Zahl die drastisch verringert werden müsse. Gegenstand der Architektur dürften nur mehr Sanierung, Optimierung und Umnutzung sein. Dass die Wachstumskritik auf einer Veranstaltung zum Wohnungsbau den Ton angibt mag zunächst paradox tönen, ist aber in Wahrheit eine wichtiges Statement für die Nachhaltigkeit.
Die Gier nach Fläche
Die immer weiter steigende Verbrauch an Wohnfläche verschärft indes die Klimafrage: im Vergleich zum Anfang des letzten Jahrhunderts ist der Konsum pro Kopf stetig auf das fünffache gestiegen. Laut Niko Paech gibt es kein ökologisches Bauen, das verhindern würde, dass jeder zusätzliche Quadratmeter Schaden an der Umwelt bedeute, denn das Wachstum an Wohnfläche fresse Effizienzgewinne im Energiebereich wieder auf. Dabei gilt in unserer Zeit eine grosszügige Wohnung als der Luxus schlechthin, wie Jean-Philippe Vassal in seinem Vortrag unterstrich. Er zeigte unter anderem wie, durch die Ergänzung von Wintergärten an Bestandsbauten, mehr Wohnraum geschaffen werden könne. Das Verfahren macht möglich, der Gier nach Fläche nachzugeben und abbruchsgefährdete Bauten kostengünstig sehr attraktiv zu machen: Damit erübrigen sich eventuell Ersatzneubauten, die zwar oft zur höheren Effizienz in Puncto Flächenverbrauch, aber auch zu höheren Mieten und einer erhöhten Umweltbelastung im Moment ihrer Erstellung führen.
Barbara Thalmann, Stadträtin in Uster und Präsidentin des Verbands der Wohnbaugenossenschaften, unterstrich, dass in Zürich in den nächsten 20 Jahren mit einem Wachstum von rund 80 000 Einwohnern zu erwarten sei. Um den damit einhergehenden Flächenverbrauch zu entschärfen gebe es nur das Mittel strenger Belegungsvorschriften. Ob damit eine solch hohe Personenzahl in bestehenden Immobilien nachverdichtet werden kann, wie von Niko Paech vorgeschlagen, bleibt fragwürdig. Bevölkerungswachstum und Umweltschutz unter einem Hut zu bringen avanciert damit zu der Herausforderung der nächsten Jahre sein.